Direkt zum Inhalt

News: Java am Ende einer Reise

Vor vielleicht zwei Millionen Jahren begab sich der "aufrechte Mensch" Homo erectus auf die Reise und wanderte von Afrika nach Eurasien, Südostasien und China. Dabei ließen sich Hominiden dieser Art auch auf Java nieder, als die Insel im Pleistozän noch mit dem Festland verbunden war. Was dann in der Evolutionsgeschichte passierte, blieb lange ungewiss.
Es war der 1. Oktober 2001, als Arbeiter am Solo River in Zentral-Java Sandschichten abbauten und dabei einen Schädel zutage förderten, der, wie sich später herausstellte, von Homo erectus stammte. Mit diesem spektakulären Fund fügte sich ein weiteres Puzzle in die Evolutionsgeschichte des Menschen ein. Wissenschaftler zeigten sich begeistert, denn der Schädel war außerordentlich gut erhalten und wies, obwohl mitten aus dem Fluss geborgen, kaum Verwitterungs- oder Kratzspuren auf.

Schon in den Jahrzehnten zuvor tauchten auf Java Spuren von Homo erectus auf: Nur vier Kilometer von der eben beschriebenen Stelle entfernt, fanden Archäologen bereits 1973 im Sambunmacan-Gebiet einen Schädel von Homo erectus, den die Wissenschaftler auf den Namen Sm 1 tauften. Hätte man damals nur 100 Meter weiter gegraben, wäre auch Sm 3 zutage befördert worden, so aber blieb dieser bis 1997 in den pleistozänen Sedimenten verborgen.

Außerhalb des afrikanischen Kontinents wurde Java in den letzten Jahrzehnten zu einer bedeutenden archäologischen Fundstätte des Homo erectus. So stammen zwei weitere Schädel sowie bedeutende Kiefer- und Knochenfragmente aus der Gegend von Trinil, Sangiran und Ngandong. Die fossilen Funde zeichnen eine Evolutionslinie nach, die sich anhand stabiler, anatomischer Merkmale beschreiben lässt: Homo erectus hatte ein vorspringendes Gesicht mit massigen, flachen Wangenknochen, einen deutlichen Knochenhöcker am Ansatz der Wangenknochen und eine abgerundete Kante am unteren Rand der Augenhöhle; der Stirnknochen war relativ flach, und zwischen der Nasenregion und dem Gesichtsbereich gab es keine klare Abgrenzung.

Trotz der vielen Funde wirft der asiatische Homo erectus weiterhin Rätsel auf: So ist unklar, ob er bei seiner Ankunft auf Java mit anderen Hominiden in Kontakt kam und sich dabei mit ihnen vermischte. Im Dauerstreit zwischen den Hypothesen der multiregionalen Theorie und der Out-of-Africa-Theorie steht immer noch die brandheiße Frage im Raum: Hat sich Homo erectus auf Java zum frühen Homo sapiens weiterentwickelt oder starb er aus, ohne genetische Spuren zu hinterlassen?

Ein Schädelvergleich sollte Licht ins Dunkel bringen. Unter Einsatz modernster Technologien verglichen Hisao Baba und seine Kollegen vom National Science Museum in Tokio den jüngsten Fund Sm 4 aus dem Jahre 2001 mit den anderen Schädelfragmenten aus Java. Dabei bedienten sie sich der Microcomputertomographie, die es ihnen ermöglichte, aus Fragmenten den vollständigen Schädel dreidimensional zu rekonstruieren. Die virtuellen Bilder lieferten auch einen Einblick in das Innere des frühzeitlichen Kopfes und ermöglichten Aussagen zum Gehirnvolumen und zur Gehirnentwicklung.

Im Computermodell legten die Wissenschaftler die virtuellen Abdrücke übereinander, um auf diese Weise Gemeinsamkeiten sowie Unterschiede ablesen zu können. Dadurch konnten sie 22 Merkmale der Schädel, wie Volumen, Umfang oder Morphologie, analysieren und anschließend miteinander vergleichen.

Alle Funde ähnelten sich sehr in ihrem allgemeinen, morphologischen Aussehen, zeigten jedoch auch, dass bestimmte Merkmale beim späteren Homo erectus sich zunehmend stärker ausprägten. Die Forscher deuteten dies als eine gestufte Spezialisierung. Die Sambungmacan-Exemplare (Sm 1, Sm 3 und Sm 4) stellen innerhalb der Java-Serie ein Übergangsstadium dar; sie verbinden den früheren Homo erectus aus Trinil und Sangiran mit dem späteren aus Ngandong zeitlich und morphologisch.

Interessanterweise ähnelt die Stirnhöhle von Sm 4 sehr stark der vom afrikanischen Homo erectus und deutet damit auf seinen afrikanischen Ursprung hin. Allerdings fehlen Sm 4 charakteristische Eigenschaften, die der "Peking-Mensch" im benachbarten China aufweist, der ebenfalls zum Homo erectus gezählt wird. Baba vermutet deswegen, dass die Vertreter der Java-Menschen auf ihrer Insel verharrten und gar nicht bis nach China vordrangen.

Die Wissenschaftler sehen damit die Out-of-Africa-These erhärtet, die besagt, dass viele Wanderungen des Homo erectus im evolutionären Nichts endeten – so vermutlich auch auf Java. Mit großer Wahrscheinlichkeit lebte er im späten Pleistozän hier weitgehend isoliert, wodurch sich bestimmte Merkmale über die Zeit stärker ausprägen konnten. Danach endete aber vermutlich diese evolutionäre Linie, das heißt, er hat – wenn überhaupt – nur einen geringen Beitrag zu den Vorfahren des modernen Menschens leisten können.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.