Energie: Intelligenter Strom
Stromnetze sind dumm - bislang. Zu dumm jedenfalls, um mit den Anforderungen der Zukunft - wie starken Schwankungen in Angebot und Nachfrage, flexibler Speicherung und der Verwaltung vieler Kleineinspeiser - zurechtzukommen. SmartGrids sollen Abhilfe schaffen.
Bildschirmdiagonale, Kontrastwerte und das Label "HD-ready" sind die zentralen Argumente beim Fernsehkauf. Bei einer Waschmaschine sind es Wasser- und Stromverbrauch, vielleicht die Drehzahl im Schleudergang und das Label "SG-ready". Das glaubt zumindest ein großer Elektrohersteller, der mit dieser Kennzeichnung die Fähigkeit seiner neuen Geräte bewirbt, mit dem intelligenten Stromnetz der Zukunft, dem SmartGrid (SG), zu kommunizieren.
Mehr auf und ab im Angebot
Beides bringt mehr Durcheinander in das Stromangebot. Denn sowohl die Kleineinspeiser als auch die geplanten riesigen Solarkraftwerke (z. B. Desertec in der Sahara) und die vom Bundeskabinett abgesegneten gigantischen Windparks auf hoher See leiden an einem schwer wiegenden Problem: Sie bieten keine kontinuierliche Versorgung und sind daher nicht grundlastfähig. Bei Nacht scheint keine Sonne, und bei Flaute stehen Windräder still. Einzig Biomasse ließe sich als stetige und steuerbare Stromquelle nutzen.
Um diese Schwankungen im Stromangebot auszugleichen, wären entsprechende Speicher nötig – die aber bislang fehlen. So könnten zurzeit alle Pumpspeicherkraftwerke zusammen die Bundesrepublik gerade einmal für etwas mehr als eine halbe Stunde mit Strom versorgen – und sie stellen schon über die Hälfte der gesamten Speicherkapazität in Deutschland.
Zwar basteln Firmen wie Evonik an neuen Batterientypen. RWE investiert in effizientere, adiabatische Druckluftspeicher. Andere nutzen überschüssigen Strom, um damit Wassermoleküle zu spalten und so Wasserstoff zu gewinnen. In einem Pilotprojekt, an dem auch das Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik beteiligt ist, wird dieser sogar noch mit Kohlendioxid zu Methan umgewandelt, das als synthetisches Erdgas vorhandene Erdgasspeicher nutzen kann.
Aber alle diese Ansätze kommen um zwei Probleme nicht herum. Vor allem geht immer Energie verloren: In Extremfällen liegt der Wirkungsgrad sogar bei unter 50 Prozent. Außerdem stoßen die meisten Speicherkonzepte sehr schnell an die Grenzen des Vertretbaren. Um eine viertägige Windflaute auszugleichen, müsste man den Bodensee auf das Niveau der Zugspitze pumpen, hat Roland Hamelmann von der Fachhochschule Lübeck errechnet.
E-Mobile als smarte Energiespeicher
Dabei haben Forscher schon länger eine weitere, ganz konkrete Form intelligent gesteuerter, dezentraler und bisher nicht genutzter Energiespeicher als Puffer für das schwankende Energieangebot im Auge: die Pkw-Flotte. Genauer: den immer weiter steigenden Anteil an Elektro-autos.
1996 erkannte Willett Kempton von der University of Delaware in Robinson Hall, dass Autos die allermeiste Zeit nicht verwendet werden (in den USA: etwa 95 Prozent des Tages) und selbst zur Stoßzeit nur ein Bruchteil von ihnen auf den Straßen unterwegs ist (USA: knapp über 10 Prozent). Mit Zahlen von 2004 errechnete Kempton, dass die amerikanischen Pkws und kleinen Lkws zusammen etwa die 20-fache Leistungskapazität aller amerikanischen Kraftwerke zusammen aufbringen.
