Ameisen: Invasion im Paradies
Sie ist klein - und hat doch eine katastrophale Wirkung: Die Gelbe Spinnerameise erobert die Weihnachtsinsel und hinterlässt eine Schneise der Verwüstung.
Alles begann vielleicht mit einer Bananenkiste, die irgendwann zwischen 1915 und 1934 auf Christmas Island im Indischen Ozean entladen wurde. Darin versteckt als blinder Passagier: Anoplolepis gracilipes – besser bekannt als Gelbe Spinnerameise, die ihren wenig rühmlichen Namen wegen ihrer auffällig konfusen Bewegungsweise bekommen hat. Bis 1989 sorgte das Insekt kaum für Aufsehen auf der zu Australien gehörenden Insel, die nur wenige hundert Kilometer westlich von Java im Meer liegt.
Ökologische Kernschmelze
Ein derartiger Aderlass bei einer so zahlreich vorhandenen Art, die im Ökosystem eine Schlüsselrolle spielt, hinterlässt weit reichende Spuren, wie O'Dowd nun wieder mit seinen Kollegen beobachtet hat [1]: Er bezeichnet den Einfluss der Ameisen als "ökologische Kernschmelze". So fressen die Krabben einen Großteil der Blätter, Früchte und Samen, die aus den Regenwaldbäumen auf den Boden herabregnen, und sorgen so dafür, dass der Unterwuchs relativ lückig bleibt. In krabbenbefreiten Zonen hingegen wuchert der Boden rasch zu und verändert die Lebensbedingungen für verschiedene Vogelarten [2]. Die Ameisen beschränken zudem ihr Tun nicht nur auf den Boden, sondern fördern in den Wipfeln Blattsäfte saugende Schildläuse, die sich protegiert von den Spinnerameisen ebenfalls massenhaft vermehren können. Sie produzieren enorme Mengen zuckriger Ausscheidungen, welche die Blätter überziehen und den Befall mit Schimmelpilzen fördern. Kombiniert sorgen Schadinsekten und Pilze dafür, dass viele Bäume erkranken und absterben.
Heftige Gegenwehr
Schließlich erleichtern die Ameisen anderen eingeschleppten Arten nun ebenfalls in den Regenwald vorzudringen, wo sie bislang nicht Fuß fassen konnten. Jahrzehntelang machte beispielsweise die ostafrikanische Große Achatschnecke keine Probleme, weil sie von den Krabben in Schach gehalten wurde. Sobald sie sich auf das Territorium der Krustentiere vorwagte, wurde sie rasch angegriffen und gefressen, weshalb sie keinen Schaden an der Vegetation anrichten konnte. Auch die Ameisen verschmähen die Schnecken nicht, doch dauert es meist länger, bis sie diese entdecken. In der Zwischenzeit können die großen Mollusken nicht nur selbst Schaden anrichten, sondern häufig auch noch ihre Eierpakete ablegen und so für zahlreichen Nachwuchs sorgen.
In jenem Jahr meldeten Forscher erste Superkolonien der Ameise: riesige Bauten mit mehreren Königinnen und Millionen Arbeitern, die sich untereinander vertrugen und keine Konkurrenzkämpfe ausfochten, wie es sonst zwischen einzelnen Völkern einer Art durchaus der Fall ist. Anschließend ging es Schlag auf Schlag weiter, immer neue Megareiche entstanden, und bis 2002 bedeckten sie ein Drittel der verbliebenen Regenwaldfläche des Eilandes – mehrere tausend Hektar in einem der weltweit am besten erhaltenen Inselökosysteme.
Und die Ameisen hatten Appetit, mussten Wissenschaftler wie Dennis O'Dowd von der australischen Monash University erschreckt feststellen – gewaltigen Appetit. Eines ihrer Hauptopfer waren die berühmten roten Weihnachtsinselkrabben: Jedes Jahr ab November, wenn der Monsun einsetzt, verlassen die Krustentiere ihre geschützten Höhlen im Regenwald und strömen millionenfach dem Meer zu, wo sie ablaichen wollen. Dabei überqueren sie Straßen, überwinden Klippen und lassen sich auch von Häusern nicht aufhalten. Die Menschen öffnen ihnen sogar die Türen, damit sie ungestört ihren Weg fortsetzen können. Aus aller Welt reisen dann Naturliebhaber an, um das Spektakel zu beobachten.
Ökologische Kernschmelze
Auf ihrem Weg durchqueren sie aber auch die Territorien der Ameisen, die auf die Störung und willkommene Beute mit Attacke reagieren und die Krabben mit Ameisensäure besprühen, bis diese sterben. Im Umfeld von Superkolonien leben heute keine Krabben mehr, dafür haben die Spinnerameisen die Bauten ihres unfreiwilligen Proteinlieferanten besetzt und expandieren gestärkt durch die Zusatznahrung weiter. Insgesamt 20 Millionen Krabben – ein Drittel des ursprünglichen Bestandes – wurden mittlerweile schon aufgefressen.
