Nanotechnologie : Janus im Reagenzglas
Mit neuen Nanopartikeln bauen Forscher künstliche Membranen und "intelligente Materialien" oder nutzen sie für die Katalyse. Der Trick: Die Teilchen werden gleichzeitig mit zwei gegensätzlichen Eigenschaften ausgestattet.
Janus – Gott des Anfangs und des Endes, des Eingangs und des Ausgangs, Gott mit den zwei Gesichtern, der gleichzeitig in die Vergangenheit und in die Zukunft sieht. Nun haben ihn auch Wissenschaftler für sich entdeckt. Immer häufiger gelangt der Name der römischen Gottheit in aktuelle Fachveröffentlichungen: als Namenspatron einer neuartigen Klasse von Nanopartikeln.
Auch die so genannten Januspartikel haben zwei "Gesichter": kleine Teilchen, im einfachsten Fall Kugeln, mit extrem verschiedenen Seiten. So kann zum Beispiel eine Kugelhälfte Wasser anziehen und die andere Wasser abstoßen. Auch Teilchen mit zwei unterschiedlichen Ladungen oder metallisch-nichtmetallischen Bestandteilen haben Chemiker bereits hergestellt. Weil sie daraus neue Werkstoffe bauen können, ist die Kombination aus zwei gegensätzlichen Merkmalen in ein und demselben Partikel vor allem für Materialwissenschaftler interessant.
Doch diese Methode hat einen Nachteil. "Man kann pro Experiment nur so viele Partikel herstellen, wie nebeneinander auf die Glasoberfläche passen." Daher haben Granick und seine Kollegen das Verfahren weiterentwickelt [1]. Sie mischen Wasser, Fett und amorphe Siliziumdioxidkügelchen miteinander und erzeugen durch starkes Schütteln oder Ultraschall eine Emulsion, bei der kleine, von Wasser umgebene Fetttröpfchen entstehen. Die Kügelchen ordnen sich nun automatisch an der Grenzfläche zwischen Wasser und Fettschicht an, weil das die Abstoßung zwischen den beiden Flüssigkeiten verringert und so die Emulsion insgesamt stabiler wird. "Als Fett nehmen wir Wachs, weil es beim Abkühlen fest wird. Dadurch können wir die Kugeln fixieren, die Idee ist also dieselbe wie mit dem Glassubstrat", erklärt der Wissenschaftler. "Aber die kleinen Fetttropfen in der Emulsion besitzen insgesamt eine viel größere Oberfläche als das Glas. Deshalb können wir so mit einem Mal mehrere Gramm der Januspartikel herstellen." Die Siliziumkügelchen stecken also in dem festen Wachstropfen fest, so dass man sie durch chemische Reaktionen gezielt von der freien Seite her bearbeiten kann. Um die fertigen Januskugeln vom Wachs abzutrennen, wird das Gemisch einfach erwärmt – das Wachs schmilzt, und die Produkte lassen sich abzentrifugieren.
Auch für Chemiker sind die Doppelkugeln interessant. Daniel Resasco, Professor an der University of Oklahoma, hat mit seiner Gruppe kürzlich gezeigt, dass man Januspartikel zur selektiven Katalyse einsetzen kann [3]. Die Forscher verwendeten ebenfalls Siliziumdioxidkugeln, die sie zunächst einseitig mit einer Wasser abstoßenden Verbindung beschichteten; so wurden die Teilchen amphiphil. Auf der gleichen Seite trugen sie anschließend Palladium auf, einen gängigen Katalysator für Hydrierungsreaktionen, bei der Wasserstoff an andere Substanzen angelagert wird. Die mit Palladium bedeckte Hemisphäre ist hydrophob und stößt Wasser ab, die unbeschichtete hingegen ist hydrophil. In einer Emulsion aus Wasser und Öl ordnen sich diese Januspartikel deshalb so an, dass die beschichtete Seite in Richtung der Öltropfen zeigt und die freie Seite zum Wasser hin.
"Da sich die Partikel eigenständig ausrichten, können wir eine chemische Reaktion gezielt in den Öltropfen katalysieren", erklärt Resasco. Das ist besonders wichtig, wenn im Gemisch mehrere Substanzen vorliegen, die reagieren könnten. Resasco und seine Mitarbeiter nahmen zwei verschiedene Chemikalien, die eine löste sich nur im Wasser, die andere nur in den Öltröpfchen. "Fügten wir die Januspartikel hinzu, wurde ausschließlich Substanz in den Öltropfen umgesetzt, weil nur auf dieser Seite der Katalysator war", stellt er fest. "Zur Kontrolle haben wir auch Kugeln hergestellt, die komplett mit dem Palladiumkatalysator umhüllt waren. Wenn wir diese Partikel verwendeten, ging die Selektivität verloren – es reagierten nämlich beide Substanzen, egal in welcher Flüssigkeitsschicht."
