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News: Junge Nachbarschaft?

Eigentlich deutet ein geringer Gehalt an schweren Elementen jenseits von Helium auf ein vergleichsweise junges Objekt hin, das in der Regel nur weit draußen im All zu finden ist. Doch jetzt fanden Forscher acht metallarme Galaxien in unserer Nachbarschaft.
Metallarme Galaxie
Nach dem Urknall vor etwa 14 Milliarden Jahren bestand das Universum zunächst nur aus den Elementen Wasserstoff und Helium. Alle schwereren Elemente, von den Astronomen als Metalle bezeichnet, wurden erst später im heißen Inneren neu entstandener Sterne erbrütet. In den Galaxien entstanden so Generation um Generation Sterne aus interstellarer Materie, und die Sterne ihrerseits gaben am Ende ihres Lebens die von ihnen erzeugten Metalle wieder an das interstellare Medium ab – ein ewiger Kreislauf. Mit der Zeit nahm dadurch der Metallgehalt der Galaxien kontinuierlich zu.

Demnach sollten die jüngsten aller Galaxien auch den geringsten Gehalt an Metallen aufweisen. Wissenschaftler erwarteten deshalb, metallarme Galaxien (Extremely Metal Poor Galaxies, XMPGs) nur in extrem großer Entfernung zu finden, dort, wo wir sie aufgrund der endlichen Lichtgeschwindigkeit in einer frühen Entwicklungsphase des Universums beobachten können.

Ein internationales Forscherteam unter Leitung von Alexei Kniazev und Eva Grebel vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg hat sich auf die Suche nach solchen XMPGs gemacht. Die Forscher nutzen dazu den Sloan Digital Sky Survey (SDSS), das derzeit größte Projekt zur systematischen Durchmusterung und Katalogisierung des Sternenhimmels. Die große vom SDSS durchmusterte Fläche, ein Viertel des gesamten Nordhimmels, seine hohe Empfindlichkeit und die gleichmäßige Qualität der gesammelten Daten waren optimale Voraussetzung für die Suche nach diesen seltenen Objekten. In mehr als 250 000 Galaxien prüften die Wissenschaftler den Metallgehalt der leuchtenden interstellaren Materie. Dabei fanden sie zu ihrer Überraschung in der nahen Umgebung unseres Milchstraßensystems insgesamt acht Galaxien, deren Metallgehalt nur ein Zwanzigstel des Metallanteils der Sonne beträgt.

Bereits vor 30 Jahren vermuteten Wissenschaftler, dass sich mit der Suche nach XMPGs junge Galaxien in unserer Nachbarschaft nachweisen lassen. So führten Leonard Searle und Wallace Sargent Anfang der siebziger Jahre die erste Himmelsdurchmusterung nach diesen Objekten durch. Doch offenbar reichte erst die Genauigkeit der neuen Durchmusterung im Rahmen des SDSS zum Nachweis der jungen Nachbarn. Und die Wissenschaftler sind optimistisch, dass das erst der Anfang war: Hochgerechnet auf die Fläche, die künftig vom SDSS erschlossen werden soll, sei mindestens mit 20 weiteren XMPGs zu rechnen.

Überraschenderweise befinden sich die jetzt gefundenen XMPGs relativ nahe zu unserem Milchstraßensystem, sodass sie sich praktisch in ihrem gegenwärtigen Zustand beobachten lassen. "Könnten diese nahen Galaxien erst kürzlich entstanden sein?", fragt sich deshalb auch Kniazev. Während normale Galaxien, wie unser Milchstraßensystem, etwa 13 Milliarden Jahre alt sind, dürften die metallarmen Systeme nicht mehr als einige hundert Millionen bis maximal eine Milliarde Jahre alt sein. "Allerdings muss ein geringer Metallgehalt der Galaxien noch nicht zwingend auch ein junges Alter bedeuten", erklärt Kniazev.

Heute geht man davon aus, dass es zwei Typen von extrem metallarmen Galaxien gibt. Zum einen Typ gehören die blauen kompakten Galaxien, kleine isolierte Systeme, die gegenwärtig eine Phase starker Sternbildung durchlaufen. Zur anderen Kategorie gehören Scheibengalaxien, irreguläre Galaxien und irreguläre Zwerggalaxien. Die neuen Forschungsergebnisse werfen jetzt eine Reihe von Fragen auf, denn die meisten Galaxien bildeten sich vor etlichen Milliarden Jahren: Kann es also sein, dass vielleicht ein Bruchteil der Galaxien erst heute entsteht? Kann es sein, dass in einigen der ursprünglichen Wolken aus Wasserstoff und Helium die allererste Sterngeneration erst kürzlich entwickelt hat?

Eva Grebel vermutet, einige der neu entdeckten Objekte könnten einen wesentlichen Teil ihrer Metalle verloren haben. So könnten Winde, die bei starker Sternbildungsaktivität ausgelöst werden, die schweren Elemente aus dem interstellaren Medium der Galaxien förmlich herausgeblasen haben. Oder aber diese Galaxien entwickeln sich so langsam, also mit extrem niedriger Sternentstehungsrate, dass ihr Metallgehalt deshalb so gering ist. Inzwischen weiß man von einigen der schon früher bekannten XMPGs, dass es sich dabei um alte Galaxien handelt, die sich nur sehr langsam entwickeln. Andere wiederum durchlaufen gerade eine heftige Sternentstehungsphase.

Eine andere Frage ist, wie sich die XMPGs unter "normalen" Galaxien verteilen. "Wir gehen davon aus, dass sich XMPGs in einer isolierten Umgebung befinden", sagt dazu Lei Hao vom Princeton University Observatory. "Nun ist zu prüfen, ob das auch für die neu entdeckten Objekte der Fall ist." Dazu müssen einerseits einige dieser Objekte im Detail untersucht werden. Andererseits gilt es, ihre Eigenschaften als Gruppe zu bestimmen und die ganze Bandbreite der in Galaxien vorkommenden Metall-Konzentrationen auszuloten. Das war bisher nicht möglich, weil die einzelnen Objekte eher zufällig gefunden wurden. "Die systematische Untersuchung der XMPGs wird deshalb auch zu einem tieferen Verständnis der Galaxienbildung insgesamt führen," vermutet Kuniazev.

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