Ein derartiger Aderlass bei einer so zahlreich vorhandenen Art, die im Ökosystem eine Schlüsselrolle spielt, hinterlässt weit reichende Spuren, wie O'Dowd nun wieder mit seinen Kollegen beobachtet hat [1]: Er bezeichnet den Einfluss der Ameisen als "ökologische Kernschmelze". So fressen die Krabben einen Großteil der Blätter, Früchte und Samen, die aus den Regenwaldbäumen auf den Boden herabregnen, und sorgen so dafür, dass der Unterwuchs relativ lückig bleibt. In krabbenbefreiten Zonen hingegen wuchert der Boden rasch zu und verändert die Lebensbedingungen für verschiedene Vogelarten [2]. Die Ameisen beschränken zudem ihr Tun nicht nur auf den Boden, sondern fördern in den Wipfeln Blattsäfte saugende Schildläuse, die sich protegiert von den Spinnerameisen ebenfalls massenhaft vermehren können. Sie produzieren enorme Mengen zuckriger Ausscheidungen, welche die Blätter überziehen und den Befall mit Schimmelpilzen fördern. Kombiniert sorgen Schadinsekten und Pilze dafür, dass viele Bäume erkranken und absterben.
Und die Ameisen haben auch noch einen Appetit auf andere Tierarten entwickelt, die nur auf der Weihnachtsinsel vorkommen: Sie fressen die Küken von Graufußtölpeln, Weißbauchfregattvögeln, des Weihnachtsinselbuschkauzes, der Weihnachtsinseldrossel oder Exemplare des Listergeckos, des Palmendiebs – die größte Landkrabbenart überhaupt –, der Weihnachtsinselzwergfledermaus oder der Weihnachtsinselspitzmaus. Letztere wurde möglicherweise sogar von der Ameise ausgerottet: 1985 fand man die beiden letzten bekannten Exemplare – seitdem gilt die Art als verschollen, denn eine Expedition im Jahr 2000 konnte keine Tiere mehr auffinden. Und von der Fledermaus überlebten nur noch wenige Dutzend. Die betroffenen Vögel werden zudem nicht nur direkt angegriffen, sondern auch indirekt beeinflusst, wie O'Dowds neue Studie zeigt: Ihnen fehlt die Nahrung, weil die Insekten die Vegetation verändern und sich dadurch die Zahl der Früchte reduziert.
Heftige Gegenwehr
Schließlich erleichtern die Ameisen anderen eingeschleppten Arten nun ebenfalls in den Regenwald vorzudringen, wo sie bislang nicht Fuß fassen konnten. Jahrzehntelang machte beispielsweise die ostafrikanische Große Achatschnecke keine Probleme, weil sie von den Krabben in Schach gehalten wurde. Sobald sie sich auf das Territorium der Krustentiere vorwagte, wurde sie rasch angegriffen und gefressen, weshalb sie keinen Schaden an der Vegetation anrichten konnte. Auch die Ameisen verschmähen die Schnecken nicht, doch dauert es meist länger, bis sie diese entdecken. In der Zwischenzeit können die großen Mollusken nicht nur selbst Schaden anrichten, sondern häufig auch noch ihre Eierpakete ablegen und so für zahlreichen Nachwuchs sorgen.
Die Folgen für die Umwelt waren so drastisch, dass sich die Ökologen gezwungen sahen, ebenso heftig zurückzuschlagen. Mit Hubschraubern brachten sie 2002 ein starkes Insektengift aus, das die Tiere in ihre Bauten tragen sollten, um die Superkolonien zu zerstören. Tatsächlich gelang es den Forschern mit Hilfe des Insektizids, einen großen Teil der Ameisenstaaten zu vernichten und die Population auf ein Prozent ihrer ursprünglichen Dimension zu verringern. Doch trotz anschließender Nachkontrollen und Gifteinsätze erholten sich die Spinnerameisen seitdem teilweise wieder und bildeten einzelne neue Superkolonien aus. Die australische Nationalparkverwaltung hat deshalb dieses Jahr erneut mit der Bekämpfung aus der Luft begonnen.
Wie dieses Gefecht letztlich ausgeht, kann erst in einigen Monaten beurteilt werden. In der Zwischenzeit droht dem roten Heer der Weihnachtsinselkrabben eine neue Gefahr, warnt Dennis O'Dowd: "Nach 20 Jahren Pause möchte die australische Regierung den Phosphatabbau auf der Insel wieder aufnehmen. 250 Hektar Regenwald und eine Million Krabben sollen dafür geopfert werden – nach all dem Geld und den Anstrengungen, die vorher unternommen worden waren, um sie vor den Ameisen zu retten." Es scheint, als würde den Krustentieren bald ein noch viel größerer Gegner drohen.
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