Lurche: Kampf dem Killer
Ein radikales Artensterben rast um den Planeten. Seine Opfer: Frösche. Der Täter: ein hoch ansteckender Pilz. Gegenmittel: bislang keines. Nun wissen Forscher immerhin, wie der Erreger tötet.
Der Angriff erfolgt rasch, heimtückisch, und die unvorbereiteten Opfer haben keine Chance zur Gegenwehr. Wenn der Chytridpilz (Batrachochytrium dendrobatidis) zuschlägt, verwüstet er ganze Amphibiengemeinschaften wie 2004 im panamaischen Regenwald von Omar Torrijos Herrara – ein Schlüsselerlebnis für Jamie Voyles. "Die Stille danach hinterließ einen bleibenden Eindruck in mir", erinnert sich die Biologin von der James Cook University im australischen Townsville an ihren Aufenthalt kurz nach Ausbruch der Seuche.
Tod durch Herzinfarkt
Anfänglich stieß diese Erkenntnis auf Skepsis, denn diese Pilze waren nicht bekannt dafür, Wirbeltiere zu töten: Sie sonderten kein Gift ab, befielen keine Organe und drangen nur oberflächlich in die Haut ein. Hier liegt aber auch der Schlüssel zum Verständnis, meint Kevin Smith von der Washington University in St. Louis: "Die Haut besitzt bei Amphibien eine viel wichtigere Funktion als bei anderen Wirbeltieren. Viele Frösche trinken oder atmen darüber und halten damit ihren Elektrolytgehalt im Blut im Gleichgewicht – ähnlich wie die Nieren bei uns Menschen. Wenn die Tiere erkranken, schält sich ihre Haut oft ab."
McDonaldisierung der Lebensgemeinschaften
Die Zeit eilt jedenfalls. "Weltweit vereinheitlichen sich die Froschlebensgemeinschaften, die der Pilz verarmt zurücklässt, so dass überall die gleichen, wenigen Arten übrig bleiben. Wir erleben die McDonaldisierung der Froschwelt", warnt Kevin Smith vor dem Verlust der Artenvielfalt [2]. Zusammen mit Karen Lips von der University of Maryland in College Park und weiteren Kollegen hat er untersucht, wie Batrachochytrium dendrobatidis in Zentralamerika unter den Lurchen aufräumt: "In allen der von uns beobachteten Gebiete verloren wir die Hälfte aller Arten. Wo vor dem Ausbruch der Krankheit im Mittel 45 Spezies heimisch waren, überlebten nach der Plage nur 23."
Ein Schimmer am Horizont?
Immerhin zeichnen sich langsam erste Fortschritte im Kampf gegen den Pilz ab, der womöglich von südafrikanischen Krallenfröschen stammt: Sie wurden weltweit exportiert, weil man sie früher tatsächlich als Schwangerschaftstest verwendete. Behandelt man aber Frösche zum Beispiel mit bestimmten Bakterien, werden sie immun gegenüber der Krankheit, denn die Mikroben sondern eine Substanz namens Violacein ab, das wie ein Fungizid wirkt. Im Labor konnten Forscher um Reid Harris von der James Madison University in Harrisburg Gebirgs-Gelbschenkelfrösche (Rana muscosa) jedenfalls retten, wenn sie diesen vor dem Kontakt mit dem Pilz gezielt die Mikroben verabreichten.
Damals wussten die Herpetologen noch nicht viel darüber, warum der Pilz überhaupt so tödlich ist oder warum er sich so rasch ausbreitet. "Das war eines der größten Geheimnisse der Krankheit", so Voyles, die sich seitdem der Erforschung des Froschkillers widmet. Bereits 1989 wurden Naturschützer und Forscher auf ein mysteriöses Froschsterben aufmerksam, das die Lurche in Australien oder Amerika plagte: Arten, die in einem Jahr noch häufig Urwaldtümpel oder Bäche bevölkerten, waren ein Jahr später schon verschwunden – darunter auch die leuchtend gelbe Goldkröte (Bufo periglenes) aus dem Nebelwald von Monteverde in Costa Rica, die zahlreiche Bücher über den Regenwald zierte.
