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News: Kann Parodontose von einem Familienmitglied erworben werden?

Mit der Methode des „genetischen Fingerabdrucks“ läßt sich zeigen, daß die an der Entstehung von Parodontose beteiligten Bakterienarten zwischen Familienmitgliedern übertragen werden können.
Gegen Ende der 70er Jahre wurde entdeckt, daß Erkrankungen des Zahnhalteapparates von spezifischen Bakterienarten wie Actinobacillus actinomycetemcomitans und Porphyromonas gingivalis verursacht werden. Zuvor hatte man die Zahnplaque insgesamt als Kausalfaktor für die Entstehung von Parodontose betrachtet. Diese Entdeckung hatte grundlegende Änderungen in der Diagnostik und Therapie der Parodontose zur Folge. Mit den rapide fortschreitenden Kenntnissen verbessern sich auch die Möglichkeiten für eine Prävention dieser Erkrankung.

Die meisten der als parodontale Pathogene bekannten Bekterienarten lassen sich bei Personen ohne Parodontose nicht oder nur in sehr geringen Keimzahlen finden. Kleinkinder können diese Bakterien beherbergen, ohne daß diese dort eine längerfristige Lebensgrundlage vorfinden. Ab dem 5. bis 7. Lebensjahr kann allerdings davon ausgegangen werden, daß eine dauerhafte Besiedelung mit A. actinomycetemcomitans möglich ist. Andere Keime wie P. gingivalis siedeln sich erst nach der Pubertät in der Mundhöhle an, und die auch nur dann, wenn bereits eine Parodontose im Entstehen ist. Dieses Bakterium konnte nur bei 5 % einer Stichprobe von finnischen Kindern nachgewiesen werden.

Die genannten Bakterienarten siedeln vor allem in entzündeten Zahnfleischtaschen, lassen sich aber auch auf der Zunge, der Mundschleimhaut und im Speichel finden. Genetische Tests ergaben, daß die Keime an den verschiedenen Orten der Mundhöhle fast immer auf einen gemeinsamen Ursprung zurückgehen. Eine Parodontalbehandlung kann die pathogenen Keime erheblich verringern oder sogar beseitigen, doch kehrt die Besiedelung meist innerhalb von sechs Monaten zurück. Dieser Vorgang kann entweder auf besonders häufige Neuinfektionen zurückgehen oder auf eine besondere Anfälligkeit des Empfängers für eine Neubesiedelung.

Findet man bei Ehepartnern die gleichen Spezies von Mundbakterien, so bedeutet dies noch nicht, daß die Übertragung zwischen den beiden Personen stattgefunden haben muß. Beide können den Organismus auch von anderen Personen wie z.B. den eigenen Eltern erworben haben. Um eine Übertragung zwischen bestimmten Personen nachzuweisen, bedient man sich der Technik des sogenannten genetischen Fingerabdrucks. Mit Hilfe dieses Verfahrens sind nun erstmals genauere Aussagen zu den Übertragungswegen möglich geworden.

Als vertikale Route wird die Übertragung von Keimen von Eltern auf die Nachkommen bezeichnet, wie es normalerweise bei der Säuglingspflege geschieht. Neuere Untersuchungen bestätigen die schon früher gemachte Beobachtung, wonach Pathogene wie A. actinomycetemcomitans zwar auf Säuglinge und Kleinkinder übertragen werden, sich dort aber nicht dauerhaft anzusiedeln vermögen. Erste Ergebnisse gibt es auch zur horizontalen Übertragungsroute. In einer Studie mit parodontal gesunden Ehepaaren fanden sich kaum pathogene Organismen mit identischem Genotyp, was darauf hindeutet, daß auch bei engem Körperkontakt eine Übertragung zwischen Erwachsenen eher selten vorkommt. Wenn dagegen einer der Partner eine Parodontose aufwies, fanden sich deutlich häufiger Bakterien des selben Genotyps bei seinem gesundem Ehegatten. Lag bei beiden Ehepartnern eine Parodontose vor, so war das Ausmaß der Erkrankung meist größer als bei Personen mit Parodontose, die mit einem gesunden Partner zusammenlebten. Diese Studie läßt den Schluß zu, daß es zwischen Ehegatten eine Übertragung von Parondontose gibt, wenn auch Jahre vergehen können, bevor sich die Erkrankung beim zuvor gesunden Ehepartner manifestiert.

Bei einem Menschen werden nur sehr selten mehrere Genotypen von A. actinomycetemcomitans zugleich nachgewiesen. Dieser Organismus scheint sehr stabile Kolonien zu bilden, die eine konkurrierende Besiedelung kaum zulassen. Welches Ausmaß die Parodontose annimmt, dürfte damit auch von der Virulenz des bei der Erstübertragung eingedrungenen Bakterienstammes abhängen. Zur Zeit scheint der beste Schutz vor horizontaler Übertragung darin zu bestehen, die Keimzahl parodontaler Pathogene im Speichel von Personen mit Parodontose gering zu halten. Das Risiko für eine Besiedelung durch P. gingivalis dürfte so lange gering bleiben, wie es gelingt, die Gesundheit des Parodonts zu erhalten.

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