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News: Jedem die individuelle Medikamenten-Dosis

Wenn zwei das Gleiche nehmen, gibt es noch lange nicht dieselbe Wirkung. Bei dem einen schlägt ein Medikament an, bei dem anderen nicht, und vielleicht erfährt der zweite sogar nur die Nebenwirkungen. Eine mögliche Ursache dafür liegt in den Genen. Wissenschaftler kennen das verantwortliche Gen schon aus der Krebstherapie: Es codiert für ein Protein, das "unerwünschte" Substanzen wieder aus der Zelle hinauswirft. Eine bestimmte Variante des Gens sorgt für geringe Proteinkonzentrationen bei Patienten, die Arzneien deshalb in niedrigerer Dosierung benötigen. Eine andere Variante veranlasst die Bildung von mehr Protein, sodass Patienten höhere Wirkstoffmengen brauchen.
Krebsforschern ist es ein Dorn im Auge: das Multi-Drug-Resistance-Gen (MDR-1). Sein Produkt ist das P-Glykoprotein (PGP), das als "Rausschmeißer" in der Zellmembran arbeitet -es befördert gefährliche oder nicht eingeladene Moleküle geradewegs wieder hinaus. In einer Chemotherapie bedeutet das leider, die Medikamente werden hinaustransportiert, und die Therapie schlägt nicht an, der Patient ist "resistent". Wissenschaftler unter Ivar Roots vom Institut für Klinische Pharmakologie der Berliner Charité und Kollegen aus Stuttgart und München konnten MDR-1 und sein Produkt jetzt auch für ein anderes Phänomen verantwortlich machen. Denn PGP ist nicht nur in Krebszellen als Saubermann aktiv.

Das MDR-1-Gen kommt natürlicherweise in zahlreichen Variationen vor. Wissenschaftler haben 15 Versionen oder Polymorphismen gefunden, die sich in der Folge bestimmter DNA-Bausteine unterscheiden. Einer dieser Polymorphismen tritt bei jedem vierten Menschen auf und dürfte ganz erheblich beeinflussen, wie gut ein Medikament anschlägt oder ob es zu Nebenwirkungen führt. Hat ein Patient den Polymorphismus nur als so genannte TT-Ausprägung, bildet er nur wenig PGP im Darm. Ein Arzneimittel kann dann recht ungestört aus dem Darm ins Blut treten, und die Konzentration dort ist relativ hoch. Patienten mit dieser Variante dürfen viele Medikamente wie das Herzmittel Digoxin deshalb nur in relativ niedriger Dosis einnehmen. Demgegenüber produziert ein Patient mit zwei Kopien der selteneren CC-Variante des Gens viel PGP. Dadurch gelangen Substanzen nur in geringem Umfang ins Blut und die Menschen benötigen eine größere Menge des Medikaments, um die gleiche Wirkung zu erreichen (Proceedings of the National Academy of Science, 28. März 2000, Abstract).

Roots erwartet, dass binnen ein bis zwei Jahren ein sehr preisgünstiger Test vorliegen wird, mit dem Mediziner die Varianten der Patienten erkennen können. Damit wäre es ihnen möglich, die Patienten ganz individuell zu therapieren. Die neuen Erkenntnisse sind auch für die Industrie wichtig. Sie kann zukünftig Medikamente abgestimmt auf die Träger bestimmter Erbgutprofile entwickeln. So lassen sich Wirkungen besser erzielen und Nebenwirkungen vermeiden.

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