Ökologie: Interessengruppenlawine
Wenn zwei sich den Ball zuwerfen, will meist bald ein neidischer Dritter mitspielen. Hat der seinen Anteil, dann kommt der Vierte und Fünfte und bildet wieder neue Koalitionen. Und so läuft das in der Natur nicht nur, wenn Pilze, Parasiten, Ameisen, Bakterien und Hefen zusammengewürfelt werden, glauben Forscher.
50 Millionen Jahre sind eine Menge Holz für den Menschen – schließlich waren vor bloßen fünf Millionen gerade erst seine ältesten, vage ähnlichen Australopithecus-Vorfahren entstanden und konnten vorerst kaum mehr als über den Boden huschen, ohne ständig auf alle Viere sinken zu müssen. Noch zehnmal weiter zurück bestand die Säugetiergruppe, die einmal Homo sapiens hervorbringen sollte, aus ein paar mageren, mausgroßen und -ähnlichen Insektenfressern. Insekten, soviel ist demnach klar, waren da jedenfalls schon seit geraumer Zeit im Angebot.
Tatsächlich feilten die umtriebigen Sechsbeiner vor 50 Millionen Jahren sogar schon längst an eleganten Finessen, die ihnen noch heute das Leben erleichtern. Einige alteingesessene Ameisen aus der Gruppe der Attini etwa starteten just um diese Zeit mit einer technologischen Agrarrevolution und ergriffen den Beruf der Pilzbauern: Sie begannen gezielt und strebsam Pilzgärten zu kultivieren, die ihrer Sippe dann als Nahrung dienten. Auch die Pilze profitieren davon, zumindest bis sie einzeln verspeist werden: Sie erhalten Schutz vor Konkurrenz und Feinden sowie Grund und Boden, auf den sie im Falle eines Falles sogar kostenlos vom Ameisenpartner transportiert werden.
Natürlich bleibt ein gutes Geschäft nie ohne Neider und Schmarotzer: Die Symbiose wurde sehr bald – auch schon etwa vor 50 Millionen Jahren, errechneten Forscher Cameron Currie von der Universität von Wisconsin in Madison – von parasitären Pilzen der Gattung Escovopsis gestört, deren Verwandtschaft sich verbreitet an den Fruchtkörpern gut genährter Pilzen delektiert.
Dringen solche Schmarotzer ungestört in den Pilzgarten ein, sorgen sie bald für dessen totale Verheerung – und also konterten die vom Ernteausfall bedrohten Ameisen ihrerseits notgedrungen mit einem bakteriellen Gegenschlag, einem eigens auf dem Ameisenkörperpanzer gehaltenen Actinomyceten der Gattung Pseudonocardia, der natürliche Fungizide gegen das Wachstum der hungrigen Pilz-Feinde von leckeren Pilze-Feldern produziert.
Wäre doch fast schon komisch, wenn die Reihe der Abhängigkeiten, Ko-Abhängigkeiten und Gegenmaßnahmen hier schon beendet wäre, meinten Currie und Co. Seitdem suchten sie auf den Insekten mit moderner Technik nach weiteren Mitspielern. Nach penibler Analyse des Panzerbewuchses von ungezählten Ameisen, die sie zwischen 2002 und 2006 in Panama, Ecuador und Peru gesammelt hatten, entlarvten sie nun einen weiteren, bislang unerkannten Teilnehmer im Insekten-Pilz-Pilz-Bakteriums-Vierecksverhältnis: eine schwarze Hefe aus der Verwandtschaft der Phialophora.
Sie fand sich auffällig in allen Pilzzüchter-Populationen; und dort zudem immer nur in jenen Ecken der Ameisenkörper, in denen sich auch die Pseudonocardia und andere übliche Bakterienuntermieter wohl fühlen. Genetische Verwandtschaftsanalysen mit verschiedenen Hefestämmen belegten darüber hinaus, dass die Insekten und ihre Schwarzhefe seit geraumer Zeit gemeinsame Wege gehen. Und nachdem schon die ursprünglichsten Vertreter pilzzüchtender Ameisen nicht nur die Antipilz-Symbionten Pseudonocardia, sondern auch die neu entdeckte Phialophora-Schwarzhefe tragen, muss die Hefe sich schon sehr früh in das wechselseitige Verhältnis eingegliedert haben. Demnach dürfte sie – für zumindest einen der anderen Beteiligten – wohl eine wichtige Rolle spielen.
