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News: Ist da der Wurm drin?

Würmer statt Medikamente sollen Menschen mit chronisch-entzündlichen Darmkrankheiten helfen. Amerikanische Wissenschaftler vermuten, daß die Zahl dieser Erkrankungen in den industrialisierten Ländern zunimmt, weil die Menschen keine Darmparasiten mehr haben. Diese können ihrer Ansicht nach das Immunsystem dämpfen. Bei fünf Patienten, die einen Wurmtrank schluckten, gingen die Beschwerden jedenfalls deutlich zurück.
"Wir leben in einer sterilen Welt, atmen sterile Luft und trinken steriles Wasser", sagt Joel Weinstock von der University of Iowa. Und das ist seiner Ansicht nach der Grund dafür, daß unser Immunsystem manchmal verrückt spielt.

Die Ursache für chronisch-entzündliche Darmkrankheiten wie Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa sind noch nicht endgültig geklärt. Einige Wissenschaftler sind aber der Meinung, daß sie durch eine Überreaktion des Immunsystems hervorgerufen werden.

Weinstock und seine Mitarbeiter behandelten sechs Patienten mit Eiern von darmbewohnenden Würmern, die den Menschen normalerweise nicht infizieren. Die Tiere können im menschlichen Darm zwar überleben und etwa einen Zentimeter lang werden, aber sie können sich dort nicht fortpflanzen und werden nach ein paar Monaten wieder ausgeschieden. Die Probanden wurden ausgewählt, weil bei ihnen weder Steroide noch andere Medikamente, die das Immunsystem dämpfen, geholfen hatten.

Zwei bis drei Wochen nach der Behandlung waren bei fünf der sechs Patienten die Krankheitszeichen deutlich zurückgegangen. Eine einmalige Einnahme unterdrückte die Symptome für etwa einen Monat. Die Ergebnisse waren so beeindruckend, daß die Forscher jetzt eine größer angelegte Untersuchung planen.

"Die Würmer in unserem Magen-Darm-Trakt begleiten uns seit drei Millionen Jahren oder sogar noch länger", sagt Weinstock. "Unsere Immunsysteme haben sich in Abhängigkeit davon entwickelt." Er meint, daß bei Abwesenheit der Parasiten das Immunsystem mehr entzündliche Stoffe wie Gamma-Interferon herstellt, um damit die Makrophagen zu stimulieren. "Durch die Entwurmung haben die Menschen Immunsysteme entwickelt, die nicht mehr gedämpft sind", erklärt er.

Weinstock weist darauf hin, daß die Zunahme von chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen auf einen Rückgang von parasitären Darminfektionen folgte. Vor siebzig Jahren fand man noch bei vierzig Prozent der amerikanischen Kinder Würmer wie Ascaris lumbricoides, der bis zu zwanzig Zentimeter lang werden kann. Noch in den vierziger Jahren waren viele mit Peitschenwürmern (Trichuris trichuria) infiziert. In den sechziger Jahren waren die Kinder jedoch wurmfrei.

Balfour Sartor von der University of North Carolina in Chapel Hill ist von den Ergebnissen fasziniert. Er hält es für eine reizvolle Möglichkeit, Krankheiten, für die es bisher keine Heilmittel gibt, mit etwas recht Ungiftigem behandeln zu können. Bevor diese Methode jedoch als Therapie allgemein anerkannt wird, müssen noch zahlreiche Untersuchungen durchgeführt werden, damit abgesichert ist, daß die Erfolge nicht nur auf einem Placebo-Effekt beruhen.

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