Teilchenphysik: Kalte Antimaterie heiß getrennt
Wozu braucht die Menschheit Antimaterie - abgesehen vom Warp-Antrieb, tödlichen Waffen und anderem Sciencefiction-Equipment? Sie will damit ernsthaft testen, ob die Welt im Kleinsten tatsächlich so aufgebaut ist, wie die aktuellen Modelle es behaupten. Doch dafür braucht man extrem kalte Anti-Atome.
Mit Antimaterie zu experimentieren ist aufwändig. Im Gegensatz zu Chemikalien, Bakterien oder Viren kann man Anti-Protonen und Positronen weder per Spezialkatalog bestellen, noch bequem in Döschen und Röhrchen verwahren oder gar mit einer Spedition verschicken. Nein, wer Antimaterie erforschen will, der muss direkt an den Produktionsort kommen und sich jeden Handgriff im Voraus sorgfältig überlegen, sonst ist das kostbare Gut verpufft, bevor es die Fragen des neugierigen Wissenschaftlers beantwortet hat.
Im Vakuum eines Teilchen-Entschleunigers drehen die Antiprotonen Runde um Runde und werden mit magnetischen und elektrischen Kräften langsam abgebremst. Schließlich ist ihre Geschwindigkeit nach einigen weiteren Tricks so gering, dass sie in einer elektromagnetischen Falle eingefangen werden können. Nun fügen die Wissenschaftler noch genügend Positronen hinzu – und fertig ist der Anti-Wasserstoff "Made in Switzerland", hergestellt in der "Antimaterie-Fabrik" am CERN.
Die Produktion des Anti-Wasserstoffs ist dem internationalen Forscherteam unter der Leitung von Gerald Gabrielse von der Harvard-Universität bereits im Jahr 2002 gelungen. Etwa 170 000 Exemplare sind damals nach Schätzungen entstanden. Ohne Zweifel eine wissenschaftliche Meisterleistung, doch die Synthese der Antimaterie ist nicht der eigentliche Zweck ihrer Arbeit. Den Physikern geht es vielmehr darum, die Natur im Kleinsten zu verstehen – und dazu gehört die Frage, ob das Standard-Modell der Teilchenphysik die Welt korrekt beschreibt. Sollte dies der Fall sein, dann müssten Materie und Antimaterie sich völlig gleich verhalten, abgesehen von den vertauschten Ladungsvorzeichen natürlich.
Diese Voraussage bezeichnen Wissenschaftler als CPT-Symmetrie. Sie besagt, dass die Gesetze der Physik auch dann gültig bleiben, wenn sich die Ladung (Charge) der Teilchen, die Anordnung der Raumrichtungen (Parity, grob vergleichbar mit einem Wechsel vom Original zum Spiegelbild) und die Richtung der Zeit (Time) ändern.
In letzter Zeit hatten Beobachtungen des Zerfalls exotischer Teilchen Zweifel an der Gültigkeit der CPT-Symmetrie aufkommen lassen. Ein eleganter und direkter Weg, den Widerspruch zu klären, wäre die Vermessung von Antimaterie, bei der die Ladungszeichen umgekehrt sind. Nur braucht man dafür kalte Anti-Atome, die sich im energetischen Grundzustand befinden und gezielt mit Laserlicht angeregt und durchgetestet werden können. Doch leider wusste bislang niemand, wie viel Energie der Anti-Wasserstoff des CERN noch in sich birgt.
Genau dieses Problem können die Physiker um Gabrielse womöglich bald lösen. Sie haben jetzt eine Art Filter für Antimaterie entwickelt. Dabei handelt es sich um ein oszillierendes elektrisches Feld, das nur Anti-Wasserstoffatome durchlässt, die ausreichend Energie mitbringen. Atome, die zu langsam sind, werden stattdessen ionisiert und gelangen nicht bis zum Detektor. Bei rund 200 Millielektronenvolt lag die Energie der gemessenen Teilchen – womit sie etwa zwanzigmal schneller waren als die Antiprotonen, aus denen sie gemacht wurden. Vielleicht haben die Forscher in ihrem Versuch aber auch vor allem jene Anti-Atome erwischt, die noch nicht richtig abgekühlt waren – neue Methoden können eben ihre Tücken haben.
Das fertig verpackte und genormte Atom aus Antimaterie gibt es mit diesen Experimenten noch nicht. Aber so langsam bekommen die Physiker ihre widerspenstigen Objekte in den Griff. Und wenn die uns schon nicht zu den Sternen bringen, so werden sie uns hoffentlich verraten, an welchen Ecken und Enden der Theorien die Wissenschaft noch zu basteln hat, damit wir etwas besser wissen, wie es ist, was ist.
