Direkt zum Inhalt

News: Kalorienreiches Wahlverhalten

Nicht selten endet der Kampf um die schlanke Linie erfolglos: Auch nach zahllosen Abmagerungskuren und vielversprechenden Diätmitteln bleibt die erhoffte Traumfigur bei den meisten Übergewichtigen aus. Möglicherweise ist die Fettleibigkeit jedoch hausgemacht: Zumindest vor die Wahl gestellte Ratten ernährten sich nicht ausgewogen, sondern langten bei den Extraportionen von Fetten oder Kohlenhydraten kräftig zu - und brachten schließlich einige Pfunde mehr auf die Waage als ihre gesund lebenden Artgenossen.
Nach wie vor floriert das Geschäft mit Diätbüchern und anderen angeblich gewichtsreduzierenden Heilmitteln, die überschüssigen Fettpolstern den Garaus machen sollen. Kein Wunder, denn viele Einwohner Deutschlands und anderer Industrienationen leiden an Überernährung oder Fettleibigkeit und möchten aus Rücksicht auf ihre Gesundheit und ihr Aussehen Kilo für Kilo abnehmen. Allerdings stellt sich trotz penibler Kalorienbuchhaltung und unzähliger Modediäten das ersehnte Idealgewicht oftmals einfach nicht ein.

Lange Zeit gingen Wissenschaftler davon aus, dass allen Tieren – einschließlich dem Menschen – die natürliche Fähigkeit innewohnt, eine ausgewogene Nahrungsaufnahme zu betreiben, die alle lebensnotwendigen Mineralien enthält und auf die jeweilige Umgebung maßgeschneidert ist. Diese angeborene "Ernährungsweisheit" legten zumindest Studien nahe, bei denen die Versuchstiere ihren Speiseplan aus jeweils einem Napf gefüllt mit einem bestimmten Nährstoff selbst zusammenstellen konnten.

Doch nun belehrte Michael Tordoff vom Monell Chemical Senses Center seine Kollegen eines Besseren, indem er nachwies, dass die Nahrungsaufnahme bei Nagetieren in entscheidendem Maße vom Angebot an gesundem oder ungesundem Futter abhängt. In einem ersten Versuch stellte der Forscher seinen Testtieren verschiedene Nahrungsquellen zur Verfügung: So fanden dreißig Ratten jeweils einzelne Näpfe mit Kohlenhydraten, Fetten und Proteinen vor, während einige Nager neben diesem Standardprogramm Extraportionen der Nährstoffe erhielten.

Allerdings musste der Wissenschaftler den Versuch nach acht Tagen beenden, weil die Hälfte jener Ratten mit einer zusätzlichen Kohlenhydrat- oder Fettration lebensbedrohliche Mangelerscheinungen aufwiesen: Obwohl die Tiere in ihrem Käfigen Proteine in ausreichendem Maße vorfanden, hatten sie deren Aufnahme schlichtweg vernachlässigt. Und auch jene Nager, die zuvor angemessene Mengen an Eiweißen konsumiert hatten, bevorzugten bei einem Zusatzangebot an Kohlenhydraten oder Fetten jene Nährstoffe auf Kosten einer ausgewogenen Ernährungsweise.

In einem weiteren Experiment untersuchte Tordoff, wie Nagetiere auf ein manipuliertes Angebot von Zuckerlösung reagieren. Über einen Zeitraum von 35 Tagen sahen sich einige weibliche Ratten nur mit einer Flasche Wasser konfrontiert, während ihre Artgenossinnen entweder fünf Flaschen Wasser und eine Flasche mit 32-prozentiger Zuckerlösung oder umgekehrt eine Flasche Wasser und fünf Flaschen Saccharoselösung erhielten. Wie sich herausstellte, nahmen jene Versuchstiere mit der fünffachen Zuckerration signifikant mehr Saccharose auf als die Nager, die lediglich Zugang zu der einfachen Menge hatten.

Gleichzeitig schränkten die Ratten mit der höchsten Saccharosezuteilung die Aufnahme anderer Nährstoffe ein, infolge ihres hohen Zuckerkonsums legten sie jedoch mehr an Gewicht zu: Nach 33 Tagen zeigten die Tiere der Kontrollgruppe, die nur Wasser tranken, die geringste Fettzunahme, während der Fettzuwachs der übrigen Nagetiere mit der verfügbaren Menge an Zuckerlösung in Zusammenhang stand. Wie die Ergebnisse nahelegen, entscheiden sich Ratten zu einer verstärkten Aufnahme eines Nährstoffes, je mehr Quellen ihnen zugänglich sind.

Demnach wirkt sich das Nahrungsangebot derart entscheidend auf das Fressverhalten aus, dass es sogar die Kontrollmechanismen einer gesunden Nahrungsaufnahme aushebelt. Möglicherweise liefert diese Studie auch ein Erklärungsmodell für die menschliche Fettsucht: Anstelle die Schuldigen des Übergewichts nur in der genetischen Ausstattung oder hormonellen Unterschieden zu suchen, ist die Verfügbarkeit ungesunder Nahrung vielleicht auch ein Schlüssel zum Verständnis der Fettleibigkeit.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.