Nur welche? Currie und seine Mitstreiter Ainslie Little bleiben an dieser Stelle noch etwas schmallippig – was daran liegen mag, dass sie statt einer umfassenden lieber zwei ausschnitthafte Veröffentlichungen geschrieben haben: Jene gerade auf den Markt geworfene über die Mühsal der Entdeckung und eine weitere, noch nicht erschienene, über deren Bedeutung. Eins aber deuten die Forscher schon an: Die Schwarzen Hefen verfügen über die Mittel, allen anderen Beteiligten übel zuzusetzen und damit – im Gegenzug – eben auch allen nützlich sein zu können.
Phialophora-Hefen und ihre Verwandten finden sich in der Natur im Boden, auf Pflanzen und Tieren und können selbst Menschen krank machen. In ihrer speziellen Ecke am Pilzzuchtameisen-Körper dürften sie am wahrscheinlichsten von den dort typischen Pseudonocardia-Bakterien profitieren. Wer weiß, vielleicht ertragen sie einfach die von den Bakterien abgegebenen Fungizide besser als Andere und finden so eine konkurrenzbefreite Nische?
Currie und Little deuten vorläufig nur an, dass die Schwarze Hefe wohl dem Effekt der Anti-Schmarotzerpilz-Fungizide entgegenwirkt und somit letztlich dem pilzfressenden Parasiten mehr hilft als ihrem sechsbeinigen Wirt. Den Ameisen dürfte das nicht unbedingt gefallen – aber wahrscheinlich arbeiten sie schon lange daran, auch dagegen einen Verbündeten zu rekrutieren.
Vielleicht, so spekulieren die Forscher, haben die Ameisen sogar schon einen gefunden, den bislang aber noch jeder forschende Homo sapiens im unübersichtlichen Gewimmel von Symbiose und Gegensymbiose übersehen hat. Denn die eigentliche Botschaft ist für Little und Currie, dass das komplexe Geflecht von Leben und Lebensformen allzu leicht allzu simpel dargestellt werden kann. Schließlich seien zuletzt mehr und mehr Paradebeispiele von Symbiosen zweier Arten als viel komplizierteres ökologisches Spiel mehrerer Kräfte entlarvt worden. Als Beispiel dienen den Wissenschaftlern die berühmte Beziehung zwischen dem Bakterium Wolbachia und seinem Wirts-Insekt sowie die weniger bekannte zwischen Pflanzen und ihnen Hitzeschutz gewährenden Symbionten: Beide Symbiosen werden massiv auch durch sehr lange übersehene Viren beeinflusst. Wo die Natur seit Millionen Jahren bastelt kann ein forschender Blick also offensichtlich nie zu genau sein.
Tatsächlich feilten die umtriebigen Sechsbeiner vor 50 Millionen Jahren sogar schon längst an eleganten Finessen, die ihnen noch heute das Leben erleichtern. Einige alteingesessene Ameisen aus der Gruppe der Attini etwa starteten just um diese Zeit mit einer technologischen Agrarrevolution und ergriffen den Beruf der Pilzbauern: Sie begannen gezielt und strebsam Pilzgärten zu kultivieren, die ihrer Sippe dann als Nahrung dienten. Auch die Pilze profitieren davon, zumindest bis sie einzeln verspeist werden: Sie erhalten Schutz vor Konkurrenz und Feinden sowie Grund und Boden, auf den sie im Falle eines Falles sogar kostenlos vom Ameisenpartner transportiert werden.
Natürlich bleibt ein gutes Geschäft nie ohne Neider und Schmarotzer: Die Symbiose wurde sehr bald – auch schon etwa vor 50 Millionen Jahren, errechneten Forscher Cameron Currie von der Universität von Wisconsin in Madison – von parasitären Pilzen der Gattung Escovopsis gestört, deren Verwandtschaft sich verbreitet an den Fruchtkörpern gut genährter Pilzen delektiert.
Dringen solche Schmarotzer ungestört in den Pilzgarten ein, sorgen sie bald für dessen totale Verheerung – und also konterten die vom Ernteausfall bedrohten Ameisen ihrerseits notgedrungen mit einem bakteriellen Gegenschlag, einem eigens auf dem Ameisenkörperpanzer gehaltenen Actinomyceten der Gattung Pseudonocardia, der natürliche Fungizide gegen das Wachstum der hungrigen Pilz-Feinde von leckeren Pilze-Feldern produziert.
