ISS: Weltraumspaziergang zweier Kosmonauten wegen eines Lecks abgesagt
Ein Weltraumspaziergang zweier russischer Kosmonauten an Bord der Internationalen Raumstation ISS musste am Mittwochabend in letzter Minute abgebrochen werden. Die Missionsleitung hatte »erhebliche Leckagen« an einem angedockten Sojus-Raumschiff festgestellt. Im Livestream der NASA war zu sehen, wie aus dem hinteren Teil der Kapsel in der Nähe des Instrumenten- und Antriebsmoduls dicke Flocken austraten.
Die Kosmonauten Sergej Prokopjew und Dmitri Petelin standen bereits in Raumanzüge gekleidet in der drucklosen Luftschleuse, als die Kontrolleure sie über Funk aufforderten, noch abzuwarten, während das Leck analysiert werde. Die beiden hatten geplant, einen Wärmetauscher von einem Modul zum anderen im russischen Segment der ISS zu transportieren.
RS EVA-56: While waiting for today's EVA, NASA TV is showing a stream of particles shooting away from the Soyuz MS-22 spacecraft docked to the Rassvet module; no explanation yet as to what the material might be or where it is coming from pic.twitter.com/LuKCMRCuFV
— William Harwood (@cbs_spacenews) December 15, 2022
NASA-Kommentator Rob Navias sagte während der Übertragung aus dem Johnson Space Center in Houston, dass »es sich vermutlich um eine kühlende Substanz aus der Sojus MS-22 handelt«. Er bezeichnete das Leck in der Sojus-Kapsel als »ziemlich groß«. Wahrscheinlich trat Ammoniak aus, das als Kühlmittel für Raumfahrzeuge verwendet wird. Spezialisten in Moskau untersuchen nun die Art der Flüssigkeit und ihre möglichen Auswirkungen auf die Zuverlässigkeit des Raumschiffs, hieß es in einer Erklärung der NASA.
Mittlerweile hat auch Roskosmos das Leck bestätigt. Aussagen von Geschäftsführer Sergej Krikalew zufolge könnte der Einschlag eines Mikrometeoriten den Schaden herbeigeführt haben.
Keines der Besatzungsmitglieder auf der Raumstation war zu irgendeinem Zeitpunkt in Gefahr, darunter Prokopjew und Petelin, ihre Mitkosmonautin Anna Kikina, die NASA-Astronauten Frank Rubio, Nicole Mann und Josh Cassada sowie der japanische Astronaut Koichi Wakata. Das Leck befand sich außerhalb der Station, nicht innerhalb des Weltraumlabors.
Der Vorfall wirft jedoch Fragen über die Funktionsfähigkeit des Sojus-Raumschiffs auf, mit dem Prokopjew, Petelin und Frank Rubio von der NASA im kommenden Frühjahr zur Erde zurückkehren sollen. Sie starteten im September an Bord des Fahrzeugs zur Raumstation. Es gab auch nach einigen Stunden zunächst keine Anzeichen dafür, dass der Flockenstrom nachlässt.
Sollten die russischen Ingenieure – und die der NASA, da Rubio an Bord sein wird – jedoch feststellen, dass das Problem zu gravierend ist, müsste eine Ersatz-Sojus zur Station geflogen werden. Sojus-Fahrzeuge können zwar autonom starten und andocken. Dies würde jedoch bedeuten, dass die drei Besatzungsmitglieder bis zum Eintreffen des Ersatzraumschiffs über kein Notausstiegsfahrzeug verfügen.
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