Weibliche Wahrnehmung: Jung, weiblich, orientierungslos
"An der Ecke ist eine Bank, der Baum davor blüht gerade, und wenn Du da rechts abbiegst, kommt bald ein tolles Modegeschäft." Von wem stammt diese Wegbeschreibung? Richtig: Von einem Typusexemplar "Frau". Von einem "typischen" Mann hörte man eher "bieg an der Feldmann-Kreuzung rechts in die Alfred-Wagner-Straße ein, 200 Meter weiter kommt links eine Einbahnstraße". Sind Männer wirklich wissenschaftlich fundiert die besseren Navigatoren? Oder ist alles mal wieder nur Klischee?
Was haben menschliche, rättische, Hirsch-, Wiesenmühl- und sonstig -mäusige Männchen gemeinsam? Sie schlagen ihre Weibchen bei der Lösung räumlicher Aufgaben. Bei den Menschenmännern gilt dies quer durch eine ganze Reihe kniffliger Probleme: Sie können besser Karten zeichnen, Wege beschreiben, durch ein computergeneriertes Labyrinth spazieren und sich im realen wie virtuellen Raum zurechtfinden. Kein Chauvi-Gelaber, sondern experimentell belegt. (Nicht vergessen, liebe Frauen: Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel – klar können Sie geschliffene Ortsangaben liefern und finden den direktesten Weg zum Ziel auch ohne Navigationsunterstützung. Oder Mann.)
Ähnlich vielfältig wie die Experimente sind die Erklärungsansätze. Momentan genießt die so genannte Reviergrößenhypothese [1] das deutlichste Wohlwollen in der Wissenschaftlerwelt. Demnach nutzen viele Säugermännchen – auch menschliche – einfach einen größeren Raum zum Herumstreifen, darum können sie sich besser orientieren. Oder umgekehrt: Weil sie sich besser orientieren, durchstreifen sie größere Räume. Denn die Frage ist ja, warum ist dieser Unterschied, der so vielgestaltig untersucht und belegt wird, überhaupt entstanden?
Natürliche Selektion ist natürlich hoch im Kurs. Doch bleibt sie nicht der einzige Erklärungsansatz. Da wären noch zwei weitere zu nennen: So sei es für fortpflanzungsfähige Frauen einfach nicht sonderlich praktisch, eher sogar gänzlich unpassend, sich gut orientieren zu können – vergrößerte dies doch die Gefahr, dass sie sich zu weit von ihrem noch sehr betreuungsintensiven Nachwuchs entfernen. Mama bleibt besser zu Hause, besagt daher diese Frauenfertilitätshypothese [2]. Die Frauenfutterbeschaffungshypothese [3] verfolgt hingegen einen anderen Gedanken: Mag Menschenweibchen auch nicht so prima sein im großen Maßstab – im kleinen ist Muttern nicht zu schlagen. Geht es darum, in Objektsammlungen Veränderungen zu entdecken, sind Frauen topp. Mal im Ernst – wer merkt bei Ihnen eher, dass die Regale im Supermarkt umgeräumt wurden? Na also.
Und weil es schon so vieles zu dem Thema gibt, aber immer noch die unbefriedigend bohrende Frage bleibt, ob denn nun wirklich alles schon berücksichtigt wurde, haben sich Catherine Jones und Susan Healy von der Universität Edinburgh daran gemacht, lieber noch eine Testreihe mit menschlichen Versuchskaninchenweibchen durchzuführen. Und damit sie nicht aus Versehen etwas wiederholen, suchten sie sich ihre Versuchsanleitung bei den Vögeln. Genauer gesagt: Sie wandelten ein Experiment ab, mit dem bei Futter versteckenden Piepmätzen überprüft wird, ob sich die Gesellen eher den Ort eines Objekts oder eine Eigenschaft – also beispielsweise eine Farbe – merken. Nur zur Informationen: Vögel ziehen Lagetechnisches vor.
Nun sollten Männlein und Weiblein am Bildschirm unbewusst verraten, ob sie sich eher an Äußerlichem oder Örtlichem orientieren. Sollten sie nach einer Auswahl von bunt verteilten bunten Quadraten ein zuvor nicht Gesehenes auszuwählen, schnitten beide gleich gut ab. Galt es aber, nach einer Sammlung weißer Quadrate aus einem anschließend präsentierten Pärchen jenes herausfischen, das an einer vorher nicht besetzten Position aufleuchtete, mussten sich die Frauen geschlagen geben: Die Männer waren darin zwar auch nur genauso gut wie bei der Aufgabe davor, aber übertrumpften damit die Damen bei weitem [4]. Merkwürdig. Wieso fragt Mann dann häufiger, wo er Sprösslings Lieblingsschokolade im Laden findet? Fraulich verfälschte Wahrnehmung?
