Covid-19: Kann man sich im Freibad mit Sars-CoV-2 anstecken?
In der Ostsee lauern die Vibrionen, im Freibad treibt das Norovirus sein Unwesen, und Blaualgen sowie Darmbakterien können ebenfalls den Wasserspaß nachhaltig trüben. Krankheitserreger tauchen immer wieder in Badegewässern auf. Kann man sich beim Planschen auch das Coronavirus einfangen?
Die gute Nachricht: Bisher gibt es keinen einzigen bekannten Fall, bei dem sich Menschen durch Wasser mit Sars-CoV-2 angesteckt haben. Das gilt nicht nur für Schwimmbäder, sondern auch für Trinkwasser – und es gibt derzeit keine Belege, dass das Virus in Wasser überhaupt ansteckend ist. Allerdings haben sich bislang nur wenige Studien mit dem Thema befasst, so dass man eine Übertragung beim Baden nicht mit letzter Sicherheit ausschließen kann. Es ist zumindest theoretisch möglich, sich über das Badewasser zu infizieren.
Coronaviren sind widerstandsfähig genug, um in Wasser für einige Tage nachweisbar zu bleiben, wie mehrere Untersuchungen zeigten. Man muss das Wasser auch gar nicht direkt in die Nase bekommen, um sich mit darin gelösten Atemwegserregern zu infizieren: Über der Oberfläche von Gewässern bilden sich mit Mikroorganismen angereicherte Aerosole.
Viren im Wasser sammeln sich bevorzugt zusammen mit organischer Materie wie Bakterien, Hautschuppen und Fäkalien in einer etwa einen halben Millimeter dicken Grenzschicht an der Oberfläche. Die permanente Wasserbewegung zerstäubt dieses »surface microlayer« immer wieder zu feinen, mit Mikroorganismen angereicherten Tröpfchen, die man beim Baden einatmet.
Noroviren verbreiten sich deutlich besser beim Baden
Coronaviren gehören jedoch nicht zu jenen Krankheitserregern, die leicht durch Wasser übertragen werden – wie zum Beispiel Norovirus, Hepatitis- oder Adenoviren. Diese Erreger haben eine Besonderheit gemeinsam, die sie von Sars-CoV-2 und anderen Coronaviren unterscheidet, erklärt Regine Szewzyk, die beim Umweltbundesamt für mikrobiologische Risiken zuständig ist. »Die klassischen über das Abwasser übertragenen Viren sind alle unbehüllte Viren, die in der Umwelt viel besser überleben.«
Unbehüllte Viren haben eine stabile Proteinkapsel aus oft geometrisch angeordneten, fest ineinandergreifenden Eiweißmolekülen, während behüllte Viren wie Sars-CoV-2 eine sehr dünne, aus zwei flüssigen Molekülschichten bestehende Membran besitzen, die von fremden Stoffen im Wasser leicht gestört wird. »Das Coronavirus hat eine ganz empfindliche Lipidhülle und überlebt im Badegewässer vielleicht einige Tage, Noroviren dagegen Wochen oder Monate.«
»Das Coronavirus überlebt im Badegewässer vielleicht einige Tage, Noroviren dagegen Wochen oder Monate«
Regine Szewzyk, Umweltbundesamt
Gut für Badegäste: Die Stabilität beider Arten von Viren nimmt mit zunehmender Temperatur ab. Zum Beispiel blieben in einer Studie von 2008 Coronaviren bei vier Grad länger als drei Monate in Leitungswasser stabil, bei 23 Grad verschwanden sie binnen zwölf Tagen fast vollständig. Auch chemisch sind behüllte Viren empfindlicher, besonders gegenüber Oxidationsmitteln. Zu denen gehören Chlor und Ozon, mit denen in Deutschland Schwimmbadwasser behandelt wird.
Von derart behandeltem Badewasser zum Beispiel in Schwimmbädern geht deswegen definitiv keine Infektionsgefahr aus. Doch wie sieht das bei Teichen und Seen aus? Nicht zuletzt machen organische Schwebeteilchen natürlicher Gewässer viele Viren stabiler. Auch hier sprechen neben der geringeren Stabilität des Virus weitere Argumente gegen eine große Gefahr durch das Coronavirus.
