Fremdsprachen: Kein Sprachtalent trotz guter Ohren
Manche lernen's nie. Noch nach Jahren haben einige Menschen Probleme, bestimmte Laute einer Fremdsprache zu unterscheiden. Schuld ist ein Mangel an Sprachtalent.
Der Kasernenhofton, den der französische Außenminister in einem Interview Anfang Oktober anschlug, war der israelischen Tageszeitung "Ha’aretz" einen ganzseitigen Aufmacher wert. Mit einem markigen "You will eat them before" habe Bernard Kouchner auf die Frage nach den Aussichten des iranischen Atomprogramms geantwortet, so die Zeitung. Sinngemäß: Die Israelis würden die Iraner schon "plattmachen".
Tags darauf ruderte sie kleinlaut zurück. Alles sei, nun ja: ganz anders gewesen. Kouchner habe im auf Englisch geführten Interview lediglich sagen wollen, "you [d. h. die Israelis] will hit them before", würden also "zuschlagen", dabei aber ganz nach Art seiner Landsleute das h- verschluckt. Eine kleine "H-Bombe" habe Kouchner da gezündet, stichelte die BBC.
Dabei hat fast jeder, der einmal eine Fremdsprache gelernt hat, ähnliche Probleme: Manche Laute wollen partout nicht ins Ohr. Wo das Englische etwa – wie in "heat" und "hit" – zwei verschiedene /i/ verwendet, kennt das Französische nur eines. Gerade in solchen Fällen hören viele Nichtmuttersprachler keinen Unterschied und korrigieren deshalb ihre Aussprache nicht.
"Stolpern" im EEG
Genauso geht es Spaniern, deren Zweitsprache das um Barcelona verbreitete Katalanisch ist. Einigen von ihnen gelingt noch nach Jahren nicht, die katalanischen Vokale /e/ und /ε/ (ein offeneres e) zu trennen. Diesen individuellen Schwierigkeiten spürten jetzt Begoña Diaz und Kollegen von der Universitat de Barcelona nach. Fällt es den Betroffenen ganz allgemein schwerer, Gehörtes zu analysieren, oder mangelt es ihnen schlicht am nötigen "Sprachtalent"?
Was sofort eine Folgefrage aufwirft: Wie kann man das herausfinden? Die Forscher verlegten sich auf ein erprobtes Verfahren, dem Messen so genannter ereigniskorrelierter Potenziale im EEG, dem klassischen Elektroenzephalogramm. Jedes "Stolpern" des Sprachsystems über Ungereimtheiten schlägt sich dort als Signal nieder. So kann man das arbeitende System regelrecht abhorchen, wenn man ihm die geeigneten Stolpersteine vorsetzt. Das kann ein unbekanntes Wort sein oder – wie in der aktuellen Studie – ein unerwarteter Laut. Diaz und Kollegen teilten ihre 31 Probanden, je nach deren Fähigkeit, /e/ von /ε/ unterscheiden zu können, in die "guten Hörer" und die "schlechten Hörer" auf. Die mit einem Stummfilm abgelenkten Versuchspersonen bekamen nun Sprachlaute zu hören: ein einzelnes /e/ oder /ö/ inmitten einer Serie von /o/s. Tatsächlich wiesen die "schlechten Hörer" verringerte EEG-Ausschläge auf: Ihr Sprachsystem scherte sich offenbar nicht besonders um Lautunterschiede.
Rein sprachspezifische Probleme
In Phase zwei spielten ihnen die Forscher dagegen Töne vor und variierten gelegentlich Frequenz, Dauer oder Rhythmus. Hier waren die "schlechten" ebenso erfolgreich wie die "guten". Diaz' Schlussfolgerung: An der rein akustischen Verarbeitung kann es nicht liegen; Phase zwei meisterten alle gleich gut. Die Schwierigkeiten mit den katalanischen Vokalen beruhen demnach auf Defiziten im Umgang mit Sprachlauten oder anders ausgedrückt: auf mangelndem "Sprachtalent". Die "guten Hörer" seien im Vorteil, weil ihr Gehirn lautspezifische Unterschiede besser wahrnehme, deshalb falle ihnen die Unterscheidung leichter.
Die im Experiment gemessene so genannte mismatch negativity (MMN) ist nachweisbar, wenn sich das Gehirn an einen vielfach wiederholten Reiz gewöhnt hat und plötzlich mit einem abweichenden konfrontiert wird. Etwa 150 bis 250 Millisekunden nach dessen Präsentation schlägt die Hirnstromkurve auf bestimmte Art und Weise aus, und zwar umso stärker, je höher der wahrgenommene Kontrast. Nach genauerer Analyse verrieten die Daten sogar Details: Das Sprachsystem bemerke zwar die Veränderung, reagiere aber nicht angemessen darauf, so die Forscher. Das "Stolpern" stoße keine weiteren Prozesse an, sondern verlaufe im Sande. Vielleicht könnte man eines Tages den Fremdsprachen-Unterricht so anpassen, dass die individuellen Schwächen des Systems gezielt trainiert würden, hofft Diaz. Bis es so weit ist, können wir uns wenigstens noch ein bisschen über solche Patzer freuen.