Oder ein Aufmerksamkeitsdefizit? Das zumindest diskutieren Jones und Healy angesichts der Ergebnisses des nächsten Experiments. Diesmal hatten sie den Freiwilligen wieder bunte Bildchen, nun aber in gut sichtbarem Raster, präsentiert – erst eine Sammlung, dann wieder Pause, dann das Pärchen. Nun sollten die Teilnehmer jenes Quadrat benennen, das sowohl neu vom Motiv als auch neu von der Position war. Gemeinerweise war diese Bedingung aber in jedem fünften Fall gar nicht erfüllt: Dann tauchte ein neues Objekt an alter Position oder umgekehrt auf. Während die Männer nun rein zufällig sich entweder an dem neuen Aussehen oder der neuen Örtlichkeit festhielten, klickten die Frauen überdurchschnittlich häufig – daneben. Sie erkannten die neue Position nicht als neu, oder anders gesagt: Ihr Ortsgedächtnis verdiente schlicht die Note mangelhaft.
Es könnte daher ja sein, spekulieren Jones und Healy, dass Frauen Objekteigenschaften leichter abspeichern und ihnen daher mehr Beachtung schenken als Männer, die sich beiden Eigenschaften gleichermaßen widmen. Diese Schieflage würde sich eben darin ausdrücken, dass Männer gleich gut abschneiden, ob sie nun äußere oder räumliche Informationen erinnern müssen. Frauen hingegen verlassen sich stärker auf das Bildliche – und gehen daher im Dreidimensionalen unter. Nur – warum waren sie dann in diesem Experiment nicht besser als ihre männlichen Kollegen, als es um Zuordnung nach Aussehen ging? Hatten sie etwa die Einweisung nicht richtig verstanden? Das wenigstens halten die Forscherinnen für unwahrscheinlich.
Und liefern einen sonst auch äußerst beliebten Erklärungsversuch: Die Hormone sind schuld. Falls nämlich die Frauenfertilitätshypothese zutreffe – schlechtere Orientierung, damit werdende oder seiende Mami hütend zu Hause bleibt –, dürfe man sich nicht wundern, wenn die Studentinnen im besten Gebäralter solch schlechten Leistungen zeigen. Es sei daher an der Zeit, diese Versuche zu wiederholen – mit Frauen quer durch den Menstruationszyklus und breitem Altersquerschnitt. Eines sollten die Forscherinnen dabei aber bekanntermaßen bedenken: Nimmt frau die Pille, bringt das alles durcheinander. Fragen Sie daher doch mal bitte in Ihrem Bekanntenkreis, ob sich das irgendwie auf die fraulichen Orientierungsfähigkeiten im Supermarkt auswirkt?
Ähnlich vielfältig wie die Experimente sind die Erklärungsansätze. Momentan genießt die so genannte Reviergrößenhypothese [1] das deutlichste Wohlwollen in der Wissenschaftlerwelt. Demnach nutzen viele Säugermännchen – auch menschliche – einfach einen größeren Raum zum Herumstreifen, darum können sie sich besser orientieren. Oder umgekehrt: Weil sie sich besser orientieren, durchstreifen sie größere Räume. Denn die Frage ist ja, warum ist dieser Unterschied, der so vielgestaltig untersucht und belegt wird, überhaupt entstanden?
Natürliche Selektion ist natürlich hoch im Kurs. Doch bleibt sie nicht der einzige Erklärungsansatz. Da wären noch zwei weitere zu nennen: So sei es für fortpflanzungsfähige Frauen einfach nicht sonderlich praktisch, eher sogar gänzlich unpassend, sich gut orientieren zu können – vergrößerte dies doch die Gefahr, dass sie sich zu weit von ihrem noch sehr betreuungsintensiven Nachwuchs entfernen. Mama bleibt besser zu Hause, besagt daher diese Frauenfertilitätshypothese [2]. Die Frauenfutterbeschaffungshypothese [3] verfolgt hingegen einen anderen Gedanken: Mag Menschenweibchen auch nicht so prima sein im großen Maßstab – im kleinen ist Muttern nicht zu schlagen. Geht es darum, in Objektsammlungen Veränderungen zu entdecken, sind Frauen topp. Mal im Ernst – wer merkt bei Ihnen eher, dass die Regale im Supermarkt umgeräumt wurden? Na also.
