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Sonnensystem: ISON – der nächste große Komet?

Ende November 2013 wird der Komet C/2012 S1, genannt ISON der Sonne extrem nahe kommen. Dabei könnte er sogar am Taghimmel sichtbar werden. Vor und nach diesem Datum zeigt sich ISON am Morgen- beziehungsweise Abendhimmel. Wie und wann kann man das Spektakel am besten beobachten?
ISON - der nächste Komet?

Am 21. September 2012 entdeckte der weißrussische Beobachter Witali Newski gemeinsam mit dem russischen Beobachter Artjom Nowitschonok ein asteroidenähnliches Objekt im Sternbild Krebs. Ihre mit dem 40- Zentimeter-Teleskop des International Scientific Optical Network (ISON) erstellte Aufnahme zeigte einen kleinen, nur 18,5 mag hellen Lichtfleck, dessen große Bedeutung sich damals noch nicht erahnen ließ. Obwohl Newski und Nowitschonok anhand der Bewegung bereits einen Kometen vermuteten, vermerkten sie in ihrer Meldung an das Central Bureau for Astronomical Telegrams (CBAT) nichts dazu. So kam es, dass andere Beobachter als Erste die Kometennatur sicher feststellten und das CBAT den Schweifstern gemäß den internationalen Richtlinien nicht nach seinen Entdeckern benannte, sondern ihm den Namen ISON geben musste.

ISON – der nächste Komet? | Am 10. April 2013 richteten die Astronomen das Weltraumteleskop Hubble auf ISON, als der Komet noch rund vier Astronomische Einheiten von der Sonne entfernt war. Trotz dieser Distanz hatte er einen deutlichen Schweif entwickelt.
Nachforschungen zeigten den Kometen auch auf älteren Aufnahmen vom 28. Dezember 2011 und 28. Januar 2012, so dass sich bereits nach wenigen Tagen eine sehr genaue Bahn ermitteln ließ. Sie wird ISON am 28. November bis auf 0,012 Astronomische Einheiten (AE) an die Sonne beziehungsweise auf nur eine Million Kilometer an die Oberfläche des Tagesgestirns heranführen – beste Voraussetzungen für eine spektakuläre Kometenerscheinung im November und Dezember!

Bislang vielversprechend

Über die aktuelle Entwicklung rund um ISON informiert sie laufend das Themenspezial Ison von Sterne & Weltraum.

Anfang April 2013 wurde die Helligkeit des Kometen auf 14,5 mag geschätzt, der Durchmesser seiner deutlich verdichteten Koma – eine Art Hülle aus leicht flüchtigen Substanzen – auf etwa 0,3 Bogenminuten. Zudem zeigte der Komet bereits einen kurzen Schweif, den sogar schon visuelle Beobachter ausmachten. Insgesamt entwickelte sich der Komet also bislang sehr stetig und mit einem durchschnittlichen Aktivitätsfaktor. Sollte er diese Aktivität bis zum Perihel aufrechterhalten können, so wäre eine Maximalhelligkeit um minus 10 mag möglich. Doch gibt es derzeit noch viele Unwägbarkeiten, denn ISON dürfte die Sonne zum ersten Mal passieren. Die Kometenspezies, der ISON angehört, ist bereits in großer Sonnendistanz sehr aktiv, da sie noch reich an leichtflüchtigen Gasen ist. Sobald dann aber der oberflächennahe Vorrat erschöpft ist, geht die Aktivität deutlich zurück – mit entsprechend geringerer Maximalhelligkeit.

Komet ISON am 12. August 2013 | Als schwaches längliches Fleckchen erschien Komet ISON am 12. August 2013 um 11:40 Uhr UT. Das Bild ist auf den Kometen zentriert, somit erscheinen die Sterne länglich. Es lässt sich eine Andeutung eines Schweifs erkennen. Die Aufnahme entstand mit einem Amateurteleskop vom Typ Celestron-11.