Lebensraumzerstörung, Chemikalien, erhöhte UV-Strahlung wegen der ausgedünnten Ozonschicht und sogar schon der Klimawandel wurden für diese Verluste verantwortlich gemacht. Doch betrafen die Verluste selbst Arten, die tief in geschützten Regenwäldern unter dem schattigen Blätterdach hausten. Warum ausgerechnet sie ausstarben, blieb rätselhaft – bis australische Wissenschaftler 1998 von einer mysteriösen Pilzinfektion auf toten Fröschen berichteten, die sie im Wald fanden. Fast zur gleichen Zeit beobachteten Kollegen die gleichen Symptome bei amerikanischen Spezies, die sie in Terrarien hielten: Batrachochytrium dendrobatidis war entdeckt. "Von 120 ausgestorbenen Froscharten seit 1980 hat der Pilz mindestens 90 ganz oder teilweise auf dem Gewissen", schätzt der Biologe Brian Gratwicke vom Smithsonian National Zoological Park in Washington, einer Einrichtung, die sich dem Erhalt der Amphibien verschrieben hat.
Tod durch Herzinfarkt
Anfänglich stieß diese Erkenntnis auf Skepsis, denn diese Pilze waren nicht bekannt dafür, Wirbeltiere zu töten: Sie sonderten kein Gift ab, befielen keine Organe und drangen nur oberflächlich in die Haut ein. Hier liegt aber auch der Schlüssel zum Verständnis, meint Kevin Smith von der Washington University in St. Louis: "Die Haut besitzt bei Amphibien eine viel wichtigere Funktion als bei anderen Wirbeltieren. Viele Frösche trinken oder atmen darüber und halten damit ihren Elektrolytgehalt im Blut im Gleichgewicht – ähnlich wie die Nieren bei uns Menschen. Wenn die Tiere erkranken, schält sich ihre Haut oft ab."
Bei verpilzten Lurchen ist der Salzhaushalt denn auch gestört und die Elektrolytkonzentration im Blut stark verringert, wie Jamie Voyles entdeckt hat. Und das wiederum beeinträchtigt die Arbeit von Muskeln und Nerven oder bringt den Wasserhaushalt der Tiere durcheinander. Wie sehr das die empfindlichen Amphibien schädigt, konnte die Forscherin mit ihrem Team nun im Labor bestätigen [1]: Sie infizierten australische Korallenfinger-Laubfrösche (Litoria caerulea) mit dem Pathogen und verglichen dann Haut und Stoffwechsel von gesunden und kranken Individuen.
Tatsächlich unterbrach der Pilz den Austausch der Frösche mit ihrer Umwelt: Sie nahmen weniger Natrium- und Chloridionen auf, Natrium- und Kaliumkonzentrationen im Blut fielen – je stärker die Kreaturen befallen waren, desto drastischer die Folgen. Bald schlugen ihre Herzen unregelmäßiger, und schließlich versagte der Pumpmuskel. Verabreichten die Biologen den sterbenden Tieren einzelne Elektrolytinfusionen, erholten sie sich wieder ein wenig, konnten sich bewegen und lebten im Schnitt 20 Stunden länger als ihre unbehandelten Artgenossen. Im nächsten Schritt soll nun herausgefunden werden, was genau die Osmose hemmt.
McDonaldisierung der Lebensgemeinschaften
Die Zeit eilt jedenfalls. "Weltweit vereinheitlichen sich die Froschlebensgemeinschaften, die der Pilz verarmt zurücklässt, so dass überall die gleichen, wenigen Arten übrig bleiben. Wir erleben die McDonaldisierung der Froschwelt", warnt Kevin Smith vor dem Verlust der Artenvielfalt [2]. Zusammen mit Karen Lips von der University of Maryland in College Park und weiteren Kollegen hat er untersucht, wie Batrachochytrium dendrobatidis in Zentralamerika unter den Lurchen aufräumt: "In allen der von uns beobachteten Gebiete verloren wir die Hälfte aller Arten. Wo vor dem Ausbruch der Krankheit im Mittel 45 Spezies heimisch waren, überlebten nach der Plage nur 23."
