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Unterirdischer Gruppenslang : Gruppen von Nacktmullen reden eigenen Dialekt

Bei den Nacktmullen bestimmt die Königin, wie die Untertanen in ihrer Kolonie miteinander reden. Zumindest bis zur nächsten Revolution.
Nacktmull

Die unter der Erde in Ostafrika heimischen Nacktmulle sind für vieles außer ihrem besonders hübschen Äußeren bekannt: Sie bleiben auch im Alter gesund, ihre besondere Körperabwehr schützt sie effektiv gegen Krebs, sie spüren kaum Schmerz und atmen in ihren Gängen auch bei hohen Kohlendioxidkonzentrationen noch problemlos. Zudem kopieren die fast tauben und blinden, haarlosen Wesen als Ausnahme unter den Säugetieren den Lebensstil von Ameisen und Termiten und bilden eine soziale Gemeinschaft von rund 300 Tieren unter der Leitung einer Königin, die sich als Einziges fortpflanzt. Dabei sprechen sich die Mitglieder einer Kolonie untereinander je nach Situation mit mindestens 17 unterscheidbaren Zirp- und Quietschtönen an. Bei genauem Hinhören wird deutlich, dass jede Kolonie dabei einen ganz eigenen Dialekt entwickelt, wie nun Forscher aus Deutschland, den Niederlanden und Südafrika herausgefunden haben. Anhand dieses Dialekts können die Tiere Fremde und Freunde unterscheiden, berichtet das Team im Magazin »Science«.

Demnach kommunizieren Nacktmulle (Heterocephalus glaber) in sozialen Gemeinschaften ein wenig wie Vögel oder Menschen, die in Gruppen häufig auch einen spezifischen Slang ausbilden. Die Forscher um den Koautor Gary Lewin vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in Berlin waren den Dialekten der Nagetiere über zwei Jahre hinweg nachgegangen und haben dabei rund 36 000 Nacktmulllaute von 166 Tieren im Labor aufgezeichnet. Die Töne hat das Team dann mit einer eigens entwickelten Analysesoftware zu unterscheiden gelernt: Das Programm konnte am Ende nicht nur die Lautäußerungen einzelnen Tieren zuordnen, sondern auch korrekt vorhersagen, zu welcher Gruppe die Nacktmulle gehören. Jede Kolonie zirpt sich untereinander demnach mit einem durch Tonhöhen und Schallwellenmuster charakteristischen Tonfall an.

Im Experiment reagieren Nacktmulle stärker auf ihnen vorgespielte Laute von Koloniegenossen, sie unterscheiden aber ebenso künstliche Nacktmulltöne, die mehr oder weniger stark die akustischen Eigenarten ihres Dialekts nachahmen. Die Forscher spekulieren noch über die eigentliche Bedeutung der gruppenspezifischen Kommunikation der Nacktmulle. Womöglich hilft ein Gruppenslang den fast blinden Nagern dabei, Eindringlinge in der Kolonie leichter zu erkennen? Fremde Nacktmulle in den eigenen Gängen werden üblicherweise rabiat bekämpft und häufig getötet.

© Felix Petermann, MDC
Nacktmulle im Labor
Forscher belauschen Nacktmulle im Labor. Dabei zeigt sich: Jede Kolonie zirpt untereinander auf eigene Weise.

Weitere Untersuchungen zeigen, dass der Dialekt einer Nagetierkolonie erlernt wird und sich auch verändern kann. Junge Tiere nehmen den Kolonieslang innerhalb von rund sechs Monaten an und lernen auch um, wenn sie als Neugeborene früh in fremde Kolonien umgesetzt werden. Soziale Extremsituationen können aber auch dafür sorgen, dass ein Dialekt verschwindet und ein neuer aufkommt. Dabei spielt die Königin der Kolonie eine besondere Rolle, wie die Wissenschaftler durch einen Zufall bemerkt haben: In einer Kolonie war eine Königin gestorben, woraufhin die Nacktmulle der Kolonie nach und nach ihren Dialekt verloren. Erst nachdem ein neues Oberhaupt die Führung übernahm, entwickelte sich dann eine neue, typische Art der Koloniekommunikation. Dabei ist noch völlig unklar, wie eine neue Königin dafür sorgen könnte, dass die Mitglieder ihres Nacktmullreichs sich auf einen typischen Tonfall verständigen.

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