Dieser Bruch in der Helligkeitsentwicklung kann jederzeit erfolgen. Im Extremfall könnte der Komet noch nicht einmal eine Helligkeit von 0 mag erreichen. Er wäre dann am Tageshimmel unbeobachtbar und zu den Zeiten, in denen er sich vor einem dunklen Himmel aufhält, ziemlich unspektakulär. Immerhin scheint es gemäß neuesten Untersuchungen mit dem Weltraumteleskop Hubble recht unwahrscheinlich zu sein, dass sich der Kometenkern auflöst. Die Beobachtungen ergaben einen Kerndurchmesser von rund vier Kilometern.

Damit übertrifft ISON merklich den Kern des Kometen C/2011 W3 (Lovejoy), der die Sonne im Dezember 2011 in nur halb so großem Abstand passierte und sich zu einem spektakulären Schweifstern am Südhimmel entwickelte. Sofern der Kern von ISON nicht viel lockerer aufgebaut ist als derjenige von Lovejoy, sollte er also die extreme Sonnennähe überstehen. Bislang entwickelt er sich gemäß den Vorhersagen. Und da auch die ermittelten Produktionsraten von Gas und Staub optimistisch stimmen, gehe ich in der nachfolgenden Darstellung davon aus, dass ISON die bislang gezeigte Aktivität bis zum Perihel aufrechterhalten wird.

Prognose für Koma und Schweif

Die Aussagen über den Komadurchmesser und die Schweiflänge basieren auf meinen empirischen Formeln. Sie geben allerdings nur die durchschnittliche Entwicklung wieder – für verschiedene Kometen zeigen sich, insbesondere bei der Schweiflänge, deutliche Abweichungen. Zudem ist die Formel für die vorausberechnete kleine Sonnendistanz von ISON nur ungenügend erprobt. Auch kann sie spezielle Umstände nicht berücksichtigen. So wies der im Frühjahr 2013 sichtbare Komet C/2011 L4 (PANSTARRS) lediglich Schweiflängen um 2,5 Grad auf – was nur einem Fünftel der prognostizierten Länge entsprach. Erklären lässt sich eine derart große Diskrepanz durch die überdurchschnittlich großen Staubteilchen dieses Kometen und durch die besondere Geometrie, die uns den Schweif von PANSTARRS in Aufsicht präsentierte, was die Flächenhelligkeit minimierte.

Flugbahn durch die Sternbilder | Im November bewegt sich ISON durch die Ekliptiksternbilder Jungfrau bis Skorpion und im Dezember steil nach Norden, vorbei an der nördlichen Krone und Herkules bis in Polnähe. Dargestellt ist die Richtung des Gasschweifs. Der deutlich auffälligere Staubschweif wird merklich von der Antisolarrichtung nach Osten abweichen und Ende November, in den Tagen um das Perihel, erkennbar gekrümmt sein.

Bei ISON liegt eine weitere Unsicherheit darin, dass er nicht der Kreutz-Gruppe angehört. Mitglieder dieser berühmten Klasse sonnennaher Kometen weisen in den meisten Fällen sehr gut abgegrenzte Schweife mit sehr hoher Flächenhelligkeit auf. Ob ISON ebenfalls einen solchen Schweif entwickeln wird, ist eine spannende Frage. Leichter lässt sich hingegen die Frage nach der Schweifmorphologie beantworten. Nach ersten, noch unsicheren Simulationen von Uwe Pilz, dem Leiter der Fachgruppe Kometen der Vereinigung der Sternfreunde e. V., wird ISON einen eher schmalen, lang gestreckten Staubschweif entwickeln. Er dürfte von der zur Sonne entgegengesetzten Richtung nach Osten abweichen und nur in den Tagen um das Perihel stärker gekrümmt sein. Der in Antisolarrichtung orientierte Gasschweif könnte gegenüber dem bei sonnennahen Kometen erfahrungsgemäß hellen Staubschweif ziemlich unauffällig ausfallen – ähnlich wie beim Kometen Lovejoy.