Und weil es schon so vieles zu dem Thema gibt, aber immer noch die unbefriedigend bohrende Frage bleibt, ob denn nun wirklich alles schon berücksichtigt wurde, haben sich Catherine Jones und Susan Healy von der Universität Edinburgh daran gemacht, lieber noch eine Testreihe mit menschlichen Versuchskaninchenweibchen durchzuführen. Und damit sie nicht aus Versehen etwas wiederholen, suchten sie sich ihre Versuchsanleitung bei den Vögeln. Genauer gesagt: Sie wandelten ein Experiment ab, mit dem bei Futter versteckenden Piepmätzen überprüft wird, ob sich die Gesellen eher den Ort eines Objekts oder eine Eigenschaft – also beispielsweise eine Farbe – merken. Nur zur Informationen: Vögel ziehen Lagetechnisches vor.
Nun sollten Männlein und Weiblein am Bildschirm unbewusst verraten, ob sie sich eher an Äußerlichem oder Örtlichem orientieren. Sollten sie nach einer Auswahl von bunt verteilten bunten Quadraten ein zuvor nicht Gesehenes auszuwählen, schnitten beide gleich gut ab. Galt es aber, nach einer Sammlung weißer Quadrate aus einem anschließend präsentierten Pärchen jenes herausfischen, das an einer vorher nicht besetzten Position aufleuchtete, mussten sich die Frauen geschlagen geben: Die Männer waren darin zwar auch nur genauso gut wie bei der Aufgabe davor, aber übertrumpften damit die Damen bei weitem [4]. Merkwürdig. Wieso fragt Mann dann häufiger, wo er Sprösslings Lieblingsschokolade im Laden findet? Fraulich verfälschte Wahrnehmung?
Oder ein Aufmerksamkeitsdefizit? Das zumindest diskutieren Jones und Healy angesichts der Ergebnisses des nächsten Experiments. Diesmal hatten sie den Freiwilligen wieder bunte Bildchen, nun aber in gut sichtbarem Raster, präsentiert – erst eine Sammlung, dann wieder Pause, dann das Pärchen. Nun sollten die Teilnehmer jenes Quadrat benennen, das sowohl neu vom Motiv als auch neu von der Position war. Gemeinerweise war diese Bedingung aber in jedem fünften Fall gar nicht erfüllt: Dann tauchte ein neues Objekt an alter Position oder umgekehrt auf. Während die Männer nun rein zufällig sich entweder an dem neuen Aussehen oder der neuen Örtlichkeit festhielten, klickten die Frauen überdurchschnittlich häufig – daneben. Sie erkannten die neue Position nicht als neu, oder anders gesagt: Ihr Ortsgedächtnis verdiente schlicht die Note mangelhaft.
Es könnte daher ja sein, spekulieren Jones und Healy, dass Frauen Objekteigenschaften leichter abspeichern und ihnen daher mehr Beachtung schenken als Männer, die sich beiden Eigenschaften gleichermaßen widmen. Diese Schieflage würde sich eben darin ausdrücken, dass Männer gleich gut abschneiden, ob sie nun äußere oder räumliche Informationen erinnern müssen. Frauen hingegen verlassen sich stärker auf das Bildliche – und gehen daher im Dreidimensionalen unter. Nur – warum waren sie dann in diesem Experiment nicht besser als ihre männlichen Kollegen, als es um Zuordnung nach Aussehen ging? Hatten sie etwa die Einweisung nicht richtig verstanden? Das wenigstens halten die Forscherinnen für unwahrscheinlich.
Und liefern einen sonst auch äußerst beliebten Erklärungsversuch: Die Hormone sind schuld. Falls nämlich die Frauenfertilitätshypothese zutreffe – schlechtere Orientierung, damit werdende oder seiende Mami hütend zu Hause bleibt –, dürfe man sich nicht wundern, wenn die Studentinnen im besten Gebäralter solch schlechten Leistungen zeigen. Es sei daher an der Zeit, diese Versuche zu wiederholen – mit Frauen quer durch den Menstruationszyklus und breitem Altersquerschnitt. Eines sollten die Forscherinnen dabei aber bekanntermaßen bedenken: Nimmt frau die Pille, bringt das alles durcheinander. Fragen Sie daher doch mal bitte in Ihrem Bekanntenkreis, ob sich das irgendwie auf die fraulichen Orientierungsfähigkeiten im Supermarkt auswirkt?
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