Plastikabkommen: Kein Fortschritt bei Verhandlungen zu Plastikmüll
Eine Woche lang haben die 170 Staaten der Vereinten Nationen im November 2023 in Nairobi verhandelt. Doch am Ende der Diskussionen haben sie keine Einigung gefunden, wie sich die Plastikmüllflut eindämmen ließe. Vielmehr seien die Parteien »auf der Stelle getreten«, so formulierte es der WWF. Einige Staaten, vor allem Öl produzierende Länder wie Saudi-Arabien, haben die Verhandlungen offenbar gezielt verzögert. Das globale Plastikabkommen soll bis Mitte 2025 verabschiedet werden, die zu Ende gegangene Verhandlungsrunde war das dritte von fünf geplanten Treffen.
Aktuell werden jährlich rund 460 Millionen Tonnen Kunststoff hergestellt. Diese Zahl wird sich Schätzungen zufolge in den nächsten Jahren drastisch erhöhen: Ohne Maßnahmen wird die jährliche Plastikproduktion bis 2050 um rund ein Fünftel steigen, die weltweite Plastikverschmutzung um 62 Prozent. Fachleute fordern daher schon länger, das Plastikproblem nicht als Recycling-Herausforderung anzugehen, sondern an der Wurzel zu packen und bereits die Herstellung von Kunststoff sowie dessen Inhaltsstoffen streng zu begrenzen.
Die Produktion zu regulieren, wäre wirkungsvoll
Das wäre effektiv: Nach einer aktuellen Studie der University of California ließe sich die weltweite Plastikverschmutzung bis 2040 nahezu beseitigen, wenn die richtigen Hebel umgelegt werden. Dazu hat ein Team von Forschenden mit Hilfe eines maschinellen Lernprogramms neun wichtige Faktoren ausgemacht, darunter die Deckelung neu produzierten Kunststoffs, verschiedene Recycling-Maßnahmen oder das Verbot bestimmter Verpackungen. Wie groß die Effekte jeweils sind, lässt sich in einem interaktiven Tool nachvollziehen.
Dass der Plastikmüll ein weltweites Problem ist, darüber sind sich die Länder der Vereinten Nationen einig. So beschlossen sie 2022, ein globales Abkommen zu entwerfen, um die weltweite Plastikverschmutzung zu beenden. Die Schwierigkeit besteht nun darin, das genaue Regelwerk festzulegen. Fünf Verhandlungsrunden sind dazu angesetzt, den Auftakt machte die erste Ende 2022 in Punte del Este in Uruguay, im Mai 2023 folgten Verhandlungen in Paris, im November in Nairobi. Die nächste Sitzung findet Ende April 2024 in Ottawa statt, den Abschluss bildet ein Treffen im koreanischen Busan, das für November/Dezember 2024 geplant ist.
Bereits in der vorangegangenen Verhandlungsrunde hatten Staaten versucht, den Prozess auszubremsen
Dabei sitzen sich verschiedene Interessengruppen gegenüber. So haben sich mehr als 300 Forschende zur »Scientists' coalition for an effective plastics treaty« zusammengeschlossen, um die Forderungen aus wissenschaftlicher Sicht einzubringen. Aber auch Industrieverbände nehmen Einfluss auf das Geschehen. Und bereits in der vorangegangenen Verhandlungsrunde hatten einige Staaten versucht, den Prozess auszubremsen, wie die Tiefseeforscherin Melanie Bergmann im Gespräch mit »Spektrum.de« berichtete. Damals schafften es die Verhandelnden trotzdem zu einem guten Abschluss – offenbar lief es diesmal nicht so gut.
Blockade durch Öl produzierende Staaten
Nach Angaben der UN-Umweltorganisation UNEP, welche die Plastikmüll-Konferenz in Nigeria organisiert hatte, sind noch viele Fragen offen. »Es bleibt noch viel zu tun, um unsere Differenzen einzugrenzen und technische Grundlagen für unsere Verhandlungen zu entwickeln«, sagte der scheidende Vorsitzende des Internationalen Verhandlungskomitees, Gustavo Meza-Cuadra Velásquez. Man habe sich aber auf einen Ausgangspunkt für die vierte Verhandlungsrunde geeinigt.
Florian Titze, leitender Politikberater beim WWF, übte eindeutige Kritik: »Die Bremsmanöver und der Widerstand von Öl produzierenden Staaten wie Saudi-Arabien, Russland und Iran haben viel Zeit gekostet und die Verhandlungen beinahe vollständig zum Stillstand gebracht.« Ohne die entsprechenden Beschlüsse konnten die Parteien aber weder am politischen Text noch in den technischen Arbeitsgruppen zur wissenschaftlichen Basis des Abkommens weiterarbeiten. Dabei wäre beides dringend nötig, um den Zeitplan sicherzustellen, sagte Titze.
Die Flut an Plastikmüll lässt sich nur in den Griff bekommen, wenn man die Produktion beschränkt
Immerhin seien sich die Staaten einig gewesen, dass das Abkommen den gesamten Lebenszyklus von Plastik umfassen müsse – nicht nur Fragen des Abfalls. Das ist ein äußerst kritischer Punkt, den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Vorfeld immer wieder gefordert haben. Wie Analysen zeigen, lässt sich die Flut an Plastikmüll nur in den Griff bekommen, wenn man am Anfang ansetzt und bereits die Produktion beschränkt.
Bundesumweltministerin Steffi Lemke äußerte sich enttäuscht über das Ergebnis. »Es ist sehr bedauerlich, dass die dritte Verhandlungsrunde um ein internationales Plastikabkommen ohne Einigung über nächste Schritte zu Ende gegangen ist«, teilte sie mit. Gescheitert sei eine Einigung an jenen Staaten, die auch in Zukunft von fossilen Geschäftsmodellen wie der Plastikproduktion profitieren wollten. »Das Festhalten an klimaschädlichen Strukturen ist aber mit Blick auf die sich beschleunigende Klimakrise und die fortschreitende Plastikverschmutzung unserer Meere verantwortungslos«, sagte Lemke.
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