Lebensstil: Jäger, Sammler, Freizeitmensch
Wer sein Essen selbst anbaut, muss es nicht mehr mühselig suchen und spart Zeit. Schon länger vermuten Anthropologen, dass dieses Bild grundlegend falsch ist. Als die Menschen vor gut 10 000 Jahren begannen, auf Ackerbau und Viehzucht umzustellen, bürdeten sie sich damit extrem viel Arbeit auf. Was sie im Gegenzug dafür erhielten – Nahrungssicherheit oder Eigentum? –, ist unklar.
Der Blick auf das philippinische Volk der Agta half Forschern nun dabei, den Effekt dieses Wandels im Lebensstil zu quantifizieren. Bei den Agta leben manche Gemeinden ganz ursprünglich als Jäger und Sammler, in anderen bestreiten die Menschen hingegen ihren Lebensunterhalt mehr oder weniger stark durch Landwirtschaft. Während Erstere nur rund 20 Stunden pro Woche für Arbeiten außerhalb des Lagers aufwenden, sind es bei Letzteren im Schnitt immerhin schon 30 Stunden, errechneten Forscher um Mark Dyble von der University of Cambridge, die über zwei Jahre hinweg den Tagesablauf von insgesamt 359 Individuen protokollierten.
Die zusätzliche Arbeit werde vor allem von Frauen geleistet, schreiben die Forscher im Fachblatt »Nature Human Behaviour«. Warum das so ist, sei eine offene Frage. Wie viel Zeit die Agta für Arbeit, Haushalt und Kinderbetreuung aufwendeten, variierte stark über die Altersstufen hinweg. Am wenigsten Freizeit hatten Männer und Frauen in den Dreißigern.
Wie der Broterwerb den Tagesablauf beeinflusst, hatten Forscher bislang immer anhand von räumlich oder zeitlich getrennten Bevölkerungsgruppen untersucht. Dyble und Kollegen gelingt es nun, zwei Lebensstile innerhalb derselben Kultur zu vergleichen. Die Zahlen, die sie dabei ermittelten, lassen sich freilich nicht eins zu eins auf die Verhältnisse in anderen Kulturen übertragen, weder auf heute lebende Gemeinschaften noch auf jene in grauer Vorzeit. Der Lebenswandel der Agta wird maßgeblich durch das moderne Leben beeinflusst, etwa durch ihre Nachbarn, die Ackerbau betreiben und mit denen sie Jagdbeute gegen Reis tauschen, sowie durch die politischen Rahmenbedingungen in ihrem Land. Dennoch bestätigen die Ergebnisse das Bild, wonach Jäger und Sammler in einer Art »Überflussgesellschaft« leben, in der es zwar wenig Privateigentum, aber genug für alle gebe. Das wiederum macht es umso rätselhafter, warum die Landwirtschaft ihren weltweiten Siegeszug antrat.
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