Meeresrätsel: Ist der Pottwal ein lebender Rammbock?
Der Kopf des Pottwals gehört zu den seltsamsten anatomischen Strukturen im Tierreich: Er ist fast rechteckig, nimmt etwa ein Drittel der Körperlänge ein und besteht im Wesentlichen aus zwei Fettlinsen, die das früher sehr begehrte Walrat enthalten. Die Funktion dieser Supernase ist bisher nur zum Teil entschlüsselt – sie dient ziemlich sicher zur Echoortung, analog zu vergleichbaren, als Melone bezeichneten Organe bei anderen Zahnwalen und nach Ansicht vieler Fachleute auch als Schallkanone zum Betäuben von Beutetieren. Nun allerdings hat ein Team um die Anatomin Olga Panagiotopoulou von der University of Queensland eine Außendeiterhypothese wieder aufgenommen: Demnach entwickelte sich der Kopf des Pottwals als Rammbock für gewalttätige Balzrituale. Wie ihre Computersimulation zeigt, reduzieren spezielle Gewebestrukturen im "Junk", der unteren Fettlinse, die Belastung des Kopfs bei Rammstößen um fast die Hälfte.
Die Wissenschaftlerin verweist auf eine Reihe von Indizien, die ihrer Meinung nach für ihre Ansicht sprechen: historische Berichte über Rammstöße gegen Walfangschiffe, Narben und Verletzungen am "Junk" und sogar einen Bericht über Ramm-Duelle zwischen Pottwalmännchen zur Paarungszeit. Entscheidend für die Argumentation sind jedoch die stabilen senkrechten Lamellen, die das Vorderende des "Junk" in einzelne Fächer unterteilen. Panagiotopoulou simulierte einen stark vereinfachten Walkopf in drei Konfigurationen: ohne die Lamellen, mit allen Lamellen und mit der Hälfte der Anzahl der Lamellen. Dabei zeigte sich, dass die Lamellen die Belastung an der Spitze der Schnauze drastisch reduzieren, indem sie die entstehenden Kräfte in den hinteren Schädelbereich ableiten. Das Modell hat jedoch den Nachteil, dass es nur eine statische Kraft simulierte – insofern ist die Aussagekraft für dynamische Zusammenstöße wohl begrenzt. Fachleute halten die Rammstoß-Idee jedoch grundsätzlich für fragwürdig.
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