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News: Jubel und Kritik für das Europäische Patentamt

Soll Leben patentierbar sein? Um diese Frage kreisen schon seit langem Diskussionen in der Europäischen Union. Das Europäische Patentamt hat nun eine Entscheidung getroffen, mit der sie diesem Streit ein Ende setzen will: Die Patentierung von gentechnisch veränderten Pflanzen und Tieren soll nun grundsätzlich möglich sein. Gegner kritisieren, daß dieser Entschluß dem Europäischen Patentübereinkommen widerspricht.
Menschliche Gene und Zellen sollen ebenso wie gentechnisch veränderte Tiere und Pflanzen ab 1. September 1999 als Patente zugelassen werden. Einen entsprechenden Beschluß zur Änderung der bestehenden Bestimmungen habe der Verwaltungsrat des Europäischen Patentamts (EPA) in München gefaßt, bestätigte ein Sprecher der Institution am Freitag. Damit gleicht das EPA die Normen an die Biopatent-Richtlinie der EU an. Dieser Schritt bringt Ordnung in den seit Jahren schwelenden Auslegungsstreit um Patente auf Leben. Die derzeitige Patt-Situation dürfte damit aufgelöst und die Patentierung von gentechnisch veränderten Pflanzen und Tieren grundsätzlich möglich werden. Für die Life-Science-Industrie ist dieser Schritt zu einem umfassenden Patentschutz für biotechnologische Innovationen von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung.

Ruth Tippe von der Organisation "Kein Patent auf Leben" kritisierte diese Entscheidung als einen "großen Schritt in Richtung zur Verdinglichung von Lebewesen". Der Einbruch des Patentsystems in den Bereich des Lebendigen stelle eine "radikal neue Situation" dar. Patente würden so zum Schlüssel zur "exklusiven Kontrolle" von Lebewesen. Durch die Entscheidung des Verwaltungsrates soll es jetzt möglich werden, "isolierte Bestandteile des menschlichen Körpers" zum Patent anzumelden. Dies stehe im Widerspruch zum Patentübereinkommen, sagte Tippe. Danach dürften Pflanzensorten und Tierarten nicht patentiert werden. Das Patentsystem sei ursprünglich auf unbelebte Materie ausgelegt gewesen.

Schwierigkeiten in der Patentpraxis mit gentechnologischen Erfindungen bereitete bisher Artikel 53b des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ). Nach dieser Bestimmung können Pflanzensorten und Tierrassen nicht patentiert werden. Ab 1. September können nun allerdings rund einhundert unentschiedene Patentanmeldungen nach neuem Recht behandelt werden. Ein "Damoklesschwert" hänge nach einem Bericht der Neuen Züricher Zeitung dennoch über dem neuen Regime: die Entscheidung über eine erstinstanzlich abgelehnte Sortenpatentierung von Novartis, den die Große Beschwerdekammer voraussichtlich erst im nächsten Frühjahr fällen wird. Zwar ist auch für diese Kammer das neue Recht verbindlich, doch als höchste Instanz kann sie die Normen der Ausführungsordnung überprüfen. Dabei kann sie auch zum Schluß kommen, daß diese Normen unvereinbar seien mit dem Europäischen Patentübereinkommen. Zur Harmonisierung des EPÜ mit der EU-Richtlinie müsse dann der langwierige Weg über eine diplomatische Konferenz mit anschließendem Ratifizierungsverfahren in allen EPO-Mitgliedstaaten beschritten werden. Die Patente auf Tiere und Pflanzen, die in der Zwischenzeit schon erteilt wurden, würden ihre Gültigkeit trotzdem behalten – es sei denn, es werde Einspruch dagegen erhoben.

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