Tags darauf ruderte sie kleinlaut zurück. Alles sei, nun ja: ganz anders gewesen. Kouchner habe im auf Englisch geführten Interview lediglich sagen wollen, "you [d. h. die Israelis] will hit them before", würden also "zuschlagen", dabei aber ganz nach Art seiner Landsleute das h- verschluckt. Eine kleine "H-Bombe" habe Kouchner da gezündet, stichelte die BBC.
Dabei hat fast jeder, der einmal eine Fremdsprache gelernt hat, ähnliche Probleme: Manche Laute wollen partout nicht ins Ohr. Wo das Englische etwa – wie in "heat" und "hit" – zwei verschiedene /i/ verwendet, kennt das Französische nur eines. Gerade in solchen Fällen hören viele Nichtmuttersprachler keinen Unterschied und korrigieren deshalb ihre Aussprache nicht.
"Stolpern" im EEG
Genauso geht es Spaniern, deren Zweitsprache das um Barcelona verbreitete Katalanisch ist. Einigen von ihnen gelingt noch nach Jahren nicht, die katalanischen Vokale /e/ und /ε/ (ein offeneres e) zu trennen. Diesen individuellen Schwierigkeiten spürten jetzt Begoña Diaz und Kollegen von der Universitat de Barcelona nach. Fällt es den Betroffenen ganz allgemein schwerer, Gehörtes zu analysieren, oder mangelt es ihnen schlicht am nötigen "Sprachtalent"?
Was sofort eine Folgefrage aufwirft: Wie kann man das herausfinden? Die Forscher verlegten sich auf ein erprobtes Verfahren, dem Messen so genannter ereigniskorrelierter Potenziale im EEG, dem klassischen Elektroenzephalogramm. Jedes "Stolpern" des Sprachsystems über Ungereimtheiten schlägt sich dort als Signal nieder. So kann man das arbeitende System regelrecht abhorchen, wenn man ihm die geeigneten Stolpersteine vorsetzt. Das kann ein unbekanntes Wort sein oder – wie in der aktuellen Studie – ein unerwarteter Laut. Diaz und Kollegen teilten ihre 31 Probanden, je nach deren Fähigkeit, /e/ von /ε/ unterscheiden zu können, in die "guten Hörer" und die "schlechten Hörer" auf. Die mit einem Stummfilm abgelenkten Versuchspersonen bekamen nun Sprachlaute zu hören: ein einzelnes /e/ oder /ö/ inmitten einer Serie von /o/s. Tatsächlich wiesen die "schlechten Hörer" verringerte EEG-Ausschläge auf: Ihr Sprachsystem scherte sich offenbar nicht besonders um Lautunterschiede.
Rein sprachspezifische Probleme
In Phase zwei spielten ihnen die Forscher dagegen Töne vor und variierten gelegentlich Frequenz, Dauer oder Rhythmus. Hier waren die "schlechten" ebenso erfolgreich wie die "guten". Diaz' Schlussfolgerung: An der rein akustischen Verarbeitung kann es nicht liegen; Phase zwei meisterten alle gleich gut. Die Schwierigkeiten mit den katalanischen Vokalen beruhen demnach auf Defiziten im Umgang mit Sprachlauten oder anders ausgedrückt: auf mangelndem "Sprachtalent". Die "guten Hörer" seien im Vorteil, weil ihr Gehirn lautspezifische Unterschiede besser wahrnehme, deshalb falle ihnen die Unterscheidung leichter.
Die im Experiment gemessene so genannte mismatch negativity (MMN) ist nachweisbar, wenn sich das Gehirn an einen vielfach wiederholten Reiz gewöhnt hat und plötzlich mit einem abweichenden konfrontiert wird. Etwa 150 bis 250 Millisekunden nach dessen Präsentation schlägt die Hirnstromkurve auf bestimmte Art und Weise aus, und zwar umso stärker, je höher der wahrgenommene Kontrast. Nach genauerer Analyse verrieten die Daten sogar Details: Das Sprachsystem bemerke zwar die Veränderung, reagiere aber nicht angemessen darauf, so die Forscher. Das "Stolpern" stoße keine weiteren Prozesse an, sondern verlaufe im Sande. Vielleicht könnte man eines Tages den Fremdsprachen-Unterricht so anpassen, dass die individuellen Schwächen des Systems gezielt trainiert würden, hofft Diaz. Bis es so weit ist, können wir uns wenigstens noch ein bisschen über solche Patzer freuen.
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