Geologie: Ist der Grand Canyon ein Dinosaurier?
Der Grand Canyon sei "die großartigste Sehenswürdigkeit, die jeder Amerikaner sehen sollte": Ausgehend von dieser Begründung stellte der damalige US-Präsident Theodore Roosevelt die pompöse Schlucht im Bundesstaat Arizona 1906 unter Schutz. Seit gut 100 Jahren besitzt die Landschaft den Status eines Nationalparks – angesichts des geologischen Alters der Gesteinsformation ist das nur ein Wimpernschlag in der Geschichte des Canyons. Und diese Historie müsse nun beträchtlich erweitert werden, meinen Geologen um Rebecca Flowers von der University of Colorado in Boulder: Wohl schon vor 70 Millionen Jahren fräste der Vorläufer des heutigen Colorado River das Tal ins Gestein des Hochplateaus – 60 Millionen Jahre früher als bislang gedacht. Manche Schätzungen gingen sogar davon aus, dass sich der Grand Canyon erst während der letzten fünf bis sechs Millionen Jahre bildete.
Die Analyse winziger Mineralkörner vom Grund des Canyons verschiebt diesen Entstehungszeitraum nun in den Jura und die Ära der Dinosaurier. Ermittelt wurden diese neuen Daten über die so genannte Thermochronometrie und das Verhältnis verschiedener Heliumisotope (Helium-3 und Helium-4), die sich in Apatit – einem langlebigen Phosphat – im Lauf der Zeit in unterschiedlicher Konzentration ansammeln. Helium-4 entsteht beim radioaktiven Zerfall der Elemente Uran und Thorium, die sich ebenfalls im Apatit finden, und entweicht dann je nach Temperatur des Umgebungsgesteins in unterschiedlicher Geschwindigkeit in die Atmosphäre. Misst man heute den Anteil des Helium-4, kann man daraus über die Entweichungsrate die Temperaturen und früheren Tiefenlagen der Mineralproben ermitteln. Je wärmer das Gestein ist, desto schneller entweicht das Helium-4 und desto tiefer muss das Material gelagert haben, denn die Temperatur steigt mit zunehmender Tiefe: Das Gestein kühlt also langsamer ab als solches, das an der Oberfläche liegt.
Über die Unterschiede in den Proben konnten die Forscher die thermische Geschichte der Region und daraus die Topografie der Landschaft rekonstruieren. "Der Grand Canyon wurde bereits vor 70 Millionen Jahren direkt bis auf wenige hundert Meter über seiner heutigen Tiefe ins Gestein geschnitten", fasst Flowers zusammen, die mit Kollegen schon 2008 einen anderen Abschnitt der Schlucht untersucht hatte. Der östliche Teil des Canyons wurde demnach ebenfalls schon vor sehr langer Zeit angelegt – vor 55 Millionen Jahren –, allerdings befand sich der damalige Talboden in etwa auf der Höhe des heutigen Schluchtrands: Erst in der Zeit danach erodierte das Gebiet zu seiner heutigen Gestalt weiter in die Tiefe. Bisherige Altersschätzungen beruhten beispielsweise auf der Datierung von Geröll, die der Colorado River transportiert und abgelagert hat, andere nahmen Sedimente in vom Fluss ausgewaschenen Höhlen der Canyonseiten unter die Lupe. Doch alle wichen jeweils extrem voneinander ab – Flowers' Studie macht hiervon keine Ausnahme.
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