Damit aber nicht genug, denn der Killer befällt bevorzugt endemische Spezies, die nur in begrenzten, kleinen Regionen heimisch sind, und löscht sie aus: "Hätte der Pilz zufällig getötet, wären nach unseren Berechnungen insgesamt 'nur' 41 Verluste in den acht Testgebieten zu erwarten gewesen. Da er aber vor allem lokale Spezialisten befällt, mussten wir insgesamt 61 Arten abschreiben." Viele davon gingen womöglich für immer, da sie nur aus den Untersuchungsgebieten bekannt waren. Darunter befanden sich auch sehr alte Froschfamilien, deren Kapitel womöglich komplett aus dem Stammbaum der Evolution gestrichen werden müssen – etwa die Hemiphractidae, bei denen die Weibchen ihre Eier in speziellen Taschen auf dem Rücken ausbrüten.
Übrig geblieben sind dagegen vor allem weit verbreitete Generalisten, die an Land oder auf Bäumen leben: Sie entkamen der Seuche, weil sich der Pilz vor allem im Wasser verbreitet und dort sein Unheil anrichtet. "Die Froschgemeinschaften werden jetzt von terrestrischen Arten dominiert, was das komplette Ökosystem verändert", beschreibt Smith die Folgen.
Ein Schimmer am Horizont?
Immerhin zeichnen sich langsam erste Fortschritte im Kampf gegen den Pilz ab, der womöglich von südafrikanischen Krallenfröschen stammt: Sie wurden weltweit exportiert, weil man sie früher tatsächlich als Schwangerschaftstest verwendete. Behandelt man aber Frösche zum Beispiel mit bestimmten Bakterien, werden sie immun gegenüber der Krankheit, denn die Mikroben sondern eine Substanz namens Violacein ab, das wie ein Fungizid wirkt. Im Labor konnten Forscher um Reid Harris von der James Madison University in Harrisburg Gebirgs-Gelbschenkelfrösche (Rana muscosa) jedenfalls retten, wenn sie diesen vor dem Kontakt mit dem Pilz gezielt die Mikroben verabreichten.
Nun haben Harris und sein Team ihre Studien erweitert und noch mehr Amphibien getestet, ob ihnen die Bakterienkur hilft – mit Erfolg [3]. Der von ihnen ausgewählte Rotrücken-Waldsalamander (Plethodon cinereus) besitzt das Violacein selbst auf seinem Körper, wo es von ihm eigenen Bakterien abgeschieden wird. Als die Biologen den Amphibien dann weitere Violacein-produzierende Mikroben hinzufügten, erhöhte sich die Konzentration des Wirkstoffs stark, die Tiere waren besser geschützt. "Durch diese Beeinflussung können wir also vielleicht die Resistenz der Lurche gegen den Pilz erhöhen und so katastrophale Bestandseinbrüche bei den Amphibien verhindern", kommentiert Doug Woodhams von der Universität Zürich dieses Ergebnis.
Eines ist jedenfalls klar: Gegenmaßnahmen müssen möglichst rasch kommen, denn Amphibien bilden eine der am stärksten gefährdeten Tiergruppen weltweit. Von den rund 6000 Arten ist mindestens ein Drittel im Fortbestand gefährdet. Und Batrachochytrium dendrobatidis breitet sich weiterhin rasend schnell aus – was die Furcht von Froschfreunden wie Kevin Smith nährt: "Es gehen vor allem die ungewöhnlichsten Frösche verloren, die biologisch interessant sind. Batrachochytrium macht die Welt langweiliger."
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