ISON wird nach seiner Konjunktion mit der Sonne Anfang September – im Sternbild Krebs positioniert – am Morgenhimmel auftauchen. Seine scheinbare Helligkeit sollte dann bei etwa 11 mag liegen. Von Anfang September bis Ende Oktober wird er sich am Himmel niemals weiter als fünf Grad von Mars entfernt aufhalten; die scheinbare Minimaldistanz von 0,9 Grad erreicht ISON am 18. Oktober. Somit eignet sich der Rote Planet als bequeme Aufsuchhilfe. Bis Mitte Oktober nehmen die Horizonthöhen des nunmehr durch das Sternbild Löwe wandernden Kometen bis auf 35 Grad zu. Zu diesem Zeitpunkt dürfte er 8,0 mag hell geworden sein und auch visuell bereits einen gut erkennbaren Schweifansatz aufweisen.

Mögliche Sichtbarkeit mit bloßem Auge

Die Helligkeit von 5 mag und damit die Grenze zur Freisichtigkeit sollte ISON – nunmehr an der Grenze zum Sternbild Jungfrau positioniert – in den ersten Novembertagen erreichen. Gemäß empirischer Formeln wird er dann einen Komadurchmesser von etwa zehn Bogenminuten und eine Schweiflänge von ein bis zwei Grad aufweisen. Am 17. November ist Vollmond. Er wird den Morgenhimmel in den folgenden Tagen sehr stark aufhellen und die Beobachtungen bis zum Eintauchen des Kopfes in die hellere Dämmerung leider erschweren. Die 20 Bogenminuten große Koma sollte nun bereits um 2 mag hell sein und in einen etwa zehn Grad langen Schweif übergehen.

Sichtbarkeitsbedingungen | Die Grafik veranschaulicht die Sichtbarkeitsbedingungen des Kometen ISON am Abend- und Morgenhimmel für eine geografische Breite von 49 Grad bei einer Sonnentiefe von 15 Grad unter dem Horizont. Eingezeichnet ist jeweils die Orientierung des Gasschweifs. Zusätzlich geben die Insets für ausgewählte Tage die Länge und Orientierung des Staubschweifs gemäß einer Simulation von Uwe Pilz wieder.

Vor der Begegnung mit der Sonne erreicht der Komet am 20. November seine geringste Distanz von der Erde mit 0,86 AE. Danach überschreitet der Kopf, nun im Sternbild Waage, erst nach Dämmerungsbeginn die Horizontlinie. Am 25. November geht der 0 mag helle Kopf gar erst zur bürgerlichen Dämmerung auf. Der etwa 15 Grad lange Schweif wird schräg nach rechts oben aufragen, doch dürften Mondlicht und Dämmerung die schwächeren Partien nahezu unsichtbar machen. Zwischen dem 26. und 30. November lässt sich allenfalls noch der helle Kopf mit dem kopfnahen Schweifbereich kurz vor Sonnenaufgang knapp über dem Horizont ausmachen.

Komet ISON hat allerdings das Potenzial für eine Sichtbarkeit am Tageshimmel. Erfahrungsgemäß muss ein Komet hierfür mindestens minus 5 bis minus 6 mag hell werden, was ISON erreichen könnte. Leider werden Sonne und Schweifstern bei der dichtesten Annäherung für mitteleuropäische Standorte aber bereits untergegangen sein. Stets muss beim Blick in Richtung zur Sonne der Schutz der Augen bedacht werden. Am sichersten erfolgt die Tagesbeobachtung, indem man sich so aufstellt, dass die Sonne von einem entfernten Gegenstand, beispielsweise von einem Hausdach, verdeckt wird. Dabei darf es schon als großer Erfolg gelten, den Kometen überhaupt gesichtet zu haben. Mehr als ein leicht diffuses Objekt mit hellem Zentrum und dem Ansatz des Schweifs wird wohl nicht erkennbar sein.