Husten und Niesen befördert kaum Viren ins Wasser
Fachleute wie Szewzyk bezweifeln, dass genug Coronaviren ins Badewasser gelangen können, um ein Ansteckungsrisiko darzustellen. Husten ist schlicht keine allzu effiziente Methode, große Mengen Viren in ein Gewässer einzubringen. Viele für Badeseen typische Krankheitserreger werden deswegen über Fäkalien verbreitet, weil mit denen viel mehr Viren in die Umwelt gelangen. Mit Fäkalien verschmutztes Abwasser sei ebenfalls eine Möglichkeit, wie das neue Coronavirus in Badegewässer gelangen kann, sagt Regine Szewzyk. »Dass auf diesem Weg hohe Konzentrationen an Viren im Badegewässer auftreten, halten wir aber für ausgeschlossen.«
Bei Sars-CoV-2 sprechen außerdem die meisten Indizien gegen eine Übertragung durch Verdauungsprodukte. Zwar fanden Fachleute immer wieder dessen RNA im Stuhl der Infizierten, aber keine infektiösen Viren. Im Ablauf von Kläranlagen, also dem geklärten Abwasser, hat man nach Angaben von Szewzyk bisher nicht einmal RNA gefunden. »Außerdem werden Badegewässer besonders vor fäkalen Verunreinigungen geschützt.«
Zudem besitzen Viren, die sich auf solche Weise verbreiten, neben der stabilen Proteinkapsel noch eine weitere besondere Anpassung an diesen Übertragungsweg. »Wir wissen von Viren wie den Noroviren, die typischerweise über Fäkalien übertragen werden, dass bei ihnen ganz geringe Konzentrationen für eine Infektion ausreichen.« Man gehe von etwa einem bis zehn infektiösen Virenpartikeln aus. Bei Sars-CoV-2 dagegen ist bisher nicht bekannt, wie viele Viren man für eine Ansteckung aufnehmen muss; es scheinen allerdings recht viele zu sein. Dafür spricht nicht nur, dass sich das Virus am besten verbreitet, wenn das virenhaltige Aerosol sich über längere Zeit in einem geschlossenen Raum ansammelt – sondern auch die wahrscheinlich geringe Bedeutung kontaminierter Oberflächen.
So ist auch unwahrscheinlich, dass Badende über Rachen und Nase genug Viruspartikel für eine direkte Ansteckung ins Wasser abgeben. »Die Verdünnung im Wasser wirkt einer Ansteckung entgegen«, sagt Szewzyk. Deswegen sei derzeit nicht bekannt, ob eine Übertragung auf andere Badende auf diesem Wege überhaupt möglich ist. »Theoretisch kann man sich aber Konstellationen vorstellen, bei denen man auf diese Weise hohen Viruskonzentrationen ausgesetzt ist.« Deswegen empfehle das Umweltbundesamt beim Baden die gleichen Abstandsregeln wie an Land.
Nicht nur im Vergleich mit anderen, leichter übers Wasser verbreiteten Krankheitserregern ist eine Ansteckung mit Sars-Cov-2 relativ unwahrscheinlich, sondern auch gemessen an der Ansteckungsgefahr über Aerosole. Denn wenn sich an warmen Tagen viele Menschen am Wasser drängen, steigt zugleich die Ansteckungsgefahr auf den bereits bekannten Wegen.
Weil ein Mund-Nase-Schutz im Wasser eher unpraktisch ist, sollte man beim Baden auf Hygiene und Desinfektion achten, mahnen Fachleute. Insbesondere Spielzeug und Badegerät wie Schnorchel, Poolnudeln und ähnliches sollten nicht zwischen Kindern geteilt werden. Ebenfalls hilfreich sind Abstand halten und in die Ellenbeuge husten und niesen – die Chlorierung in Schwimmbädern reizt die Schleimhäute zusätzlich. Allerdings sind Badeseen und Freibäder ohnehin die bessere Alternative: Sars-CoV-2 verbreitet sich vor allem in Innenräumen.
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