Jungsteinzeit: Bretonische Sitten im Vordertaunus
Archäologen des Römisch-Germanischen Zentralmuseums in Mainz vermelden den Fund eines für Deutschland einzigartigen Grabhügels aus der Jungsteinzeit. In der Anlage unweit der heutigen Ortschaft Hofheim am Taunus, wenige Kilometer nördlich von Frankfurt am Main, wurde vermutlich eine hochrangige Persönlichkeit bestattet. Das schreibt das Team um Detlef Gronenborn in der Zeitschrift »Antiquity«.
Die Wissenschaftler vermaßen den Höhenrücken des knapp 300 Meter hohen Kapellenbergs mit einem 3-D-Scanner. Erst dadurch wurden die Dimensionen der darauf befindlichen Anlage offenbar: Der Durchmesser des künstlichen Hügels beläuft sich auf 90 Meter, seine heutige Höhe auf sechs Meter.
Das zentrale Grab ist nicht mehr vorhanden, wohl aber Spuren einer früheren Grabung, bei der es zerstört worden sein könnte. Weil diese unbekannten Ausgräber seinerzeit Münzen hinterließen, lässt sich der Eingriff auf die 1890er Jahre datieren. Rund zehn Jahre nach diesem angenommenen Datum seien an den zuständigen Landeskonservator zwei Steinbeilklingen übergeben worden – die eine mehr als 15 Zentimeter lang, die andere misst zirka 25 Zentimeter. »Es lag also nahe, diese Erkenntnisse miteinander in Bezug zu setzen«, sagt Gronenborn in einer Pressemitteilung. Unter der Annahme, dass Klingen und Grab zusammengehören, lässt sich nun der Hügel auf eine Entstehungszeit zwischen 4500 und 3750 v. Chr. datieren.
Insbesondere eine der beiden Beilklingen erregte das Interesse der Forscher. Sie ist aus Jade »hochprofessionell und in mühsamer Handarbeit« hergestellt worden. Das Material stammte wohl aus den Westalpen. Dass es ein solches Schmuckstück ins Rhein-Main-Gebiet schaffte, deutet im Verbund mit den Ausmaßen des neu entdeckten Grabhügels darauf hin, dass hier einst ein Mensch bestattet wurde, der an der Spitze einer hierarchisch gegliederten Gesellschaft stand.
Dass der Kapellenberg ein Zentrum der jungsteinzeitlichen Besiedlung darstellte, war schon länger bekannt. So finden sich dort, neben weiteren kleinen Grabhügeln, auch Befestigungsanlagen. Das Wallsystem sei heute noch gut im Gelände erkennbar, so die Archäologen. Die Siedlung habe zwischen 3750 und 3650 v. Chr. vermutlich etwa 900 Menschen ein Heim gegeben.
Kulturell verweisen die neuen Funde nach Frankreich, ins Pariser Becken und speziell bis in die Bretagne. Vergleichbare Grabmonumente aus dieser Zeit gibt es heutzutage nur noch in der Region um den für seine Steinreihen berühmten bretonischen Ort Carnac. Es sei daher möglich, dass die damalige Bevölkerung aus Frankreich eingewandert ist, schreiben die Forscher in der Pressemitteilung des Mainzer Forschungsinstituts.
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