Bei einer zunehmenden Anzahl an Elektrofahrzeugen, die – wenn sie gerade nicht unterwegs sind – an das Stromnetz angeschlossen werden könnten, ließen sich also eines Tages bisher unerreichbar scheinende Mengen Energie "zwischenlagern" und bei Bedarf abrufen (die nötige Infrastruktur vorausgesetzt). Die Besitzer könnten festlegen, welchen Ladestand die Batterie nicht unterschreiten darf und dass beispielsweise am nächsten Morgen um 7 Uhr die nächste Fahrt von 35 Kilometer Länge zum Arbeitsplatz ansteht. Die überschüssige Batteriekapazität würde dann je nach Netzauslastung genutzt, um bei Überproduktion Energie aufzunehmen oder bei Lastspitzen Strom abzugeben.
Steuerung der Nachfrage
Doch solange sich die Schwankungen nicht durch Energiespeicher allein ausgleichen lassen, muss entweder ein anderer Stromerzeuger die Lücken schließen – oder die Nachfrage muss dem Angebot intelligent angepasst werden. Letzteres ist ein wichtiger Punkt im Stromnetz der Zukunft: Nutzer sollen den Strom für zeitlich flexible Aufgaben dann beziehen, wenn ein Überangebot existiert, und darauf verzichten, wenn der Strom knapp ist.
Sofort einsichtig ist das bei Großkunden: Schwimmbäder könnten das Wasser stärker als gewöhnlich aufheizen, wenn eine steife Brise die Windkrafträder wirbeln lässt, und die Beckenheizung herunterfahren, wenn sich der Wind abschwächt. Auch Kühlhallen ließen sich stärker abkühlen, um bei Bedarf eine Zeit lang auf Strom für die Kühlung zu verzichten.
Das Konzept soll aber auch für jeden Haushalt gelten: Die SmartGrid-Waschmaschine im Keller muss vielleicht nicht auf der Stelle die Wäsche waschen, sondern kann das nachts tun. Wie schon jetzt bei manchen Anbietern wäre der Anreiz der dann günstigere Strompreis, den die Waschmaschine über das Stromkabel erfährt. Als Vorbereitung müssen Eigentümer seit Anfang des Jahres bereits in allen Neubauten intelligente Stromzähler – so genannte SmartMeter – einbauen, die neben dem aktuellen Energieverbrauch auch die Nutzungszeit anzeigen. Zudem sind Stromanbieter verpflichtet, ab 2011 Tarife anbieten, bei denen der Preis mit Tageszeit und Netzauslastung schwankt.
Unterstützung durch virtuelle Kraftwerke
Und noch einmal zurück zum Ausgleich der Schwankungen durch andere Stromerzeuger: In einem zweiten Schritt sollen die Nutzer selbst zu Energieproduzenten werden. Das bietet zum einen potenziell einen direkten ökologischen Nutzen: Solange der Nutzer primär seinen eigenen Strombedarf deckt, minimieren sich die Energieverluste, die bei Stromübertragung über lange Distanzen unvermeidbar sind. Außerdem lässt sich die Wärme, die bei der Umwandlung von Energie in elektrischen Strom anfällt, direkt für die hauseigene Heizung und Warmwasserversorgung nutzen. Zum anderen könnten viele Kleinst-Energieproduzenten zu einem "virtuellen Kraftwerk" gekoppelt werden, das bei Bedarf hochgefahren wird, um Engpässe in der Stromversorgung auszugleichen. So könnten die bisherigen Kraftwerke zur Grundlasterzeugung ergänzt werden.
Das Konzept hat aber noch Schwächen. Abgesehen davon, dass die "Zuhause-Kraftwerke" zurzeit noch mit Erdgas, also fossiler Energie befeuert werden (künftig soll Gas aus Biomasse zum Einsatz kommen), erzeugen sie neben 20nbsp;Kilowatt elektrischer Leistung etwa 34 Kilowatt Wärmeleistung. Das liegt deutlich über dem, was ein normaler Haushalt, selbst im Winter, an Heizenergie benötigt.
Die Bundesregierung zieht mit
"Virtuelle Kraftwerke" stehen jedenfalls auch im Zentrum der Bemühungen von "eTelligence" (Cuxhaven) und dem "RegenerativKraftwerk Harz", zwei Projekten im Rahmen des "E-Energy"-Förderprogramms des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.
