Jugendkriminalität: Ein Brief beugt Rückfällen vor
Straffälligen Jugendlichen haftet ein Stigma an: In der Schule werden sie als Störenfriede oder hoffnungslose Fälle angesehen und entsprechend behandelt. Ein einfacher Brief an eine Vertrauensperson kann das ändern. Das zeigte ein Experiment in Kooperation mit dem Jugendstrafvollzug in Oakland, Kalifornien, das in der Fachzeitschrift »Psychological Science« vorgestellt wurde.
Der Psychologe Gregory Walton von der Stanford University und seine Kollegen wollten für beide Seiten eine neue Situation schaffen: die Jugendlichen motivieren, sich zu bessern, und die Lehrer und Lehrerinnen, sie dabei zu unterstützen. Dazu warb das Team 47 inhaftierte Jugendliche an, die ihre Strafe fast abgesessen hatten, die meisten davon männlich und zwischen 15 und 17 Jahre alt. In Einzeltreffen wollten die Forschenden von ihnen wissen, wie sie mit ihrer Situation zurechtkamen.
Die Jugendlichen erfuhren außerdem, wie andere vor ihnen den Übergang geschafft und wie Lehrerinnen und Lehrer dazu beigetragen hatten. Dann formulierten sie ihre eigenen Hoffnungen und Ziele: Sie wünschten sich beispielsweise gute Beziehungen zu anderen Menschen, den Schulabschluss zu schaffen, ihre Eltern stolz zu machen oder ein Vorbild für jüngere Geschwister zu sein. Schließlich sollten sie angeben, welche Hindernisse sie auf ihrem Weg zum Ziel sahen und wie ein Erwachsener sie unterstützen könnte. Wer könnte das an ihrer Schule sein, und was sollte diese Person über sie wissen?
Der Brief stiftet eine Beziehung
Das alles fassten die Forschenden in einem kurzen Brief zusammen und schickten ihn an die betreffenden Erwachsenen mit der Information, dass sie von den Jugendlichen als Vertrauensperson ausgewählt worden waren. Ein solcher Brief senkte den Anteil derer, die innerhalb des laufenden und folgenden Schulhalbjahres wieder straffällig wurden, von 69 auf 19 Prozent, und er halbierte die Zahl der gegen sie verhängten Strafmaßnahmen. Ein Vorgespräch mit den Jugendlichen allein hatte nahezu keine Wirkung. Entscheidend sei die Beziehung, die der Brief stiftete, schreiben die Forschenden.
Eine Anschlussstudie mit rund 350 Lehrerinnen und Lehrern zeigte, was der Brief bei ihnen auslöste: Sie glaubten daraufhin stärker an den Erfolg der Jugendlichen, hegten mehr Zuneigung und Hoffnung für sie und brachten ihnen mehr Respekt und Vertrauen entgegen. Der Brief habe beiden Seiten geholfen, eine positive Beziehung aufzubauen, sagt Autor Gregory Walton.
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