Die aufwändige Herstellung lohnt sich also, weshalb die Forscher fieberhaft an der Weiterentwicklung der Januspartikel arbeiten. Doch trotz der großen Fortschritte haben die Doppelkugeln noch immer auch wirtschaftlich zwei Gesichter: Die Anwendungen sind vielfältig, aber die Kosten für eine kommerzielle Nutzung noch zu hoch.
Auch die so genannten Januspartikel haben zwei "Gesichter": kleine Teilchen, im einfachsten Fall Kugeln, mit extrem verschiedenen Seiten. So kann zum Beispiel eine Kugelhälfte Wasser anziehen und die andere Wasser abstoßen. Auch Teilchen mit zwei unterschiedlichen Ladungen oder metallisch-nichtmetallischen Bestandteilen haben Chemiker bereits hergestellt. Weil sie daraus neue Werkstoffe bauen können, ist die Kombination aus zwei gegensätzlichen Merkmalen in ein und demselben Partikel vor allem für Materialwissenschaftler interessant.
Eine Standardmethode zum Herstellen von Januspartikeln existiert allerdings nicht, denn die Syntheseroute hängt stark davon ab, welche Materialien die Forscher verwenden und welche Form die entstehenden "Doppelköpfe" haben sollen. Für kugelförmige Exemplare nehmen sie in der Regel zunächst homogene Teilchen, die sie auf einem Träger, zum Beispiel einer Glasplatte, fixieren. "Man kann sich die kleinen Kugeln aufgereiht vor einer Wand vorstellen. Dadurch ist eine Seite geschützt, und die andere kann man sozusagen mit einer Chemikalie ansprühen", erklärt Steve Granick, Professor an der University of Illinois. Löst man die Teilchen von der Glasoberfläche ab, so verfügen sie über zwei unterschiedliche Seiten – die "besprühte" und die ursprüngliche.
Doch diese Methode hat einen Nachteil. "Man kann pro Experiment nur so viele Partikel herstellen, wie nebeneinander auf die Glasoberfläche passen." Daher haben Granick und seine Kollegen das Verfahren weiterentwickelt [1]. Sie mischen Wasser, Fett und amorphe Siliziumdioxidkügelchen miteinander und erzeugen durch starkes Schütteln oder Ultraschall eine Emulsion, bei der kleine, von Wasser umgebene Fetttröpfchen entstehen. Die Kügelchen ordnen sich nun automatisch an der Grenzfläche zwischen Wasser und Fettschicht an, weil das die Abstoßung zwischen den beiden Flüssigkeiten verringert und so die Emulsion insgesamt stabiler wird. "Als Fett nehmen wir Wachs, weil es beim Abkühlen fest wird. Dadurch können wir die Kugeln fixieren, die Idee ist also dieselbe wie mit dem Glassubstrat", erklärt der Wissenschaftler. "Aber die kleinen Fetttropfen in der Emulsion besitzen insgesamt eine viel größere Oberfläche als das Glas. Deshalb können wir so mit einem Mal mehrere Gramm der Januspartikel herstellen." Die Siliziumkügelchen stecken also in dem festen Wachstropfen fest, so dass man sie durch chemische Reaktionen gezielt von der freien Seite her bearbeiten kann. Um die fertigen Januskugeln vom Wachs abzutrennen, wird das Gemisch einfach erwärmt – das Wachs schmilzt, und die Produkte lassen sich abzentrifugieren.
Die Arbeitsgruppe von Granick interessiert sich vor allem für das Aggregationsverhalten der Doppelköpfe. "Spontane Selbstanordnung ist ein Schlüsselprozess für die Herstellung von so genannten smart materials, also intelligenten Materialien", erklärt er. "Wir können die Partikel so modellieren, dass sie sich von allein zu komplexen Strukturen anordnen." Kürzlich stellte sein Team sogar dreiseitige Partikel her, die in der Mitte Wasser anziehend und an beiden "Polen" abstoßend waren. Da sich immer gleichartige Seiten zusammenlagern, formten diese Teilchen spontan ein so genanntes Kagomegitter, eine regelmäßige Struktur aus Drei- und Sechsecken, die als aneinandergereihte Davidsterne dargestellt werden können [2].