Mit einem Budget von 140 Millionen Euro treibt hier die Bundesregierung in verschiedenen Teilen des Landes gemeinsam mit Partnern aus der Wirtschaft vier Jahre lang Projekte im Bereich zukunftsweisender Energietechnologie voran. Schwerpunkte liegen beispielsweise in der Steuerung der Energieabnahme durch die Verbraucher ("Smart Watts“, Raum Aachen), in der Verknüpfung dezentral vernetzter Energiesysteme zu einem regelrechten Energiemarktplatz ("E-DeMa", Rhein-Ruhr), in der Minimierung von Emissionen ("MeRegio", Karlsruhe/Stuttgart) oder in der effizienten Nutzung dezentraler Energiespeicher ("Modellstadt Mannheim").
Markt der Zukunft
Aber das schlaue Stromnetz ist nicht nur Zukunftsmusik – und längst haben die Riesen der IT-Industrie erkannt, dass sich hier ein spannendes und Gewinn versprechendes neues Betätigungsfeld bietet. So rangeln sie um die besten Startplätze in das Dienstleistungs-Eldorado des neuen Strommarkts. Google etwa bietet in Zusammenarbeit mit ausgewählten nordamerikanischen Stromanbietern mit dem Onlineservice "PowerMeter" die Möglichkeit, mehr über den eigenen Stromverbrauch zu erfahren, Stromfresser zu identifizieren und regulierend einzugreifen – sofern das Haus über ein SmartMeter verfügt, das Google auslesen darf.
Microsoft kontert mit "Hohm", einem Dienst, der aus Nutzerangaben mit Hilfe von Quervergleichen mit anderen Nutzern Vorschläge zum Stromsparen generiert. Auch Microsoft arbeitet daran, über die Zusammenarbeit mit den Stromanbietern den tatsächlich gemessenen Stromverbrauch in die Hohm-Analysen einzubeziehen.
IT-Riesen wie Cisco drücken SmartGrid-Hardware für die Netz-Infrastruktur in den Markt. "Bislang sind die Netze dumm. Das bedeutet: Die Netzbetreiber wissen meist nicht, wo wie viel Energie verbraucht oder eingespeist wird. Entsprechend ineffizient ist die Regulierung der Netze", so Rolf Adam, Leiter der europäischen SmartGrid-Geschäftsentwicklung bei Cisco.
Wenn es gelingt, das Stromnetz durch IP-basierte Kommunikation immer mehr zu einem Informationsnetz zu machen, entsteht ein Geschäftsfeld mit dem Potenzial, in wenigen Jahren zu einem der größten internationalen Märkte zu werden: Siemens hat angekündigt, von 2010 bis 2014 etwa 6 Milliarden Euro in intelligente Stromnetze pumpen zu wollen. Und die Internationale Energieagentur IEA rechnet bis 2030 weltweit mit jährlichen Investitionen von mehreren hundert Milliarden Dollar im Energiesektor. Bereits letztes Jahr stellte US-Präsident Barack Obama 3,4 Milliarden Dollar aus seinem Konjunkturpaket für 100 Projekte im Bereich der SmartGrid-Technologien zur Verfügung.
Etliches am Konzept der SmartGrids ist noch gewöhnungsbedürftig: Will ich Google wirklich meinen Stromverbrauch verraten? Anderes wird von manchen ein Umdenken erfordern – wie nächtlich aktive Waschmaschinen. Und vieles liegt noch in weiter Ferne: Wird ein Elektroauto überhaupt meinen Bedürfnissen gerecht? Aber klar ist: Auch wenn bis 2030 nicht – wie auf dem Parteitag der Grünen jüngst gefordert – zu 100 Prozent Ökostrom in Deutschlands Stromnetz fließt, so wird sich doch in unserer Stromversorgung vieles ändern.
