Raumfahrt: "Johannes Kepler" ist auf Kurs Richtung ISS
Um 22:50 Uhr MEZ lief am Mittwoch, dem 16. Februar 2011, der Countdown für den Start der europäischen Trägerrakete Ariane 5 mit dem automatischen Transferfahrzeug ATV-2 an Bord ab. Der Start von Europas Raumflughafen Kourou in Französisch-Guayana war erfolgreich. Wegen einer fehlerhaften Tankanzeige hatte der ursprünglich bereits auf den 15. Februar anberaumte Start um einen Tag verschoben werden müssen. Beim zweiten Versuch gab es keine Probleme mehr und die Ariane 5 startete planmäßig zu ihrem 200. Flug. Ihre Fracht, das unbemannte Versorgungsfahrzeug "Johannes Kepler", soll wichtige Versorgungsgüter zur Internationalen Raumstation (ISS) bringen. Mit "Johannes Kepler" schoss die ESA das zweite automatische Transfergefährt, das Automated Transfer Vehicle (ATV), ins All.
Mit ihrer mehr als zwanzig Tonnen schweren Nutzlast flog die Ariane 5 nach dem Start zunächst über dem Atlantik in Richtung Azoren und Europa. Dann erfolgte eine erste achtminütige Zündung des Oberstufentriebwerks und der Raumfahrzeugträger kippte mitsamt dem ATV-2 in eine um 51,6 Grad zum Äquator hin geneigte niedrige Erdumlaufbahn. Nach weiteren 42 Minuten und einem ballistischen Flug in der Umlaufbahn, zündete die Oberstufe erneut, diesmal für dreißig Sekunden. Die Umlaufbahn wurde auf diese Weise in einer Höhe von 260 Kilometern stabilisiert. 64 Minuten nach dem Abheben trennte sich ATV "Johannes Kepler" erfolgreich von der leergebrannten Oberstufe ab und entfaltete seine vier Sonnensegel zur Stromversorgung. In den folgenden Stunden standen erste Funktionstests auf dem Programm, um das ATV-2 allmählich auf die Flugbahnhöhe der ISS anzuheben.
Aufgrund der Startverzögerung wird "Johannes Kepler" die ISS nun nicht planmäßig am 23. Februar, sondern erst am 24. Februar 2011 erreichen und an das Heck des russischen Moduls andocken. Die Genauigkeit des Ankopplungsmanövers liegt nach Angaben der ESA weit unter zehn Zentimeter. Das ATV operiert im All völlig selbstständig. Flug, Annäherung und Kopplung erfolgen autonom – so, als säße eine Crew an Bord und steuerte den Weltraumfrachter. Die Fähigkeit des ATV-Transporters vollautomatisch anzudocken ist weltweit einzigartig. Im Gepäck hat "Johannes Kepler" insgesamt 7,1 Tonnen Fracht; darunter sind Vorräte, Gerätschaften, Ersatzteile, Treibstoff zum Auftanken der Station und Sauerstoff. Mehr als die Hälfte des Frachtgewichts machen die 4,5 Tonnen Kraftstoff aus, die das ATV-Raumfahrzeug benötigt, um die ISS auf eine Umlaufhöhe von 350 bis 400 Kilometern anzuheben.
Täglich verliert die Raumstation durch den Reibungswiderstand der Erdatmosphäre bis zu 200 Meter an Höhe. Pro Monat sind es bereits fünf Kilometer. "Johannes Kepler" soll bis Mitte Juni mehrere so genannte Reboost-Manöver durchführen, um den Höhenverlust zu kompensieren. Dreieinhalb Monate bleibt das unbemannte Versorgungsschiff an die ISS gekoppelt, wird schließlich mit sechs Tonnen Abfall beladen und kontrolliert zum Absturz gebracht. Die Mission von "Johannes Kepler" endet beim Wiedereintritt in die Atmosphäre, wo der Raumtransporter verglüht.
Auf den zweiten Flug eines ATV-Frachters sollen weitere folgen. Die ESA plant, Anfang 2012 den nach dem italienischen Physiker Edoardo Amaldi benannten ATV-3-Transporter zur ISS zu schicken. 2013 und 2015 sind die Starts der Frachter ATV-4 und ATV-5 vorgesehen.
Vom Start der Ariane 5 mit "Johannes Kepler" im Gepäck gibt es erstaunliche Bilder. Der ESA-Astronaut Paolo Nespoli nahm den ATV-2-Start aus einer ungewöhnlichen Perspektive auf. Er fotografierte den Aufstieg der Trägerrakete von der Erdumlaufbahn aus und enthüllte damit den Blick, den die Astronauten an Bord der Internationalen Raumstation ISS auf den Start hatten.
Rahel Heule
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