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News: Irregeleitete Killerzellen

Trotz eines wehrhaften Immunsystems mit hoher Anzahl so genannter Killerzellen können manche HIV-Infizierte den Virenangriff bereits in seinen Anfängen nur schlecht niederkämpfen. Diese mysteriöse Beobachtung stellte die Fachwelt vor ein Rätsel. Nun scheint die Frage gelöst zu sein: Statt antivirale Moleküle zu produzieren, scheiden die verantwortlichen Immunzellen einen immununterdrückenden Wirkstoff aus und legen sich somit selbst lahm.
Killerzellen – normalerweise machen die dahinter steckenden Immunzellen ihrem Namen alle Ehre und vernichten infizierte Körperzellen, indem sie deren Membran durch spezifische Enzyme andauen. Durch die dabei entstehenden kleinen Löcher strömt das Zellplasma aus, die Zelle zerfließt und stirbt. Welche Zellen zu beseitigen sind, signalisieren die Zellen selbst. Hat sich ein Eindringling Zugang verschafft, stecken die befallenen Zellen Bruchstücke des fremden Organismus auf ihre Zelloberfläche und markieren sich so für patrouillierende Killerzellen.

In seltenen Fällen reagieren die verschlingenden Immunzellen aber nicht so wie sie sollen, sondern stehen dem Virenangriff machtlos gegenüber – selbst wenn sie in großer Anzahl anwesend sind. "Es ist so, als ob man viele Soldaten hätte, die bereit sind, für einen zu kämpfen, aber die Soldaten sind einfach zu schwach," erklärt Mohammed Garba von der University of North Carolina. "Sie tun ihre Arbeit nicht, weil irgendetwas sie daran hindert." Einen flüchtigen Blick auf dieses Etwas konnte Garba, der im Labor des Immunologen und Mikrobiologen Jeffrey Frelinger arbeitet, zum ersten Mal erhaschen, als er eine humane Blutprobe untersuchte.

Hierbei bemerkte er, dass die Killerzellen mancher HIV-Infizierter auf einen Pockenimpfstoff mit einer beachtlichen Immunantwort reagierten. Führte er jedoch in dieselben Proben Proteinmoleküle des HI-Virus ein, dann blieb die Antwort aus. Schuld daran war eine falsche Regieanweisung: Statt sich mit antiviralen Molekülen – wie etwa Interferon-gamma – zu schützen, produzierten die Killerzellen mit TGF-beta (tumor growth factor) ein immununterdrückendes Molekül.

Damit nicht genug. Die von TGF-beta ausgehende Unterdrückung der Immunantwort ist weit gestreut und beschränkt sich nicht nur auf HIV-spezifische Immunantworten. Auch Grippe und andere "opportunistische" Krankheiten, die Patienten mit HIV bedrohen, sind betroffen. Diesen Effekt konnte das Forscherteam an 25 Prozent der von ihnen untersuchten Blutproben nachweisen. Allerdings lässt sich der beobachtete Ausstoß von TGF-beta durch spezifische Antikörper zurückdrängen. Möglicherweise eröffnet sich hier ein therapeutischer Ansatz für diejenigen, die bisher nur wenig eigene Mittel aufbieten konnten, um die HIV-Infektion wenigstens am Anfang in ihre Grenzen zu verweisen.

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