News: Kein Treibhausgas aus dem Meeresboden
Das Treibhausgas Methan entsteht im Meeresboden in riesigen Mengen beim Verwesen organischen Materials und könnte als Gas in die Atmosphäre aufsteigen. Erst kürzlich hat man entdeckt, dass eine natürliche Barriere aus Mikroorganismen dies verhindert. Bei der Entschlüsselung dieses komplexen Prozesses der Methan-Entsorgung sind Wissenschaftler jetzt einen großen Schritt weiter gekommen.
Methan ist ein häufig vorkommendes natürliches Gas. Es ist Hauptbestandteil von Erdgas, das wir als Energielieferanten nutzen, und von Sumpfgas, das aus stehenden Gewässern und Reisfeldern in die Luft entweicht. Dieser Ausstoß in die Atmosphäre gibt Anlass zu Sorge: Denn Methan ist wie Kohlendioxid ein Klimagas, das infrarote Strahlung abfängt und zur globalen Erwärmung beiträgt.
Doch seit wenigen Jahren gilt einer weiteren Gasquelle vermehrt die Aufmerksamkeit von Geologen, Klimaforschern und Biologen: dem im Meeresboden gebildeten und gespeicherten Methan. Seine Mengen übertreffen sogar die der fossilen Brennstoffe bei weitem. Trotz ständiger Neubildung und Wanderung zur Oberfläche des Meeresbodens gelangen zum Glück keine größeren Methanmengen aus dem Meer in die Atmosphäre. Denn spezielle Mikroorganismen unter der Oberfläche des Meeresbodens oxidieren die Verbindung, bevor sie ins freie Wasser gelangen kann.
Dieser Oxidationsvorgang, so wichtig und weit verbreitet er auch ist, ist bisher alles andere als verstanden. Es gibt Befunde, wonach dieser Prozess von zwei in Symbiose lebenden Mikroorganismen gesteuert wird. Schon länger ist bekannt, dass in der Zone der Methanoxidation kein Sauerstoff vorhanden ist und für die Mikroorganismen nur das im Meerwasser enthaltene Sulfat als Oxidationsmittel zur Verfügung steht. Das Sulfat wird dabei zu Schwefelwasserstoff reduziert. Schwefelwasserstoff ist für höhere Lebewesen zwar sehr giftig, wird aber durch andere Mikroorganismen etwas weiter oben im Kontakt mit dem freien Meerwasser sehr schnell und vollständig wieder oxidiert.
Doch ungelöste Fragen gibt es noch reichlich: Sulfat ist ein viel schwächeres Oxidationsmittel als Sauerstoff. Somit liefert die Methanoxidation mit Sulfat auch sehr, sehr wenig Energie für die Zellen, und es erstaunt, wie die Mikroorganismen mit dieser Niedrigstkalorien-Kost überhaupt ihr Leben fristen können. Doch damit nicht genug: Methan ist eine äußerst reaktionsträge Substanz, da die vier Wasserstoffatome das Kohlenstoffatom abschirmen, das damit chemisch schwer angreifbar ist. Zwar können Methan-Luft-Gemische sehr heftig explodieren, aber diese von Sauerstoff abhängige Reaktion braucht eine glühend-heiße Zündung und läuft bei mehreren hundert Grad Celsius ab. Andere Reaktionen mit Methan benötigen ebenfalls extreme Verhältnisse, beispielsweise hoch konzentrierte Schwefelsäure und einen besonderen Katalysator. Am Meeresboden aber, wo Methan oxidiert wird, ist es kalt und Sauerstoff fehlt. Wie gelingt den Mikroorganismen dann ihr Meisterstück?
Lange hat man über das Enzym – den Biokatalysator – spekuliert, mit dem die Mikroorganismen das widerspenstige Methan aufschließen. Diesem Biokatalysator sind Wissenschaftler an den Max-Planck-Instituten für terrestrische Mikrobiologie in Marburg, marine Mikrobiologie in Bremen und molekulare Genetik in Berlin nun offensichtlich auf die Spur gekommen. Da sich die methanoxidierenden Mikroorganismen bisher nicht im Labor züchten ließen – eine wichtige Voraussetzung für biochemische Untersuchungen, griffen die Forscher auf frische Proben zurück: Bei einer gemeinsamen Expedition ins Schwarze Meer mit Wissenschaftlern der Universität Hamburg spürten sie Unterwassergebiete in 200 Metern Tiefe auf, wo Methan in schlotähnlichen Gebilden nach oben steigt.