Aber wieso ein intelligentes Stromnetz? Strom kommt doch auch jetzt schon aus der Dose, wenn er gebraucht wird? Hintergrund sind zwei tief greifende Veränderungen in der Stromerzeugung. Zum einen gibt es immer mehr kleine Stromerzeuger, wie die Solarzellen auf Nachbars Dach oder das Miniblockheizkraftwerk im Keller: Sie wollen ab und zu überschüssigen Strom ins allgemeine Netz einspeisen. Zum anderen soll der Strombedarf künftig zunehmend aus regenerativen Quellen gedeckt werden.
Mehr auf und ab im Angebot
Beides bringt mehr Durcheinander in das Stromangebot. Denn sowohl die Kleineinspeiser als auch die geplanten riesigen Solarkraftwerke (z. B. Desertec in der Sahara) und die vom Bundeskabinett abgesegneten gigantischen Windparks auf hoher See leiden an einem schwer wiegenden Problem: Sie bieten keine kontinuierliche Versorgung und sind daher nicht grundlastfähig. Bei Nacht scheint keine Sonne, und bei Flaute stehen Windräder still. Einzig Biomasse ließe sich als stetige und steuerbare Stromquelle nutzen.
Um diese Schwankungen im Stromangebot auszugleichen, wären entsprechende Speicher nötig – die aber bislang fehlen. So könnten zurzeit alle Pumpspeicherkraftwerke zusammen die Bundesrepublik gerade einmal für etwas mehr als eine halbe Stunde mit Strom versorgen – und sie stellen schon über die Hälfte der gesamten Speicherkapazität in Deutschland.
Zwar basteln Firmen wie Evonik an neuen Batterientypen. RWE investiert in effizientere, adiabatische Druckluftspeicher. Andere nutzen überschüssigen Strom, um damit Wassermoleküle zu spalten und so Wasserstoff zu gewinnen. In einem Pilotprojekt, an dem auch das Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik beteiligt ist, wird dieser sogar noch mit Kohlendioxid zu Methan umgewandelt, das als synthetisches Erdgas vorhandene Erdgasspeicher nutzen kann.
Aber alle diese Ansätze kommen um zwei Probleme nicht herum. Vor allem geht immer Energie verloren: In Extremfällen liegt der Wirkungsgrad sogar bei unter 50 Prozent. Außerdem stoßen die meisten Speicherkonzepte sehr schnell an die Grenzen des Vertretbaren. Um eine viertägige Windflaute auszugleichen, müsste man den Bodensee auf das Niveau der Zugspitze pumpen, hat Roland Hamelmann von der Fachhochschule Lübeck errechnet.
E-Mobile als smarte Energiespeicher
Dabei haben Forscher schon länger eine weitere, ganz konkrete Form intelligent gesteuerter, dezentraler und bisher nicht genutzter Energiespeicher als Puffer für das schwankende Energieangebot im Auge: die Pkw-Flotte. Genauer: den immer weiter steigenden Anteil an Elektro-autos.
1996 erkannte Willett Kempton von der University of Delaware in Robinson Hall, dass Autos die allermeiste Zeit nicht verwendet werden (in den USA: etwa 95 Prozent des Tages) und selbst zur Stoßzeit nur ein Bruchteil von ihnen auf den Straßen unterwegs ist (USA: knapp über 10 Prozent). Mit Zahlen von 2004 errechnete Kempton, dass die amerikanischen Pkws und kleinen Lkws zusammen etwa die 20-fache Leistungskapazität aller amerikanischen Kraftwerke zusammen aufbringen.
Bei einer zunehmenden Anzahl an Elektrofahrzeugen, die – wenn sie gerade nicht unterwegs sind – an das Stromnetz angeschlossen werden könnten, ließen sich also eines Tages bisher unerreichbar scheinende Mengen Energie "zwischenlagern" und bei Bedarf abrufen (die nötige Infrastruktur vorausgesetzt). Die Besitzer könnten festlegen, welchen Ladestand die Batterie nicht unterschreiten darf und dass beispielsweise am nächsten Morgen um 7 Uhr die nächste Fahrt von 35 Kilometer Länge zum Arbeitsplatz ansteht. Die überschüssige Batteriekapazität würde dann je nach Netzauslastung genutzt, um bei Überproduktion Energie aufzunehmen oder bei Lastspitzen Strom abzugeben.
