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Klimawandel: Kaum noch Eis-Nachschub für die Arktis

Vor Jahren drifteten alljährlich enorme Mengen von neu gefrorenem Meereis aus Sibirien zum Pol und weiter. Auch damit scheint es nun vorbei zu sein.
Messung der Eisdicke vom Flugzeug aus

Auch wenn das Eis der Arktis im zunehmend warmen Erdklima immer weiter abschmilzt, immerhin sorgte der Winter doch jedes Jahr für Nachschub: Vor allem in den flachen und kalten Randmeeren Russlands friert alljährlich Meereis und wandert polwärts, um dann in der zentralen Arktis lang im Kreislauf von Meeresströmungen gebunden zu bleiben und die Eiskappe aufzufüllen. Aber auch dieser wichtige Nachschubweg könnte bald abgeschnitten sein, warnen Forscher des Alfred-Wegener-Instituts nun in »Scientific Reports«: Anders als noch im Jahr 2000, wo noch die Hälfte des neu gebildeten Wintereises in der Arktis ankam, schmelzen heute rund 80 Prozent des neuen Meereises vor dem Eintritt in die Polardrift. Damit rückt ein völlig eisfreier Sommer in der Arktis einen weiteren Schritt näher, befürchten die Wissenschaftler.

Die Forscher hatten die transpolare Wanderung des Meereises mit Hilfe von Satellitendaten im Zeitraum zwischen 1998 und 2017 analysiert. Im Normalfall entsteht Eis im Winter in der Karasee, der Laptewsee und der Ostsibirischen See, wird durch die vorherrschenden ablandigen Winde nordwärts getrieben und erreicht mit der Transpolardrift eine der zwei Hauptströmungen des Arktischen Ozeans. Mit ihr wandern die Eisschollen dann innerhalb von zwei bis drei Jahren aus dem sibirischen Teil des Nordpolarmeeres quer durch die zentrale Arktis bis in die Framstraße, wo sie dann schließlich schmelzen. Die Auswertung zeigt aber, dass das heute in der Framstraße schmelzende Eis gar nicht mehr aus den sibirischen Randmeeren stammt – und das große Mengen des dort im Winter doch noch anfallenden Eises jedes Jahr so schnell schmelzen, dass die Transpolardrift gar nicht mehr aufgefüllt wird.

Messungen der AWI-Forscher zeigen zudem, dass das in Richtung Framstraße driftende Eis rund 30 Prozent dünner ist als noch vor 15 Jahren – vor allem, weil es auch vor Ort wegen der steigenden Wintertemperaturen schneller und früher schmilzt als in der Vergangenheit.

Satellitenaufnahmen zeigen Neueisbildung entlang der russischen Küste | Das Bild, aufgenommen von einem ESA Satelliten am 26. März 2019, zeigt den Prozess der Neueisbildung entlang der russischen Küste in der Laptewsee. Dabei werden Algen, Schweb- und Nährstoffe an die Oberfläche gemischt und in das Eis mit eingebaut.

Mit dem Meereisnachschub fehlt auch der Eintrag von wichtigen Nährstoffen, Mineralien und Algen in das Ökosystem der Arktis: Sie stammen aus den großen sibirischen Strömen und werden hauptsächlich in den flachen Randmeeren aufgewirbelt, um festzufrieren, wenn das Meereis in relativer Landnähe entsteht. Dieser Prozess, der Mineralien und Nährstoffe bis in die Framstraße transportiert, findet nun immer seltener statt, wie zum Beispiel Sinkstoffanalysen der AWI-Biologen belegen: »An Stelle sibirischer Mineralien landen mittlerweile mehr Überreste abgestorbener Algen und Kleinstlebewesen in unseren Sedimentfallen«, beschreibt die an der Studie beteiligte Eva-Maria Nöthig den Prozess. Langfristig sei zu erwarten, dass die Veränderung des Partikeltransports durch das Meereis die biogeochemischen Kreisläufe und ökologischen Prozesse im zentralen Arktischen Ozean nachhaltig verändern werde, konstatieren die Forscher in einer Pressemiteillung zu ihrer Studie.

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