Diese Schlote sind dicht mit pelzigen Belägen – Matten aus methanoxidierenden Mikroorganismen – bewachsen und liefern so genügend Substanz für biochemische Untersuchungen im Labor. Über spezielle Extraktions- und Trennverfahren ließ sich aus den Matten ein auffälliges Protein isolieren, das in seiner Menge alle anderen darin vorkommenden Proteine übertraf und daher eine zentrale Rolle in den dortigen Mikroorganismen spielen musste. Weitere Analysen ergaben, dass dieses Protein Nickel enthält, ein Metall, das im Vergleich zu dem häufigen Biometall Eisen relativ selten in Zellen aller Art vorkommt.
Allerdings ist schon lange bekannt, dass Nickel auch etwas mit dem umgekehrten Prozess, also der Bildung von Methan, zu tun hat. Denn der Biokatalysator in den Mikroorganismen, der zur Freisetzung von Methan in Sümpfen, Reisfeldern oder Sedimenten führt, ist ebenfalls ein Nickel-haltiges Protein. Der Vergleich der beiden Proteine zeigte große Ähnlichkeiten. Aus allen diesen Beobachtungen schlossen die Forscher, dass es sich bei dem in den Matten so häufig vorkommenden Protein um das gesuchte Enzym für den Verdau von Methan handelt.
Damit konnte die Suche nach dem Gen für den Biokatalysator beginnen. Diese gestaltete sich schwierig, weil das Ausgangmaterial mit einer unbekannten Anzahl von anderen Organismen verunreinigt war und deshalb Erbinformationen vieler Bakterien enthielt. Den Forschern gelang es bis heute nicht, die Mikroorganismen aus der Mikrobenmatte aufzureinigen und eine Reinkultur zu erzeugen, um sie dann nach allen Regeln der Kunst untersuchen zu können. Das war keine Überraschung, denn auch viele andere in der Umwelt vorkommenden Mikroorganismen lassen sich im Labor nicht zum Wachsen bringen. Trotz dieser Schwierigkeiten konnten die Forscher die "Stecknadel" in diesem genetischen "Heuhaufen" finden – das vollständige Gen für das Nickel-haltige Protein. Sie nutzten dafür Techniken aus der Genomanalyse, die bisher vor allem in der Medizin und Biotechnologie eingesetzt wurden.
Mit dieser "Umweltgenomik" waren die Wissenschaftler in der Lage, einen großen vollständigen Genomabschnitt, ein so genanntes Contig, aus der Umwelt ins Labor holen. Im Gegensatz zum klassischen Ansatz braucht man dazu keine aufgereinigten Bakterien, sondern zäumt das Pferd von hinten auf: Die Forscher schredderten zuerst grob die gesamte Erbsubstanz der Umweltprobe und suchten dann gezielt nach Contigs mit den wesentlichen Genen. Diese Stücke wurden dann sequenziert und mittels Bioinformatik interpretiert. Im Ergebnis konnten sie einem bisher nicht isolierten Vertreter der Archaea zugeordnet werden.
Als die beteiligten Forscher die Gene mit der Erbinformation für die Bildung des Nickel-haltigen Proteins analysierten, fanden sie eine auffallende Ähnlichkeit mit der Erbinformation für das Methan-bildende Enzym. Warum dieses Enzym für den "Vorwärtsgang", also die Methanbildung, und das neu gefundene Protein für den "Rückwärtsgang", also die Methanoxidation, geeignet ist, ist noch unklar.
Für die chemisch-technische Verwertung von Methan wäre ein Katalysator nach einem Prinzip, wie es die Mikroorganismen in den Matten seit Jahrmillionen anwenden, eine große Innovation. Auch das "neue" Nickel-Enzym selbst hat eigentlich nichts Exotisches: Angesichts des hohen Prozentsatzes, mit dem es in den Mikroorganismen enthalten ist, und angesichts der riesigen Flächen im Meer, wo Methan oxidiert wird, gehört es sicherlich zu den weltweit häufigsten Enzymen mit einer Schlüsselfunktion im Stoffkreislauf der Meere.
Doch seit wenigen Jahren gilt einer weiteren Gasquelle vermehrt die Aufmerksamkeit von Geologen, Klimaforschern und Biologen: dem im Meeresboden gebildeten und gespeicherten Methan. Seine Mengen übertreffen sogar die der fossilen Brennstoffe bei weitem. Trotz ständiger Neubildung und Wanderung zur Oberfläche des Meeresbodens gelangen zum Glück keine größeren Methanmengen aus dem Meer in die Atmosphäre. Denn spezielle Mikroorganismen unter der Oberfläche des Meeresbodens oxidieren die Verbindung, bevor sie ins freie Wasser gelangen kann.
Dieser Oxidationsvorgang, so wichtig und weit verbreitet er auch ist, ist bisher alles andere als verstanden. Es gibt Befunde, wonach dieser Prozess von zwei in Symbiose lebenden Mikroorganismen gesteuert wird. Schon länger ist bekannt, dass in der Zone der Methanoxidation kein Sauerstoff vorhanden ist und für die Mikroorganismen nur das im Meerwasser enthaltene Sulfat als Oxidationsmittel zur Verfügung steht. Das Sulfat wird dabei zu Schwefelwasserstoff reduziert. Schwefelwasserstoff ist für höhere Lebewesen zwar sehr giftig, wird aber durch andere Mikroorganismen etwas weiter oben im Kontakt mit dem freien Meerwasser sehr schnell und vollständig wieder oxidiert.