Steuerung der Nachfrage
Doch solange sich die Schwankungen nicht durch Energiespeicher allein ausgleichen lassen, muss entweder ein anderer Stromerzeuger die Lücken schließen – oder die Nachfrage muss dem Angebot intelligent angepasst werden. Letzteres ist ein wichtiger Punkt im Stromnetz der Zukunft: Nutzer sollen den Strom für zeitlich flexible Aufgaben dann beziehen, wenn ein Überangebot existiert, und darauf verzichten, wenn der Strom knapp ist.
Sofort einsichtig ist das bei Großkunden: Schwimmbäder könnten das Wasser stärker als gewöhnlich aufheizen, wenn eine steife Brise die Windkrafträder wirbeln lässt, und die Beckenheizung herunterfahren, wenn sich der Wind abschwächt. Auch Kühlhallen ließen sich stärker abkühlen, um bei Bedarf eine Zeit lang auf Strom für die Kühlung zu verzichten.
Das Konzept soll aber auch für jeden Haushalt gelten: Die SmartGrid-Waschmaschine im Keller muss vielleicht nicht auf der Stelle die Wäsche waschen, sondern kann das nachts tun. Wie schon jetzt bei manchen Anbietern wäre der Anreiz der dann günstigere Strompreis, den die Waschmaschine über das Stromkabel erfährt. Als Vorbereitung müssen Eigentümer seit Anfang des Jahres bereits in allen Neubauten intelligente Stromzähler – so genannte SmartMeter – einbauen, die neben dem aktuellen Energieverbrauch auch die Nutzungszeit anzeigen. Zudem sind Stromanbieter verpflichtet, ab 2011 Tarife anbieten, bei denen der Preis mit Tageszeit und Netzauslastung schwankt.
Unterstützung durch virtuelle Kraftwerke
Und noch einmal zurück zum Ausgleich der Schwankungen durch andere Stromerzeuger: In einem zweiten Schritt sollen die Nutzer selbst zu Energieproduzenten werden. Das bietet zum einen potenziell einen direkten ökologischen Nutzen: Solange der Nutzer primär seinen eigenen Strombedarf deckt, minimieren sich die Energieverluste, die bei Stromübertragung über lange Distanzen unvermeidbar sind. Außerdem lässt sich die Wärme, die bei der Umwandlung von Energie in elektrischen Strom anfällt, direkt für die hauseigene Heizung und Warmwasserversorgung nutzen. Zum anderen könnten viele Kleinst-Energieproduzenten zu einem "virtuellen Kraftwerk" gekoppelt werden, das bei Bedarf hochgefahren wird, um Engpässe in der Stromversorgung auszugleichen. So könnten die bisherigen Kraftwerke zur Grundlasterzeugung ergänzt werden.
Um dieses Konzept zu testen, installieren der Autobauer Volkswagen und der Ökostromanbieter Lichtblick zurzeit insgesamt 100 000 kleine Blockheizkraftwerke bei Nutzern zu Hause. Solche Miniblockheizkraftwerke, die nicht mehr Platz als eine normale Heizungsanlage benötigen, können bei Bedarf in Minutenschnelle hochfahren, um Energie ins allgemeine Stromnetz zu speisen, und würden damit – rein rechnerisch – ein bis zwei Atomkraftwerke ersetzen. Für den Eigentümer klingelt dann die Kasse.
Das Konzept hat aber noch Schwächen. Abgesehen davon, dass die "Zuhause-Kraftwerke" zurzeit noch mit Erdgas, also fossiler Energie befeuert werden (künftig soll Gas aus Biomasse zum Einsatz kommen), erzeugen sie neben 20nbsp;Kilowatt elektrischer Leistung etwa 34 Kilowatt Wärmeleistung. Das liegt deutlich über dem, was ein normaler Haushalt, selbst im Winter, an Heizenergie benötigt.
