Sternentwicklung: Junge Supernova explodierte asymmetrisch
Im Sternbild Schütze ereignete sich vor rund 100 Jahren eine Supernova-Explosion, die eine chemisch sehr inhomogene Explosionswolke zurückließ. Ein Forscherteam um Kazimierz J. Borkowski von der North Carolina State University in Rayleigh untersuchte den rund 28 000 Lichtjahre von uns entfernten Supernova-Überrest mit dem Röntgensatelliten Chandra, um mehr über die Vorgänge bei dieser Sternexplosion zu erfahren. Die Wissenschaftler stellten fest, dass chemische Elemente wie Silizium, Schwefel und Eisen sehr unregelmäßig in der Explosionswolke verteilt sind. Ein derartiger Aufbau wirft ein Schlaglicht auf die in Supernovae ablaufenden Prozesse.
Die Astronomen gehen davon aus, dass im Fall von G1.9+0.3, so die Katalogbezeichnung, ein Weißer Zwerg explodierte – der kompakte ausgebrannte Überrest eines Sterns mäßiger Masse. Weiße Zwerge sind etwa so groß wie die Erde, sie können aber bis zum 1,4-Fachen der Masse unserer Sonne enthalten. Überschreitet die Masse eines Weißen Zwergs einen kritischen Grenzwert – etwa, indem er Materie von einem Begleitstern zu sich herüberzieht –, dann verpufft er in einer thermonuklearen Explosion. Die meisten dieser "Typ-Ia-Supernovae" erfolgen mehr oder weniger symmetrisch, wobei der Weiße Zwerg restlos zerstört und seine Masse als heißes Gas im Umfeld verstreut wird.
Die Explosionswolke von G1.9+0.3 dehnt sich heute mit rund 18 000 Kilometern pro Sekunde aus und weist einen Durchmesser von rund 17 Lichtjahren auf. Der größte Teil der vom Satelliten Chandra aufgefangenen Strahlung entsteht durch den Synchrotronmechanismus: Schnelle Elektronen werden im Magnetfeld des Supernova-Überrests abgebremst und senden dabei Röntgenlicht aus.
Chandra konnte aber auch charakteristische Röntgenstrahlung nachweisen, die von spezifischen chemischen Elementen freigesetzt wird. Dabei zeigte sich, dass diese in sehr unterschiedlichen Konzentrationen in der Explosionswolke verteilt sind. In ihren nördlichen Gebieten tritt unter anderem überwiegend Eisen auf, während in anderen Regionen Silizium und Schwefel vorherrschen.
Interessanterweise befindet sich Eisen am äußeren Rand der Wolke. Die Astronomen erwarten jedoch, dass sich dieses schwere Element bei der Explosion tief im Inneren des Sterns bildet. Es sollte sich eigentlich nach der Explosion mit geringerer Geschwindigkeit ausbreiten und eher den leichteren Elementen in der äußeren Explosionshülle hinterherlaufen.
Die Forscher vermuten, dass im Inneren des Weißen Zwergs eine "verzögerte Detonation" stattfand: Zunächst breitete sich im explodierenden Sternrest eine Reaktionsfront mit mäßig hoher Geschwindigkeit aus, durch die Eisen und ähnlich schwere Elemente durch Kernfusion entstanden. Die dabei frei werdende Energie heizte den Weißen Zwerg stark auf, so dass er sich ausdehnte. Somit änderte sich seine Dichte, und andere, noch schnellere Kernfusionsreaktionen setzten ein. Sie breiteten sich rasend schnell aus und sprengten durch die dabei freigesetzte Energie den Weißen Zwerg völlig auseinander. Offenbar liefen aber diese Vorgänge nicht geordnet in konzentrischen Schichten ab, sondern asymmetrisch, was sich heute in der variablen Zusammensetzung der Explosionswolke niederschlägt. Außerdem erwarten die Forscher um Borkowski, dass sich die verschiedenen Bereiche von G1.9+0.3 mit sehr unterschiedlichen Geschwindigkeiten ausdehnen müssten. Nachfolgende Beobachtungen des Supernova-Überrests im Röntgen- und Radiowellenbereich im Abstand von mehreren Jahren sollten hierüber Auskunft geben.
G1.9+0.3 lässt sich nur im Radiowellenbereich und im Röntgenlicht beobachten. Im sichtbaren Licht und im nahen Infraroten blockieren dichte Wolken aus Gas und Staub jeglichen Blick auf die Explosionswolke. Die Wolken verhinderten auch, dass um das Jahr 1900 die Supernova als heller Stern am Himmel aufleuchtete. Somit fielen ihre Überreste erst im Jahr 1985 bei Beobachtungen im Radiowellenbereich als helle Quelle auf. G1.9+03 ist der jüngste derzeit bekannte Supernova-Überrest in unserem Milchstraßensystem. Die letzten mit bloßem Auge sichtbaren Supernova-Explosionen in unserer Galaxis wurden vor rund 400 Jahren gesichtet.
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