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Wetter: Der April ist kalt, wie er will

Richtige Frühlingsgefühle wollen sich in vielen Teilen Deutschlands noch nicht recht einstellen. Der April brachte Frost und Schnee – zum Leid der Obstbauern.
Apfelblüte im Schnee

Rückschläge sind normal, im Frühling wie im Leben, Schnee und Kälte eher die Regel als die Ausnahme. Aber der Frühling 2021 übertrieb es bislang mit seiner Vorliebe für frostige Abstürze, in regelmäßigen Abständen flutete Polarluft den pandemiemüden Kontinent: Lockdown und »Flockdown« sind ständige Begleiter. Und erstmals seit Jahrzehnten wird der April im Durchschnitt deutlich zu kalt ausfallen. Daran werden auch die letzten Tage des Monats nichts mehr ändern.

Das Jahr 2021 hat einen April hervorgebracht, wie man ihn früher kannte: launisch und unbeherrscht. Er kann sich wie ein warmer Juni anfühlen und schon kurze Zeit später wie ein grimmiger Februar. Typisches Aprilwetter eben. Aktuell beträgt die Durchschnittstemperatur 5,1 Grad, und damit ist der Frühlingsmonat fast vier Grad kälter verglichen mit der neuen Referenzperiode von 1991 bis 2020. Selbst im Bezug zum Mittel der Jahre von 1961 bis 1990 liegt die Temperatur um 2,3 Grad Celsius niedriger. Eine solche negative Monatsabweichung gab es zuletzt vor knapp zehn Jahren. Wäre jetzt Monatsende, hätten wir den kältesten April seit 1973 hinter uns.

Die kalte Luft flutete große Teile Europas bis an die Südspitze Italiens und nach Kreta. Gleichzeitig war es weiter östlich in Teilen Russlands deutlich zu warm für die Jahreszeit. Verursacht wurden die Kaltlufteinbrüche durch eine besondere Wetterkonstellation. Einem starken Hoch südlich von Island stand ein kräftiges Tief über Skandinavien gegenüber. Während sich das Hoch im Uhrzeigersinn dreht, bewegen sich die Luftmassen im Tief in die Gegenrichtung. Zusammen leiteten sie folglich in einer intensiven Nordwestströmung arktische Luft weit nach Süden. In einer Art Ausgleichsbewegung strömte dagegen warme Luft über Russland bis in die Arktis: Hier lagen die Temperaturen weit über dem Schnitt der vergangenen Jahre.

Typisch für die letzten Jahre wiederholten sich eingeschliffene Wetterkonstellationen: Auf kurze Milderungen folgten die nächsten Rückschläge. Wetterdaten zeigten, dass der Jetstream über Skandinavien und Mitteleuropa weit nach Süden ausbuchtete, während er ostwärts davon stark nach Norden auswich. Diese Wellen bewegten sich nur wenig ostwärts beziehungsweise stellten sich immer wieder ortstreu neu ein.

Kein Gegenbeweis zum Klimawandel

Die Kälte nutzten Leugner des Klimawandels in den sozialen Medien, um sogar den kältesten April seit 1929 auszurufen, den bislang tiefsten Wert der 140 Jahre währenden Wetterreihe mit 4,5 Grad Celsius. Damit wollen sie die Erderwärmung widerlegen. Allerdings ist dieser Vergleich weder richtig noch lässt sich mit einem unterkühlten Monat der langjährige Erwärmungstrend seriös bestreiten. Wegen einiger wärmerer Tage zum Monatsende wird dieser April mit einem Wert um etwa sechs Grad Celsius abschneiden. Damit handelt es sich immerhin um den kältesten April seit 40 Jahren.

Die Folgen dieser Kältewelle zeigen sich vor allem in Frankreich: Dort rechnen die Behörden mit den schwersten Ernteeinbußen seit 30 Jahren, in manchen Regionen drohen Totalausfälle. Betroffen sind Winzer und Obstbauern, aber auch Bauern, die Feldfrüchte wie Zuckerrüben und Weizen anbauen. Nach einem Sommergastspiel Ende März rutschte das Thermometer Anfang April unter den Gefrierpunkt, verbreitet herrschte mäßiger Frost, selbst im Flachland. In Deutschland wurde es zwar ähnlich kalt, allerdings war die Vegetation noch nicht so weit wie im Nachbarland.

Dennoch drohen vor allem im Südwesten Ernteschäden bei Frühblühern wie Zwetschgen- oder Pfirsichbäumen. Das wahre Ausmaß möglicher Frostschäden lasse sich derzeit noch nicht überblicken, teilte der Deutsche Bauernverband auf Anfrage mit.

Vereiste Blüten | Wenn Frost droht, besprühen Obstbauern großflächig ihre Bäume, um die Blüten zu schützen. Schon wenige Grad Celsius unter null zerstören die empfindlichen Blüten, wenn keine Gegenmaßnahmen eingeleitet werden.

