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News: Irakkrieg: Archäologe warnt vor Verlust kulturellen Erbes

Seit dem zweiten Golfkrieg zu Beginn der neunziger Jahre ist das umfangreiche Kulturerbe des Iraks höchst gefährdet. Ein neuer Krieg im Irak und seine Folgen könnten die Situation nun weiter verschlechtern, warnt der Archäologe McGuire Gibson in der neuesten Ausgabe von Science. "Angesichts des menschlichen Leids scheinen materielle Belange zwar wenig bedeutsam, aber hier ist ein wichtiger Teil des Weltkulturerbes bedroht", schreibt Gibson.

Denn der heutige Irak, das einstige Mesopotamien, gilt als Wiege vieler herausragender Kulturen. Hunderttausende archäologische Stätten befinden sich vermutlich im Irak – der weitaus größte Teil davon ist noch gar nicht erfasst. Zwar seien durch den Golfkrieg von 1991 offenbar keine allzugroßen Schäden an archäologischen Stätten entstanden, allerdings lagen die Kriegsschauplätze damals auch weit genug von bedeutendem historischen Gelände entfernt.

Viel schlimmer als der Krieg sei das 13 Jahre währende wirtschaftliche Embargo gewesen. Verfügte das irakische Department of Antiquities vor den neunziger Jahren noch über gut geschultes Personal sowohl in den Museen wie auch bei Ausgrabungen und zur Bewachung von Anlagen, so wurde die Belegschaft in den Folgejahren drastisch reduziert. Viele Wissenschaftler verließen das Land, und auf Wachpersonal verzichtete man zum Teil ganz. In der Folge waren viele historische Stätten massiven Plünderungen ausgesetzt, nur wenige Orte ließen sich wirkungsvoll schützen.

Archäologen befürchten nun, dass der neue Krieg auch das Iraq National Museum in Bagdad und das Museum in Mosul gefährdet. Beide Museen stehen in der Nähe von Regierungsgebäuden, die bereits im zweiten Golfkrieg Ziel so genannter smart bombs waren. Selbst wenn die Gebäude das zu erwartende Bombardement überstehen, sind sie in den chaotischen Zeiten während und nach dem Krieg vermutlich Plünderungen ausgesetzt. Im letzten Golfkrieg wurden neun von 13 Museen geplündert. Dabei gingen mehr als 3000 Objekte verloren, so gut wie keines ist später wieder aufgetaucht.

Deshalb sei es wichtig, dass so schnell wie möglich neues Wachpersonal eingesetzt wird. Nach dem Krieg müsse man bei dem zu erwartenden Interesse an dem irakischen Öl auch archäologische und ökologische Expertisen berücksichtigen. "Der archäologische Reichtum des Iraks ist enorm. Es wäre eine Tragödie für die ganze Welt, wenn tausende von Stätten in der Folge eines politischen Umsturzes oder aufgrund von Entscheidungen verloren gingen, die auf kurzfristige wirtschaftliche Gewinne abzielen", schließt Gibson.

McGuire Gibson ist Professor für mesopotamische Archäologie an der University of Chicago, leitet seit 1964 archäologische Ausgrabungen im Irak und ist Präsident der American Association for Research in Baghdad.
  • Quellen
Science 299: 1848–1849 (2003)

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