Werkstoffe: Intelligente Materialien regulieren sich selbst
Trotz unterschiedlichster äußerer Bedingungen hält unser Körper seine Temperatur oder den Blutdruck stabil. Inspiriert von dieser Fähigkeit, entwickelten Ximin He von der Harvard University und ihre Kollegen ein neues Material, das ebenfalls aktiv auf seine Umwelt reagiert. Durch ein Zusammenspiel von mechanischen und chemischen Effekten hält ihr Prototyp seine Temperatur nahezu konstant – und das ohne externe Stromversorgung. Nach demselben Prinzip sollten sich auch andere physikalische, chemische und biochemische Eigenschaften wie Druck, pH-Wert oder Feuchtigkeit regulieren lassen.
Das intelligente Material setzt sich aus zwei unterschiedlichen, mikrometerdicken Schichten zusammen. Die untere besteht aus einem Hydrogel, in das die Forscher dicht an dicht winzige Lamellen einbetteten. Sinkt die Temperatur nun unter einen bestimmten Wert, schwillt das Gel an und die Mikrolamellen richten sich auf; wird es dagegen wärmer, zieht sich das Gel wieder zusammen und die Lamellen liegen flach an – wie die Schuppen eines Fisches. Stehen sie aufrecht, kommen sie mit der oberen, mit einer chemischen Substanz gefüllten Schicht in Kontakt, wodurch sie eine chemische Reaktion auslösen. Möglich machen das molekulare Katalysatoren, die an den Spitzen der Lamellen angebracht sind. In diesen Reaktionen wird Wärme freigesetzt – bis eine bestimmte Temperatur erreicht wird, die Lamellen sich wieder absenken und die Reaktionen aussetzen.
Die Bewegung der Mikrolamellen wirkt damit wie ein An- und Ausschalter, der sich mit Hilfe des temperaturempfindlichen Hydrogels selbst reguliert. Die gewünschte Temperatur lässt sich durch die Zusammensetzung des Hydrogels einstellen und auf rund zwei Grad genau halten. In den Versuchen demonstrierten He und ihr Team dies an einer rund 70 Mikrometer dicken und weniger als einen Quadratzentimeter messenden Doppelschichtstruktur, die ohne Zutun sechs Stunden lang eine Temperatur von rund 30 Grad Celsius aufwies. Jeder Zyklus dauerte dabei etwa viereinhalb Minuten. Durch ein periodisches Nachfüllen der Chemikalie in der oberen Schicht sollte sich die Betriebsdauer aber nahezu unbegrenzt verlängern lassen, schreiben die Autoren.
Einsetzen ließen sich die künstlichen Materialien etwa in medizinischen Implantaten, um beispielsweise den Glukose- oder Kohlendioxidgehalt im Blut zu regulieren, oder in Gebäuden, die autonom auf das Wetter reagieren und so eine erhöhte Energieeffizienz ermöglichen. "Im Prinzip lässt sich fast alles – Wärme, Licht, mechanischer Druck – innerhalb des Gels in ein chemisches Signal umwandeln", so He. Ebenso könnten die von den Lamellen ausgelösten Reaktionen viele verschiedene Wirkungen erzielen. Die denkbaren Einsatzmöglichkeiten für ihr SMART (Self-regulated Mechano-chemical Adaptively Reconfigurable Tunable System) getauftes Material seien damit überaus vielfältig.
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