Verhaltensforschung: Intelligenztest für Rabenvögel
Bei den hoch sozialen Nacktschnabelhähern legt eine genaue Hackordnung fest, ob sich ein Individuum seinem Gegenüber dominant oder demütig verhält. Diese Rabenvögel wissen sogar, wie sie einem unbekannten Artgenossen begegnen – dank ihrer scharfen Beobachtungs- und Kombinationsgabe.
Es klingt wie eine kniffelige Denksportaufgabe: "Anja ist klüger als Michael. Felix ist schlauer als Anja. Wer – so lautet die Preisfrage – ist dümmer, Michael oder Felix?" Was zunächst verwirrend und kompliziert erscheinen mag, entpuppt sich bei logischer Überlegung als kinderleichte Knobelei. Denn das Wissen über Objektpaare, die durch Beziehungen wie "klüger, größer oder stärker" miteinander verknüpft sind, erlaubt Rückschlüsse auf neue Paare (in diesem Fall Michael und Felix) – ein Prozess, der als transitive Inferenz bezeichnet wird. Selbst Affen, Ratten und einige Vögel vermögen derartige Rätselfragen im Labor zu knacken. Aber warum hat sich diese Fähigkeit herauskristallisiert?
Möglicherweise ist sie in sozialen Gruppen vorteilhaft. So ließen sich Kämpfe beim Aufeinandertreffen von zwei Unbekannten von vornherein vermeiden, wenn eines der Individuen den Fremden zuvor mit einem vertrauten Artgenossen interagieren sah und seinen eigenen Status dazu in Beziehung setzt. Doch wenden Tiere transitive Inferenz tatsächlich in sozialen Situationen an? Um dieser Frage nachzugehen, wählten Guillermo Paz-y-Miño von der Universität Nebraska in Lincoln und seine Kollegen Nacktschnabelhäher (Gymnorhinus cyanocephalus) als Versuchstiere. Diese hoch sozialen Rabenvögel Nordamerikas leben in großen dauerhaften Scharen von bis zu 500 Individuen – mit einer klar definierten "Rangliste".
Für ihre Experimente teilten die Wissenschaftler 16 männliche, stets leicht hungrig gehaltene Vögel in drei Gruppen ein, wobei die Individuen aus fremden Gruppen mindestens während der letzten fünf Jahre keinen direkten Kontakt zueinander hatten. Innerhalb der Gruppen bildete sich in einer Reihe von inszenierten Begegnungen zwischen den einzelnen Angehörigen eine Hierarchie heraus: Dazu setzten die Forscher an die Enden einer transparenten Plastikkammer zwei Tiere, die sich über den Zugang zu einer in der Mitte platzierten Futterbox mit einer lockenden Erdnuss einigen mussten. Mithilfe von Videoaufnahmen dieser Auseinandersetzungen bewerteten sie dann, wie häufig die einzelnen Häher überlegene beziehungsweise unterwürfige Verhaltensweisen gezeigt hatten.
In den folgenden Versuchen erlaubten die Wissenschaftler jeweils einem Vogel, einen ranghöheren Artgenossen aus seiner eigenen Gruppe dabei zu beobachten, wie dieser die Erdnuss einem Fremden aus einer anderen Gruppe überlassen musste. Doch das unbeteiligte Tier erlebte jenen Fremden nicht nur als "Siegertypen", vielmehr sah es ihn auch gegen einen weiteren Unbekannten verlieren. Die Kontrollexperimente verliefen nach demselben Schema, allerdings verfolgten die Nacktschnabelhäher auf Beobachtungsposten hier einen Fremden erfolgreich respektive –los mit Angehörigen seiner eigenen Gruppe um die begehrte Nahrung ringen – eine Erfahrung, die dem jeweiligen Zuschauer keinerlei Information liefern konnte, ob der Fremde ihm gegenüber dominant wäre.
Anschließend setzten die Wissenschaftler die beobachtenden Häher beider Versuchsanordnungen dem sowohl siegreichen als auch unterlegenen fremden Artgenossen aus. Falls die Vögel transitive Inferenz anwenden, um ihre Beziehung zu dem Unbekannten vorauszusehen, sollten sie anfangs ein unterwürfigeres Verhalten zeigen als die Kontrolltiere. Und in der Tat: Während der ersten Minute ihrer Begegnung stellten jene Häher, die ein ranghöheres Mitglied ihrer Gruppe mit dem Fremden "kämpfen" und verlieren sahen, nahezu viermal häufiger Verhaltensweisen der Unterordnung zur Schau als ihre Artgenossen, die zuvor nur unbekannte Tiere beim Futterneid betrachtet hatten.
