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Tropenökologie: Kein Hunger, aber Durst

Licht, Wasser und Nährstoffe - das brauchen Pflanzen zum Leben. Von Sonne und Schatten einmal abgesehen, sollte zumindest Durst im so feuchten tropischen Regenwald kein Problem darstellen, während es bei der Stickstoff-Versorgung vielleicht doch einmal Engpässe geben könnte. Doch das Gegenteil ist der Fall.
Welker Keimling
Wer den Blick über einen tropischen Regenwald schweifen lässt, der sieht Grün, Grün und nochmals Grün, nur stellenweise vielleicht unterbrochen von einem bunten Blütenkleid. Auf den zweiten, genaueren Blick fällt auf, dass die Kronenschicht bei weitem nicht so einheitlich erscheint wie bei einem heimischen Buchenwald – kein Wunder: Während sich hier die Zahl der Baumarten an einer Hand abzählen lässt, können es dort ein paar hundert sein.

Wie wird sich diese hoch diverse Gemeinschaft im Zuge des Klimawandels verändern? Welche Faktoren bestimmen, wer gewinnt oder verliert? Und wie flexibel können sich tropische Pflanzen an neue Bedingungen anpassen?

Hunger nach Stickstoff

Benjamin Houlton von der Universität Princeton und seine Kollegen interessierte der Einfluss der Nahrungsversorgung auf die Tropenbewohner. In den unberührten Wäldern des Mount Haleakala auf der Maui-Insel Hawaiis untersuchten sie mittels des Stickstoff-Isotopenverhältnisses in Blättern und im Boden, woraus vier verbreitete Pflanzenarten ihren Hunger danach stillen: Nitrat, Ammonium oder gelösten organischen Stickstoff. Außertropische Pflanzen zeigen hierin normalerweise Vorlieben – sie bevorzugen also nur eine Variante des Nährstoffs. Eine durchaus praktische Angelegenheit: So kommen sie sich nicht so stark ins Gehege und können gleichzeitig das Stickstoff-Angebot des Bodens optimal ausnutzen.

Regenwald in Panama | Ein tropischer Regenwald – hier in Panama: grün, so weit das Auge reicht. Trotz armer Böden dürfte die Nährstoffversorgung auch unter veränderten Umweltbedingungen durch den Klimawandel keine Sorgen machen – auf Hawaii zumindest können tropische Pflanzen mehrere Stickstoff-Quellen nutzen. Doch trockenere Verhältnisse, die der Klimawandel womöglich bringen wird, werden manche der Spezies nicht überstehen.
Ihre tropischen Verwandten hingegen scheinen wenig wählerisch. Sie nutzen schlicht die Stickstoff-Quelle, die im Boden am häufigsten auftritt – nur wenn gleich viel Ammonium und Nitrat vorhanden sind, ziehen sie offenbar das wohl etwas leichter aufzunehmende Nitrat vor. Der Wechsel von einer Reserve zur anderen erweist sich dabei als erstaunlich abrupt und hängt mit dem Niederschlag zusammen: Überschreitet der Jahresmittelwert 3350 Millimeter, wechseln die Pflanzen von Nitrat, das in trockenen Böden überwiegt, zu Ammonium, das unter feuchteren Bedingungen vorherrscht [1].

Dieses Muster wiederum geht zurück auf die mikrobiellen Abbauprozesse im Boden: Während mit dem Niederschlag die Stickstoff-Mineralisierung insgesamt und die Nitrifikation, also die Entstehung von Nitrat, abnehmen, nimmt die Denitrifikation zu und verbraucht oberhalb der Niederschlagsmenge von 3350 Millimetern nahezu das gesamte gebildete Nitrat.

Reine Frage des Angebots

Hunger also werden diese hawaiischen tropischen Wälder nicht unbedingt leiden, sollte es im Rahmen des Klimawandels mancherorts feuchter oder trockener werden: Sie sind flexibel genug, die jeweils umfangreichste Stickstoff-Quelle zu nutzen. Solange genug davon da ist, zumindest: Die Nährstoffversorgung könnte problematisch werden, falls die höheren Kohlendioxid-Gehalte der Luft das Pflanzenwachstum dermaßen ankurbeln, dass der Vorrat im Boden – in welcher Form auch immer – schlicht nicht ausreicht.

Durst allerdings könnte die Gemeinschaft direkter als gedacht verändern, lassen Versuche aus Panama vermuten. Hier hatten Bettina Engelbrecht von der Universität Kaiserslautern und ihre Kollegen zunächst für 48 tropische Baum- und Straucharten bestimmt, wie gut sie mit Wassermangel umgehen können. Denn auch in den Regenwaldzonen gibt es Wechsel zwischen feuchteren und trockeneren Monaten, und nicht jeder Standort ist ständig optimal mit Wasser versorgt.

Dann überprüften die Forscher ihre Liste mit Durstresistenten und Wassermangel-Sensibelchen im Freiland. Ihre Untersuchungsflächen entlang des Panama-Kanals folgten dabei einem Niederschlagsgradienten: von der trockenen Pazifikseite zur feuchten Atlantikküste. Würden sie das auch in der Artenverteilung sehen, oder spielten hierfür andere Standortfaktoren wie Nährstoffe, Licht oder Druck durch Pflanzenfresser und Krankheitserreger eine wichtigere Rolle? Letzteres wurde bereits gründlich untersucht, das Feuchteangebot jedoch wurde bislang wenig beachtet – oder Studien hatten keinen Zusammenhang erkennen lassen.

Wasser als Mangelfaktor

Tatsächlich aber fanden die Wissenschaftler eine ausgeprägte negative Korrelation zwischen der Trockenheitsresistenz und der Häufigkeit der Art in den verschiedenen Flächen entlang des Niederschlagsgradienten. Oder anders gesagt: Spezies, die mit Wassermangel schlechter zurecht kommen, finden sich eben eher in den feuchteren Regionen. Besonders deutlich zeigte sich dieses Muster bei älteren Pflanzen und Sprösslingen, junge Keimlinge hingegen offenbarten eine zunächst weitere Verbreitung, überleben aber wohl für längere Zeit nur in einem Bereich mit für sie geeigneten Bedingungen [2].

Oder geht das Muster auf Beschattung zurück? Engelbrecht und ihre Kollegen finden dafür keinen Beleg – ebenso wenig wie für mögliche Unterschiede in der Nährstoffversorgung im Zusammenhang mit dem Wasserangebot.

Welker Keimling | Zu wenig Wasser – dieser Keimling lässt seine jungen Blätter hängen. Selbst in den feuchten tropischen Regenwäldern wird Wasser zum entscheidenden Faktor für die Artenzusammensetzung.
"Die Ergebnisse unterstreichen, wie empfindlich tropische Wälder auf die Wasserversorgung reagieren", erklären die Forscher. "Sie lassen vermuten, dass zukünftige Veränderungen in hydrologischen Prozessen und Niederschlagsmustern direkte Auswirkungen auf die Verbreitungsgrenzen von Arten, die Zusammensetzung tropischer Wälder und die Funktionalität des Ökosystems haben werden." Entsprechende Veränderungen sind bereits im Gange und sollen sich mit dem Klimawandel noch intensivieren. Und dann könnte Durst in einem so feuchten Lebensraum plötzlich zur Überlebensfrage werden – während Hunger trotz armer Böden womöglich die geringere Sorge bleibt.

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