So beginnt also jeder Versuch mit der Synthese von Antimaterie aus Materie und mächtig viel Energie: In riesigen Teilchenbeschleunigern wird Materie, beispielsweise Protonen, auf ein ungeheures Tempo bis knapp an die Lichtgeschwindigkeit gebracht und dann in einen Metallblock geschossen. Bei dem Aufprall wird praktisch die ganze angesammelte Energie plötzlich in einem extrem kleinen Volumen freigesetzt – und ruft physikalische Prozesse hervor, die es in unserem Alltag gar nicht gibt. Es entstehen Materie-Antimaterie-Paare aus Protonen und Antiprotonen, die in alle Richtungen davon spritzen und nur mit starken magnetischen Feldern einigermaßen unter Kontrolle zu kriegen sind.
Im Vakuum eines Teilchen-Entschleunigers drehen die Antiprotonen Runde um Runde und werden mit magnetischen und elektrischen Kräften langsam abgebremst. Schließlich ist ihre Geschwindigkeit nach einigen weiteren Tricks so gering, dass sie in einer elektromagnetischen Falle eingefangen werden können. Nun fügen die Wissenschaftler noch genügend Positronen hinzu – und fertig ist der Anti-Wasserstoff "Made in Switzerland", hergestellt in der "Antimaterie-Fabrik" am CERN.
Die Produktion des Anti-Wasserstoffs ist dem internationalen Forscherteam unter der Leitung von Gerald Gabrielse von der Harvard-Universität bereits im Jahr 2002 gelungen. Etwa 170 000 Exemplare sind damals nach Schätzungen entstanden. Ohne Zweifel eine wissenschaftliche Meisterleistung, doch die Synthese der Antimaterie ist nicht der eigentliche Zweck ihrer Arbeit. Den Physikern geht es vielmehr darum, die Natur im Kleinsten zu verstehen – und dazu gehört die Frage, ob das Standard-Modell der Teilchenphysik die Welt korrekt beschreibt. Sollte dies der Fall sein, dann müssten Materie und Antimaterie sich völlig gleich verhalten, abgesehen von den vertauschten Ladungsvorzeichen natürlich.
Diese Voraussage bezeichnen Wissenschaftler als CPT-Symmetrie. Sie besagt, dass die Gesetze der Physik auch dann gültig bleiben, wenn sich die Ladung (Charge) der Teilchen, die Anordnung der Raumrichtungen (Parity, grob vergleichbar mit einem Wechsel vom Original zum Spiegelbild) und die Richtung der Zeit (Time) ändern.
In letzter Zeit hatten Beobachtungen des Zerfalls exotischer Teilchen Zweifel an der Gültigkeit der CPT-Symmetrie aufkommen lassen. Ein eleganter und direkter Weg, den Widerspruch zu klären, wäre die Vermessung von Antimaterie, bei der die Ladungszeichen umgekehrt sind. Nur braucht man dafür kalte Anti-Atome, die sich im energetischen Grundzustand befinden und gezielt mit Laserlicht angeregt und durchgetestet werden können. Doch leider wusste bislang niemand, wie viel Energie der Anti-Wasserstoff des CERN noch in sich birgt.
Genau dieses Problem können die Physiker um Gabrielse womöglich bald lösen. Sie haben jetzt eine Art Filter für Antimaterie entwickelt. Dabei handelt es sich um ein oszillierendes elektrisches Feld, das nur Anti-Wasserstoffatome durchlässt, die ausreichend Energie mitbringen. Atome, die zu langsam sind, werden stattdessen ionisiert und gelangen nicht bis zum Detektor. Bei rund 200 Millielektronenvolt lag die Energie der gemessenen Teilchen – womit sie etwa zwanzigmal schneller waren als die Antiprotonen, aus denen sie gemacht wurden. Vielleicht haben die Forscher in ihrem Versuch aber auch vor allem jene Anti-Atome erwischt, die noch nicht richtig abgekühlt waren – neue Methoden können eben ihre Tücken haben.
Das fertig verpackte und genormte Atom aus Antimaterie gibt es mit diesen Experimenten noch nicht. Aber so langsam bekommen die Physiker ihre widerspenstigen Objekte in den Griff. Und wenn die uns schon nicht zu den Sternen bringen, so werden sie uns hoffentlich verraten, an welchen Ecken und Enden der Theorien die Wissenschaft noch zu basteln hat, damit wir etwas besser wissen, wie es ist, was ist.
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