Um derartig zu agieren, muss der unbeteiligte Rabenvogel zunächst beide Individuen identifiziert, ihre Rolle in der Auseinandersetzung beobachtet und jene Information für den späteren Gebrauch behalten haben. Nacktschnabelhäher scheinen somit ihren eigenen sozialen Status in Bezug zu unbekannten Artgenossen indirekt zu beurteilen, indem sie die Fremden in Begegnungen mit Angehörigen der eigenen Gruppe inspizieren. Dieses Verhalten der transitiven Inferenz beruht auf einer hoch entwickelten Einschätzung von sozialen Beziehungen. Zudem bedeutet es, dass die Vögel zeitraubende und potenziell gesundheitsgefährdende Auseinandersetzungen mit Individuen von unbekanntem Rang vermeiden können. Möglicherweise, so spekulieren die Forscher, sind solche kognitiven Fähigkeiten unter sozialen Arten weit verbreitet.
Möglicherweise ist sie in sozialen Gruppen vorteilhaft. So ließen sich Kämpfe beim Aufeinandertreffen von zwei Unbekannten von vornherein vermeiden, wenn eines der Individuen den Fremden zuvor mit einem vertrauten Artgenossen interagieren sah und seinen eigenen Status dazu in Beziehung setzt. Doch wenden Tiere transitive Inferenz tatsächlich in sozialen Situationen an? Um dieser Frage nachzugehen, wählten Guillermo Paz-y-Miño von der Universität Nebraska in Lincoln und seine Kollegen Nacktschnabelhäher (Gymnorhinus cyanocephalus) als Versuchstiere. Diese hoch sozialen Rabenvögel Nordamerikas leben in großen dauerhaften Scharen von bis zu 500 Individuen – mit einer klar definierten "Rangliste".
Für ihre Experimente teilten die Wissenschaftler 16 männliche, stets leicht hungrig gehaltene Vögel in drei Gruppen ein, wobei die Individuen aus fremden Gruppen mindestens während der letzten fünf Jahre keinen direkten Kontakt zueinander hatten. Innerhalb der Gruppen bildete sich in einer Reihe von inszenierten Begegnungen zwischen den einzelnen Angehörigen eine Hierarchie heraus: Dazu setzten die Forscher an die Enden einer transparenten Plastikkammer zwei Tiere, die sich über den Zugang zu einer in der Mitte platzierten Futterbox mit einer lockenden Erdnuss einigen mussten. Mithilfe von Videoaufnahmen dieser Auseinandersetzungen bewerteten sie dann, wie häufig die einzelnen Häher überlegene beziehungsweise unterwürfige Verhaltensweisen gezeigt hatten.
In den folgenden Versuchen erlaubten die Wissenschaftler jeweils einem Vogel, einen ranghöheren Artgenossen aus seiner eigenen Gruppe dabei zu beobachten, wie dieser die Erdnuss einem Fremden aus einer anderen Gruppe überlassen musste. Doch das unbeteiligte Tier erlebte jenen Fremden nicht nur als "Siegertypen", vielmehr sah es ihn auch gegen einen weiteren Unbekannten verlieren. Die Kontrollexperimente verliefen nach demselben Schema, allerdings verfolgten die Nacktschnabelhäher auf Beobachtungsposten hier einen Fremden erfolgreich respektive –los mit Angehörigen seiner eigenen Gruppe um die begehrte Nahrung ringen – eine Erfahrung, die dem jeweiligen Zuschauer keinerlei Information liefern konnte, ob der Fremde ihm gegenüber dominant wäre.
Anschließend setzten die Wissenschaftler die beobachtenden Häher beider Versuchsanordnungen dem sowohl siegreichen als auch unterlegenen fremden Artgenossen aus. Falls die Vögel transitive Inferenz anwenden, um ihre Beziehung zu dem Unbekannten vorauszusehen, sollten sie anfangs ein unterwürfigeres Verhalten zeigen als die Kontrolltiere. Und in der Tat: Während der ersten Minute ihrer Begegnung stellten jene Häher, die ein ranghöheres Mitglied ihrer Gruppe mit dem Fremden "kämpfen" und verlieren sahen, nahezu viermal häufiger Verhaltensweisen der Unterordnung zur Schau als ihre Artgenossen, die zuvor nur unbekannte Tiere beim Futterneid betrachtet hatten.
Um derartig zu agieren, muss der unbeteiligte Rabenvogel zunächst beide Individuen identifiziert, ihre Rolle in der Auseinandersetzung beobachtet und jene Information für den späteren Gebrauch behalten haben. Nacktschnabelhäher scheinen somit ihren eigenen sozialen Status in Bezug zu unbekannten Artgenossen indirekt zu beurteilen, indem sie die Fremden in Begegnungen mit Angehörigen der eigenen Gruppe inspizieren. Dieses Verhalten der transitiven Inferenz beruht auf einer hoch entwickelten Einschätzung von sozialen Beziehungen. Zudem bedeutet es, dass die Vögel zeitraubende und potenziell gesundheitsgefährdende Auseinandersetzungen mit Individuen von unbekanntem Rang vermeiden können. Möglicherweise, so spekulieren die Forscher, sind solche kognitiven Fähigkeiten unter sozialen Arten weit verbreitet.
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