Paläontologie: Kein Karies
Moderne Säugetiere verfügen zwar über ein umfangreiches Repertoire von Mordwerkzeugen, doch Gift gehört eher nicht dazu - nur ein paar Sonderlinge vertrauen darauf. Zu tertiären Zeiten sah das vielleicht noch anders aus.
Als Yong-Qin Sun wie alle Tage sonst auch Fossilien präparativ zu Leibe rückte, stutzte sie: In dem Zahn auf ihrem Labortisch war eindeutig eine tiefe Rille zu erkennen. So etwas hatte sie in den tausenden Überresten vom Ufer des Blindman River bei Red Deer in Alberta schlicht noch nie gesehen. Etwa ein Fall von Paläokaries? Vorsichtshalber zeigte sie den seltsamen Kanal Doktorand Craig Scott.
Schnell wurde klar, dass es sich um einen ausgesprochenen Glücksfund handelte. Denn Zähne mit Riefe kannten die Forscher von ihrer Ausgrabungsstätte schon – nur hatten sie diese bisher immer einzeln gefunden. Damit fehlte ihnen aber jeglicher Hinweis, welchem Tier sie zuzuordnen waren. Nun konnten die Wissenschaftler anhand der Backenzähne des Kieferrestes feststellen, dass es sich um Bisonalveus browni handeln musste, einen sehr ursprünglichen Säugervertreter, den mit keinem seiner heutigen Klassenkameraden engere Verwandtschaft verbindet. Und: Bisher kannten sie von ihm nur die hintere Zahnausstattung.
Alles in allem ergibt sich das Bild eines kleinen Räubers, dessen Backenzähne mit ihren Gruben und Höckern eine ideale Basis bilden, um die Körper von Gliederfüßern und anderen wirbellosen Beutetieren zu zermalmen, nachdem sie der erste Biss mit den Eckzähnen lahmgelegt hat. Dabei ist Gift ein seltenes Tötungsmittel unter Säugetieren, Spitzenhäubchenträgerinnen ausgenommen: Nur ein paar Spitzmäuse und die beiden Arten der Schlitzrüssler (Solenodon spp.) benutzen Speicheltoxine, um ihre Beute zu lähmen. Die Zähne der Spitzmäuse zeigen dabei keine besonderen Strukturen, sie kauen das Gift schlicht mit jedem Biss in den Körper des Opfers. Die Schlitzrüssler nutzen dafür den zweiten unteren Schneidezahn, der stark vergrößert ist und ebenfalls eine Kerbe aufweist.
Der glaubte seinen Augen kaum: Zum ersten Mal, davon war er überzeugt, hielt er die Giftwaffe eines frühen Säugetiers in Händen. Sofort präsentierte er das Fundstück – einen 60 Millionen Jahre alten unvollständigen Schädel mit Unterkiefer und etlichen, interessanterweise auch oberen Zähnen – seinem Doktorvater, Richard Fox. Und schon lag das Corpus delicti wieder auf dem Labortisch – aber nun vor zwei begeistert darüber gebeugten Paläontologen.
Schnell wurde klar, dass es sich um einen ausgesprochenen Glücksfund handelte. Denn Zähne mit Riefe kannten die Forscher von ihrer Ausgrabungsstätte schon – nur hatten sie diese bisher immer einzeln gefunden. Damit fehlte ihnen aber jeglicher Hinweis, welchem Tier sie zuzuordnen waren. Nun konnten die Wissenschaftler anhand der Backenzähne des Kieferrestes feststellen, dass es sich um Bisonalveus browni handeln musste, einen sehr ursprünglichen Säugervertreter, den mit keinem seiner heutigen Klassenkameraden engere Verwandtschaft verbindet. Und: Bisher kannten sie von ihm nur die hintere Zahnausstattung.
Das etwa mausgroße Tier hatte seine oberen Eckzähne zu einer perfekten Giftkanüle umgebildet: Auf der Vorderseite schneidet sich eine an der Basis V-förmige Grube bis in die Spitze, wo sie eher einem C-förmigen Querschnitt hat. Sie ist mit Zahnschmelz ausgekleidet und kann demnach nicht nach dem Tod, beispielsweise durch Zersplitterung des Schmelzes, entstanden sein. Auf ein ganz ähnliches Modell setzen heute noch Trugnattern wie die afrikanische Boomslang, die in ihren hinteren Zähnen eine eben solche Rinne zeigen. Von Säugetieren aber waren derartige Spezialeckzähne völlig unbekannt.
Alles in allem ergibt sich das Bild eines kleinen Räubers, dessen Backenzähne mit ihren Gruben und Höckern eine ideale Basis bilden, um die Körper von Gliederfüßern und anderen wirbellosen Beutetieren zu zermalmen, nachdem sie der erste Biss mit den Eckzähnen lahmgelegt hat. Dabei ist Gift ein seltenes Tötungsmittel unter Säugetieren, Spitzenhäubchenträgerinnen ausgenommen: Nur ein paar Spitzmäuse und die beiden Arten der Schlitzrüssler (Solenodon spp.) benutzen Speicheltoxine, um ihre Beute zu lähmen. Die Zähne der Spitzmäuse zeigen dabei keine besonderen Strukturen, sie kauen das Gift schlicht mit jedem Biss in den Körper des Opfers. Die Schlitzrüssler nutzen dafür den zweiten unteren Schneidezahn, der stark vergrößert ist und ebenfalls eine Kerbe aufweist.
Warum aber sind Toxine in der Beutejagd – in anderen Tiergruppen durchaus geläufig und erfolgreich – so selten in der Säugetierklasse zu finden? Vielleicht trügt einfach nur das bisherige Bild. Denn Fox und Scott berichten von weiteren, deutlich gerieften Säugetierzähnen anderer Fundorte, die nicht von Bisonalveus browni stammen – sie sind größer, stärker gekrümmt und zugespitzt und steckten vor allem im Unterkiefer. Die Idee der zahneigenen Giftkanüle kam den Vorfahren von Maus, Mensch und Co also sehr wohl, und das mehrmals unabhängig voneinander. Warum sich das Modell dann nicht halten konnte, bleibt allerdings offen.
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