Perihelpassage des Kometen | Die Perihelpassage des Kometen geht sehr rasch vonstatten. Benachbarte Punkte geben seine Positionen im Abstand von zwei Stunden an. Norden ist oben. Möchte man die Position relativ zum Horizont ermitteln, so gilt die Grafik lediglich für die Mittagszeit. Pro Stunde, die vor Mittag beobachtet wird, muss das Diagramm um zehn Grad nach links gekippt werden, pro Stunde nach Mittag um zehn Grad nach rechts.

Die erste Beobachtung nach dem Perihel könnte am 1. Dezember gelingen, wenn der etwa zehn Bogenminuten große, minus 2 mag helle Kopf zum Zeitpunkt der bürgerlichen Dämmerung über dem Horizont erscheint An diesem Tag sollte sich ein etwa 30 Grad langer Staubschweif anschließen, der allerdings eher flach gegen den Horizont geneigt sein dürfte. Unter einem dunklen Himmel wird etwa ab dem 7. Dezember der dann 1 mag helle nunmehr im Sternbild Schlange positionierte Kopf von ISON wieder sichtbar sein.

Bis zum 15. Dezember lässt sich die weitere Entwicklung des rasch nach Norden strebenden Kometen ohne das störende Licht des Mondes beobachten. Zu dieser Zeit sollte die Helligkeit auf 2,5 mag zurückgegangen sein, während der Komadurchmesser auf 25 Bogenminuten zugenommen haben dürfte. Die Schweiflänge könnte noch immer rund 30 Grad betragen – oder sogar etwas größer geworden sein. Allerdings wird es nun zunehmend schwieriger werden, den Schweif in seiner gesamten Länge auszumachen, da seine Flächenhelligkeit von Tag zu Tag merklich abnimmt. Etwa ab Mitte Dezember lässt sich ISON auch am Abendhimmel beobachten, was sehr hilfreich ist, da just zu diesem Zeitpunkt der Mond an den Morgenhimmel wechselt. Somit stört dessen Licht nur an den drei bis vier Tagen um die Vollmondphase die Beobachtungen. Hilfreich wird auch sein, dass der Staubschweif steiler zum Abendhorizont hin aufgerichtet ist.

Abschied zum Jahreswechsel

In der zweiten Dezemberhälfte wird sich ISON weiter der Erde nähern, bis er am 27. Dezember 2013 seine geringste Distanz von 0,43 AE erreicht. Bis dahin dürfte der Durchmesser seiner nunmehr 3,5 mag hellen Koma bis auf 30 Bogenminuten angestiegen sein. Hingegen sollte die Schweiflänge wegen der ungünstiger werdenden Geometrie auf etwa 15 bis 20 Grad zurückgehen. Allerdings wird sich diese Länge wohl nur noch fotografisch nachweisen lassen. Nach der Erdpassage werden alle Parameter rasch zurückgehen.

Im weiteren Verlauf wandert ISON durch die Sternbilder Drache und Kleiner Bär, wobei er am 7./8. Januar 2014 dem Himmelsnordpol bis auf drei Grad nahe kommt. Anschließend durchläuft er Kepheus und Giraffe, wo er die gesamte Nacht über beobachtet werden kann. Mitte Januar 2014 ergibt sich eine Helligkeit der 15 Bogenminuten großen Koma von 6,0 mag und eine Schweiflänge von rund fünf Grad. Am 16. Januar kreuzt die Erde die Bahnebene von ISON, so dass in jenen Tagen ein Gegenschweif auftreten kann, der sich aber wohl nur fotografisch erfassen lässt. Am 1. Februar sollte die Helligkeit der fünf Bogenminuten großen Koma auf 8,0 mag zurückgegangen sein, die visuelle Schweiflänge auf weniger als ein Grad.

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