Wäre doch fast schon komisch, wenn die Reihe der Abhängigkeiten, Ko-Abhängigkeiten und Gegenmaßnahmen hier schon beendet wäre, meinten Currie und Co. Seitdem suchten sie auf den Insekten mit moderner Technik nach weiteren Mitspielern. Nach penibler Analyse des Panzerbewuchses von ungezählten Ameisen, die sie zwischen 2002 und 2006 in Panama, Ecuador und Peru gesammelt hatten, entlarvten sie nun einen weiteren, bislang unerkannten Teilnehmer im Insekten-Pilz-Pilz-Bakteriums-Vierecksverhältnis: eine schwarze Hefe aus der Verwandtschaft der Phialophora.
Sie fand sich auffällig in allen Pilzzüchter-Populationen; und dort zudem immer nur in jenen Ecken der Ameisenkörper, in denen sich auch die Pseudonocardia und andere übliche Bakterienuntermieter wohl fühlen. Genetische Verwandtschaftsanalysen mit verschiedenen Hefestämmen belegten darüber hinaus, dass die Insekten und ihre Schwarzhefe seit geraumer Zeit gemeinsame Wege gehen. Und nachdem schon die ursprünglichsten Vertreter pilzzüchtender Ameisen nicht nur die Antipilz-Symbionten Pseudonocardia, sondern auch die neu entdeckte Phialophora-Schwarzhefe tragen, muss die Hefe sich schon sehr früh in das wechselseitige Verhältnis eingegliedert haben. Demnach dürfte sie – für zumindest einen der anderen Beteiligten – wohl eine wichtige Rolle spielen.
Nur welche? Currie und seine Mitstreiter Ainslie Little bleiben an dieser Stelle noch etwas schmallippig – was daran liegen mag, dass sie statt einer umfassenden lieber zwei ausschnitthafte Veröffentlichungen geschrieben haben: Jene gerade auf den Markt geworfene über die Mühsal der Entdeckung und eine weitere, noch nicht erschienene, über deren Bedeutung. Eins aber deuten die Forscher schon an: Die Schwarzen Hefen verfügen über die Mittel, allen anderen Beteiligten übel zuzusetzen und damit – im Gegenzug – eben auch allen nützlich sein zu können.
Phialophora-Hefen und ihre Verwandten finden sich in der Natur im Boden, auf Pflanzen und Tieren und können selbst Menschen krank machen. In ihrer speziellen Ecke am Pilzzuchtameisen-Körper dürften sie am wahrscheinlichsten von den dort typischen Pseudonocardia-Bakterien profitieren. Wer weiß, vielleicht ertragen sie einfach die von den Bakterien abgegebenen Fungizide besser als Andere und finden so eine konkurrenzbefreite Nische?
Currie und Little deuten vorläufig nur an, dass die Schwarze Hefe wohl dem Effekt der Anti-Schmarotzerpilz-Fungizide entgegenwirkt und somit letztlich dem pilzfressenden Parasiten mehr hilft als ihrem sechsbeinigen Wirt. Den Ameisen dürfte das nicht unbedingt gefallen – aber wahrscheinlich arbeiten sie schon lange daran, auch dagegen einen Verbündeten zu rekrutieren.
Vielleicht, so spekulieren die Forscher, haben die Ameisen sogar schon einen gefunden, den bislang aber noch jeder forschende Homo sapiens im unübersichtlichen Gewimmel von Symbiose und Gegensymbiose übersehen hat. Denn die eigentliche Botschaft ist für Little und Currie, dass das komplexe Geflecht von Leben und Lebensformen allzu leicht allzu simpel dargestellt werden kann. Schließlich seien zuletzt mehr und mehr Paradebeispiele von Symbiosen zweier Arten als viel komplizierteres ökologisches Spiel mehrerer Kräfte entlarvt worden. Als Beispiel dienen den Wissenschaftlern die berühmte Beziehung zwischen dem Bakterium Wolbachia und seinem Wirts-Insekt sowie die weniger bekannte zwischen Pflanzen und ihnen Hitzeschutz gewährenden Symbionten: Beide Symbiosen werden massiv auch durch sehr lange übersehene Viren beeinflusst. Wo die Natur seit Millionen Jahren bastelt kann ein forschender Blick also offensichtlich nie zu genau sein.
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