Die Bundesregierung zieht mit
"Virtuelle Kraftwerke" stehen jedenfalls auch im Zentrum der Bemühungen von "eTelligence" (Cuxhaven) und dem "RegenerativKraftwerk Harz", zwei Projekten im Rahmen des "E-Energy"-Förderprogramms des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.
Mit einem Budget von 140 Millionen Euro treibt hier die Bundesregierung in verschiedenen Teilen des Landes gemeinsam mit Partnern aus der Wirtschaft vier Jahre lang Projekte im Bereich zukunftsweisender Energietechnologie voran. Schwerpunkte liegen beispielsweise in der Steuerung der Energieabnahme durch die Verbraucher ("Smart Watts“, Raum Aachen), in der Verknüpfung dezentral vernetzter Energiesysteme zu einem regelrechten Energiemarktplatz ("E-DeMa", Rhein-Ruhr), in der Minimierung von Emissionen ("MeRegio", Karlsruhe/Stuttgart) oder in der effizienten Nutzung dezentraler Energiespeicher ("Modellstadt Mannheim").
Markt der Zukunft
Aber das schlaue Stromnetz ist nicht nur Zukunftsmusik – und längst haben die Riesen der IT-Industrie erkannt, dass sich hier ein spannendes und Gewinn versprechendes neues Betätigungsfeld bietet. So rangeln sie um die besten Startplätze in das Dienstleistungs-Eldorado des neuen Strommarkts. Google etwa bietet in Zusammenarbeit mit ausgewählten nordamerikanischen Stromanbietern mit dem Onlineservice "PowerMeter" die Möglichkeit, mehr über den eigenen Stromverbrauch zu erfahren, Stromfresser zu identifizieren und regulierend einzugreifen – sofern das Haus über ein SmartMeter verfügt, das Google auslesen darf.
Microsoft kontert mit "Hohm", einem Dienst, der aus Nutzerangaben mit Hilfe von Quervergleichen mit anderen Nutzern Vorschläge zum Stromsparen generiert. Auch Microsoft arbeitet daran, über die Zusammenarbeit mit den Stromanbietern den tatsächlich gemessenen Stromverbrauch in die Hohm-Analysen einzubeziehen.
IT-Riesen wie Cisco drücken SmartGrid-Hardware für die Netz-Infrastruktur in den Markt. "Bislang sind die Netze dumm. Das bedeutet: Die Netzbetreiber wissen meist nicht, wo wie viel Energie verbraucht oder eingespeist wird. Entsprechend ineffizient ist die Regulierung der Netze", so Rolf Adam, Leiter der europäischen SmartGrid-Geschäftsentwicklung bei Cisco.
Wenn es gelingt, das Stromnetz durch IP-basierte Kommunikation immer mehr zu einem Informationsnetz zu machen, entsteht ein Geschäftsfeld mit dem Potenzial, in wenigen Jahren zu einem der größten internationalen Märkte zu werden: Siemens hat angekündigt, von 2010 bis 2014 etwa 6 Milliarden Euro in intelligente Stromnetze pumpen zu wollen. Und die Internationale Energieagentur IEA rechnet bis 2030 weltweit mit jährlichen Investitionen von mehreren hundert Milliarden Dollar im Energiesektor. Bereits letztes Jahr stellte US-Präsident Barack Obama 3,4 Milliarden Dollar aus seinem Konjunkturpaket für 100 Projekte im Bereich der SmartGrid-Technologien zur Verfügung.
Etliches am Konzept der SmartGrids ist noch gewöhnungsbedürftig: Will ich Google wirklich meinen Stromverbrauch verraten? Anderes wird von manchen ein Umdenken erfordern – wie nächtlich aktive Waschmaschinen. Und vieles liegt noch in weiter Ferne: Wird ein Elektroauto überhaupt meinen Bedürfnissen gerecht? Aber klar ist: Auch wenn bis 2030 nicht – wie auf dem Parteitag der Grünen jüngst gefordert – zu 100 Prozent Ökostrom in Deutschlands Stromnetz fließt, so wird sich doch in unserer Stromversorgung vieles ändern.
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