Mit amphiphilen Teilchen – die sowohl über eine Wasser anziehende und eine Wasser abstoßende Hälfte verfügen – versucht sein Team derzeit, eine künstliche Membran zu bauen, um daran die komplexen Funktionsweisen von Zellmembranen zu studieren.
Auch für Chemiker sind die Doppelkugeln interessant. Daniel Resasco, Professor an der University of Oklahoma, hat mit seiner Gruppe kürzlich gezeigt, dass man Januspartikel zur selektiven Katalyse einsetzen kann [3]. Die Forscher verwendeten ebenfalls Siliziumdioxidkugeln, die sie zunächst einseitig mit einer Wasser abstoßenden Verbindung beschichteten; so wurden die Teilchen amphiphil. Auf der gleichen Seite trugen sie anschließend Palladium auf, einen gängigen Katalysator für Hydrierungsreaktionen, bei der Wasserstoff an andere Substanzen angelagert wird. Die mit Palladium bedeckte Hemisphäre ist hydrophob und stößt Wasser ab, die unbeschichtete hingegen ist hydrophil. In einer Emulsion aus Wasser und Öl ordnen sich diese Januspartikel deshalb so an, dass die beschichtete Seite in Richtung der Öltropfen zeigt und die freie Seite zum Wasser hin.
"Da sich die Partikel eigenständig ausrichten, können wir eine chemische Reaktion gezielt in den Öltropfen katalysieren", erklärt Resasco. Das ist besonders wichtig, wenn im Gemisch mehrere Substanzen vorliegen, die reagieren könnten. Resasco und seine Mitarbeiter nahmen zwei verschiedene Chemikalien, die eine löste sich nur im Wasser, die andere nur in den Öltröpfchen. "Fügten wir die Januspartikel hinzu, wurde ausschließlich Substanz in den Öltropfen umgesetzt, weil nur auf dieser Seite der Katalysator war", stellt er fest. "Zur Kontrolle haben wir auch Kugeln hergestellt, die komplett mit dem Palladiumkatalysator umhüllt waren. Wenn wir diese Partikel verwendeten, ging die Selektivität verloren – es reagierten nämlich beide Substanzen, egal in welcher Flüssigkeitsschicht."
Wenn die Forscher die Reaktion lokal in den Fetttröpfchen ablaufen ließen, ergab sich daraus auch ein praktischer Vorteil: Das Reaktionsprodukt ging nämlich von der Ölphase ins Wasser über. "Das ist eine Art Selbstreinigung. Oft stehen Chemiker tagelang im Labor, um nach der Reaktion die gewünschte Substanz von den Nebenprodukten abzutrennen. Mit unserer Methode können sie die Katalyse ganz gezielt durchführen und erhalten im selben Schritt das reine Produkt", so der Forscher. Für seine Nanoreaktoren sieht er daher auch mögliche Anwendungen in der Raffination von Rohöl, das oft bis zu 30 Prozent wässrige Verunreinigungen enthält. Mit Januskugeln kann man gleichzeitig die Wasser-Öl-Mischung stabilisieren, weiterverarbeitende Reaktionen durchführen und Verunreinigungen entfernen.
Von Hybridnanopartikeln aus Kohlenstoffnanoröhrchen und Siliziumdioxidkugeln verspricht sich Resasco besonders viel. "Die gehören zu den kostengünstigsten Hybridpartikeln", erklärt er, "daher besitzen sie großes industrielles Potenzial." Zwar sind diese Nanokugeln keine Januspartikel im engeren Sinn. Sie ähneln diesen aber, schließlich vereinen auch sie zwei gegensätzliche Eigenschaften in einem Teilchen [4]. "Man kann sie sich als kleine Köpfe mit langen Haaren vorstellen", erläutert Resasco. Die Wasser abstoßenden Nanoröhrchenhaare wachsen nach außen, vom Wasser anziehenden Köpfchen weg. Daher lassen sich die Katalysereaktionen mit diesen Hybriden genauso selektiv durchführen wie mit den "echten" Januspartikeln.
Die aufwändige Herstellung lohnt sich also, weshalb die Forscher fieberhaft an der Weiterentwicklung der Januspartikel arbeiten. Doch trotz der großen Fortschritte haben die Doppelkugeln noch immer auch wirtschaftlich zwei Gesichter: Die Anwendungen sind vielfältig, aber die Kosten für eine kommerzielle Nutzung noch zu hoch.
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