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Materialphysik: Japanische Schneidekunst inspiriert superhaftendes Klebeband

Ein Klebeband, egal welcher Art, das stark haftet und sich leicht lösen lässt. Einen solchen Klebestreifen entwickelten Forscher mit einem vom Kirigami inspirierten Schnittmuster.
Forscher Michael Bartlett zieht an einem Klebeband, das stark haftet und sich leicht ablösen lassen soll.
Michael Bartlett von der Virginia Tech zieht an einem Klebeband, das stark haftet und sich leicht ablösen lassen soll. Der Trick dahinter: das Schnittmuster, das er und sein Team in das Band laserten.

Zieht man Klebeband von einem Paket ab, reißt auch mal der Karton ein. Wenig ideal, weshalb ein Team um Michael Bartlett von der Virginia Tech ein Klebeband entwickelte, das stark haftet, sich aber auch problemlos wieder entfernen lässt. Wie die Arbeitsgruppe im Fachblatt »Nature Materials« schreibt, nahm sie sich die japanische Schneidekunst des Kirigami zum Vorbild. Die Fachleute schnitten ein schuppenartiges Muster in das Klebeband, das die Haftkraft um das 60-Fache verstärkte. Zugleich ließ sich der Klebestreifen in eine bestimmte Richtung wieder von einer Oberfläche abziehen.

Bei Kirigami wird ein Bogen Papier so gefaltet und geschnitten, dass daraus ein dreidimensionales Bild entsteht. Davon abgeleitet entwickelten Bartlett und seine Kollegen ein Schnittmuster und laserten es auf ein Klebeband. Das Muster läuft über mehrere Zeilen und besteht aus rechteckigen Formen ähnlich einem »U«. Das heißt, von den vier Seiten der Rechteckform schnitten die Forscher drei ein. Zieht man nun so am Klebeband, dass sich zuerst die Seiten der »U« heben, die nicht eingeschnitten sind, löst sich der Streifen. Doch in die andere Richtung war es erheblich schwieriger, das Band abzubekommen.

Den physikalischen Mechanismus hinter dem Vorgang bezeichnen die Forscher als umgekehrte Rissausbreitung, die eigentlich aus der Bruchmechanik bekannt ist. Das Klebeband löst sich, indem sich quasi Risse im Klebstoff bilden. Doch sobald man beim Abziehen zum Schnittmuster gelangt, bündeln sich die Kräfte auf die schmalen Streifen zwischen den U-Formen. Dort werden sie schließlich an den ungeschnittenen Seiten der »U« eingefangen. Die Folge: Die Richtung der Rissausbreitung kehrt sich um – das Klebeband haftet noch stärker.

Welche Art von Band die Wissenschaftler nutzten, war für das Ergebnis unerheblich – jedes Mal habe sich mit dem Schnittmuster die Haftkraft erhöht, berichten sie. Zudem würde es auf Oberflächen verschiedener Materialien funktionieren, unter trockenen sowie feuchten Bedingungen. Wichtig sei laut der Fachleute auch, dass sie weder das Material noch seine chemische Zusammensetzung ändern mussten. Allein das Schnittmuster hätte die Haftkraft um das 60-Fache verstärkt.

Für einen Test verschlossen die Forscher dann ein Paket mit ihrem Kirigami-Klebeband und ein weiteres mit normalen Klebestreifen. Daraufhin ließen sie Ziegelsteine auf die Pakete plumpsen. Der normal verklebte Karton brach beim zweiten Mal ein, der andere hielt selbst nach dem fünften Mal noch stand. »Wir können normales Paketband nehmen und es je nach Notwendigkeit verstärken«, betont Projektmitarbeiter Chanhong Lee von der Virginia Tech laut einer Presseinformation. »Aber gleichzeitig ist es möglich, es abzulösen. Das ist sehr nützlich für Verpackungen, die auch wiederverwendbar sind, und kann eine Rolle bei der Nachhaltigkeit spielen.«

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