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Mensch und Umwelt: Je gesünder desto größer

Eher kleinwüchsig, gemessen an heutigen Verhältnissen, gelten die Menschen des Mittelalters. Dass dem nicht so war, offenbart eine Studie an Skeletten aus den letzten Jahrhunderten.
"Guck mal wie klein die Rüstung ist", wundert sich der Junge beim Besuch einer Burg. Doch der Papa weiß Rat: "Die Menschen waren früher viel kleiner, als wir es heute sind." Doch stimmt das wirklich? Haben wir in den letzten Jahren tatsächlich so viel an körperlicher Größe zugelegt?

Eine Frage, der unter anderem auch Richard Steckel von der Ohio State University nachgeht. Im Rahmen einer Studie, die Teil des Gobal History of Health Project ist, hat sich der Wissenschaftler die Größenentwicklung vom Mittelalter bis heute angesehen. Dabei griff der Forscher auf dreißig vorangehende Arbeiten zurück, die Daten zur Körpergröße anhand von tausenden Skeletten erhoben haben, die auf Friedhöfen in Island, Schweden, Norwegen und Großbritannien ausgegraben wurden. Als Messlatte diente hierbei der Oberschenkelknochen, der größte Knochen im menschlichen Körper, der immerhin ungefähr ein Viertel zur Gesamtgröße beisteuert.

Das Ergebnis von Steckels Analyse war durchaus überraschend: Die durchschnittliche Körpergröße erwachsener Männern ist von einem Maximum von 1,734 Metern im frühen Mittelalter auf ein Minimum von 1,67 Metern zwischen dem 17. und 18. Jahrhundert gefallen. Erst danach wurden die Männer wieder größer, und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war wieder die ursprüngliche Rekordmarke erreicht. Seitdem steigt der Durchschnittswert, wenngleich nicht mehr ganz so schnell. Zum Vergleich: In Deutschland kam der statistische Mustermann im Jahr 2003 laut einer Erhebung des Statistischen Bundesamts auf eine Höhe von 1,77 Metern.

Die Menschen waren also zwischen dem 9. und 11. Jahrhundert deutlich größer als diejenigen, die hunderte von Jahren später zu Beginn der Industrialisierung lebten. Wie kommt das?

Steckel sieht im Wesentlichen vier Gründe dafür: Erstens hat sich das Klima Mitte des 12. Jahrhunderts im Rahmen der so genannten Kleinen Eiszeit erheblich verändert und mit Unterbrechungen für rund 600 Jahre für kühlere Temperaturen gesorgt. Das jedoch habe auch die Nahrungsmittelversorgung negativ beeinflusst, und da die Körpergröße laut Steckel ein guter Indikator dafür ist, wie es den Menschen geht, schlägt sich die Unterversorgung hier in kleineren Zahlen nieder.

Zweitens nahmen im 16. und 17. Jahrhundert sowohl die Bevölkerungszahl der Städte als auch das Handelsaufkommen erheblich zu. Viele Menschen trafen aufeinander, und Güter wurden rund um die Welt verschifft – beste Voraussetzung für die Ausbreitung von Krankheiten, die auch ihren Einfluss auf die Größe haben.

Drittens veränderte sich die Verteilung von Arm und Reich. Diejenigen, die bereits wenig hatten, wurden immer ärmer, während die Reichen ihre Wohlstand mehrten. Auch das könnte sich auf die durchschnittliche Größe ausgewirkt haben.

Schließlich forderten politische Veränderungen und Kriege ihren Tribut, beeinflussten die Bevölkerungszahl, die Produktivität und begünstigten unter Umständen die Ausbreitung von Krankheiten.

Steckel fasst zusammen: "Die durchschnittliche Größe ist ein gutes Maß für die Verfügbarkeit und die Erfüllung lebensnotwendiger Bedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung, ein Obdach und medizinische Versorgung sowie – im negativen Sinne – für das Maß an Krankheiten, denen man ausgesetzt ist."

Und warum nahm die Durchschnittgröße zwischen dem 18. und 19. Jahrhundert wieder zu? Zum einen endete die Kleine Eiszeit, und die die Temperaturunterschiede erlaubten je nach Region drei bis vier Wochen länger den Anbau von Nahrungsmitteln. Zum anderen stieg die Produktivität in der Landwirtschaft, was zusätzlich die Versorgung der Bevölkerung verbesserte.

Mit diesem Ergebnis will Steckel noch lange nicht aufhören, schließlich soll das Global History of Health Project die Gesundheit der Menschen in den letzten 10 000 Jahren erfassen. "Ich möchte weiter zurückgehen in der Zeit und mir mehr Bevölkerungsgruppen ansehen, um zu prüfen, inwieweit der Zusammenhang auch für die letzten 10 000 Jahre gilt."

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