Sicher ist nur, dass die Einbußen nicht so schwer wiegend ausfallen wir vor vier Jahren. Den April 2017 haben die Bauern nicht vergessen. Er gilt als Referenz für ein extremes Schadereignis, das Bauern und Gärtner unter der Horrorvokabel Spätfrost kennen und fürchten. Damals rückte zum Monatsende arktische Kälte heran und ließ das Thermometer in den Frostbereich stürzen. Solche Winterrückschläge kommen zwar seit Jahrhunderten vor, allerdings fiel damals der Absturz heftig aus: Die Natur war bereits sehr weit, der extreme Spätfrost folgte auf den wärmsten März seit Aufzeichnungsbeginn.

Wetterextreme machen Bauern zu schaffen

Diese Entwicklung stellt die Bauern vor ein großes Problem, denn ausgerechnet die Erderwärmung vergrößert die Spätfrostgefahr: Der Frühling wird wärmer, die Bäume schlagen zeitiger aus, doch da späte Frostperioden selbst in Zeiten des Klimawandels nicht ausbleiben, steigt das Risiko eines großflächigen Blütensterbens. Für die Apfelblüte haben Berliner Klimaforscher diesen Effekt in einer Studie für Deutschland bereits nachgewiesen. Doch nicht immer ist der Klimawandel schuld am frühen Austrieb: Mit Folien beschleunigen die Bauern das Wachstum im Frühjahr absichtlich und erhöhen damit das Risiko von Spätfrösten zusätzlich.

Abgesehen davon beschäftigt sich eine ganze Branche mit einer anderen Frage: Lässt sich gegen die späte Kälte denn überhaupt nichts ausrichten? In Frankreich kämpften die Winzer mit Paraffinwachs gegen die ungewöhnliche Kälte. Sie erhofften sich von der Wärme der Kerzen eine Abschwächung des Frosts in den Rebreihen. Auch an Verzweiflungstaten in landwirtschaftlichen Anlagen mangelt es im Frühjahr jedenfalls nicht; mancher Bauer hatte in den vergangenen Jahren sogar Misthaufen oder Autoreifen angezündet, um junge Triebe vor dem Erfrieren zu retten.

Feuer gegen Eis | Im Weinbau versuchen Winzer, mit speziellen Kerzen oder Feuern Frostschäden zu verhindern. Das ist allerdings ein teures und nicht immer erfolgreiches Verfahren.

Als Präventivmaßnahmen taugen solche Aktionen eher nicht, grundsätzlich ist das Wissen über wirksamen Frostschutz in der Landwirtschaft ziemlich dürftig. Als einer der wenigen weltweit hat sich der Önologe Markus Müller von der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau in Veitshöchheim bei Würzburg mit der Prävention von Spätfrostschäden beschäftigt. Er untersuchte die unterschiedlichen Verfahren systematisch im Weinberg und fand mehrere Erfolg versprechende Ansätze, darunter hauptsächlich die Zufuhr von Wärme, die Umwälzung der Luftschichten und die bekannte Frostberegnung.

Die Wärmezufuhr mittels Kerzen kann tatsächlich den Frost abschwächen, stellte Müller fest, und zwar um anderthalb Grad Celsius. Allerdings bedarf es zirka 200 bis 300 Kerzen pro Hektar, was auf dieser Fläche mit etwa 2000 Euro zu Buche schlägt. Auch elektrische Heizdrähte bringen zwar beständig Wärme zu den empfindlichen Trieben und bekämpfen den Frost sehr wirksam, doch stehen Aufwand und Heizkosten nicht unbedingt zum Ertrag. Ebenfalls teuer und nicht klimafreundlich sind mobile Heizer, die Wärme in den Anlagen verströmen. Frostbuster oder Frostguard heißen die bekanntesten, schon in der Anschaffung teuren Maschinen.

Eine direkte Wärmezufuhr hat jedenfalls den Vorteil, bei jeder Wetterlage zu wirken. Das trifft auf die Luftumwälzung nur bedingt zu. Windräder und Hubschrauberrotoren mischen eine wärmere Luftschicht nach unten und können die Temperatur tatsächlich um einige Grad erhöhen. Allerdings funktioniert dieser Trick nur bei windschwachem Strahlungsfrost, wenn kalte Luft ungestört absinken kann, während es mit der Höhe wärmer wird als am Erdboden. Handelt es sich allerdings, wie bei dem markanten Wettersturz am Ostermontag, um einsickernde Höhenkaltluft, bleibt der gewünschte Effekt bei der Luftumwälzung aus, weil es in der Höhe nicht wärmer ist als am Boden.

Jederzeit effektiv ist hingegen die in Deutschland populäre Frostberegnung: Die Bauern berieseln kontinuierlich ihre Plantagen mit Wasser; die beim Gefrieren frei werdende Kristallisationswärme schützt die Blüten effektiv vor Frostschäden. Großer Nachteil ist jedoch der immense Wasserverbrauch, gerade in Zeiten zunehmender Trockenheit. Und das gilt sogar wieder für diesen unterkühlten April. Denn in weiten Teilen der Bundesrepublik fiel auch 2021 wieder zu wenig Regen oder Schnee. Leider unterschied sich der Monat in diesem Zusammenhang nicht von den Vorjahren.

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