Doch ungelöste Fragen gibt es noch reichlich: Sulfat ist ein viel schwächeres Oxidationsmittel als Sauerstoff. Somit liefert die Methanoxidation mit Sulfat auch sehr, sehr wenig Energie für die Zellen, und es erstaunt, wie die Mikroorganismen mit dieser Niedrigstkalorien-Kost überhaupt ihr Leben fristen können. Doch damit nicht genug: Methan ist eine äußerst reaktionsträge Substanz, da die vier Wasserstoffatome das Kohlenstoffatom abschirmen, das damit chemisch schwer angreifbar ist. Zwar können Methan-Luft-Gemische sehr heftig explodieren, aber diese von Sauerstoff abhängige Reaktion braucht eine glühend-heiße Zündung und läuft bei mehreren hundert Grad Celsius ab. Andere Reaktionen mit Methan benötigen ebenfalls extreme Verhältnisse, beispielsweise hoch konzentrierte Schwefelsäure und einen besonderen Katalysator. Am Meeresboden aber, wo Methan oxidiert wird, ist es kalt und Sauerstoff fehlt. Wie gelingt den Mikroorganismen dann ihr Meisterstück?
Lange hat man über das Enzym – den Biokatalysator – spekuliert, mit dem die Mikroorganismen das widerspenstige Methan aufschließen. Diesem Biokatalysator sind Wissenschaftler an den Max-Planck-Instituten für terrestrische Mikrobiologie in Marburg, marine Mikrobiologie in Bremen und molekulare Genetik in Berlin nun offensichtlich auf die Spur gekommen. Da sich die methanoxidierenden Mikroorganismen bisher nicht im Labor züchten ließen – eine wichtige Voraussetzung für biochemische Untersuchungen, griffen die Forscher auf frische Proben zurück: Bei einer gemeinsamen Expedition ins Schwarze Meer mit Wissenschaftlern der Universität Hamburg spürten sie Unterwassergebiete in 200 Metern Tiefe auf, wo Methan in schlotähnlichen Gebilden nach oben steigt.
Diese Schlote sind dicht mit pelzigen Belägen – Matten aus methanoxidierenden Mikroorganismen – bewachsen und liefern so genügend Substanz für biochemische Untersuchungen im Labor. Über spezielle Extraktions- und Trennverfahren ließ sich aus den Matten ein auffälliges Protein isolieren, das in seiner Menge alle anderen darin vorkommenden Proteine übertraf und daher eine zentrale Rolle in den dortigen Mikroorganismen spielen musste. Weitere Analysen ergaben, dass dieses Protein Nickel enthält, ein Metall, das im Vergleich zu dem häufigen Biometall Eisen relativ selten in Zellen aller Art vorkommt.
Allerdings ist schon lange bekannt, dass Nickel auch etwas mit dem umgekehrten Prozess, also der Bildung von Methan, zu tun hat. Denn der Biokatalysator in den Mikroorganismen, der zur Freisetzung von Methan in Sümpfen, Reisfeldern oder Sedimenten führt, ist ebenfalls ein Nickel-haltiges Protein. Der Vergleich der beiden Proteine zeigte große Ähnlichkeiten. Aus allen diesen Beobachtungen schlossen die Forscher, dass es sich bei dem in den Matten so häufig vorkommenden Protein um das gesuchte Enzym für den Verdau von Methan handelt.
Damit konnte die Suche nach dem Gen für den Biokatalysator beginnen. Diese gestaltete sich schwierig, weil das Ausgangmaterial mit einer unbekannten Anzahl von anderen Organismen verunreinigt war und deshalb Erbinformationen vieler Bakterien enthielt. Den Forschern gelang es bis heute nicht, die Mikroorganismen aus der Mikrobenmatte aufzureinigen und eine Reinkultur zu erzeugen, um sie dann nach allen Regeln der Kunst untersuchen zu können. Das war keine Überraschung, denn auch viele andere in der Umwelt vorkommenden Mikroorganismen lassen sich im Labor nicht zum Wachsen bringen. Trotz dieser Schwierigkeiten konnten die Forscher die "Stecknadel" in diesem genetischen "Heuhaufen" finden – das vollständige Gen für das Nickel-haltige Protein. Sie nutzten dafür Techniken aus der Genomanalyse, die bisher vor allem in der Medizin und Biotechnologie eingesetzt wurden.
Mit dieser "Umweltgenomik" waren die Wissenschaftler in der Lage, einen großen vollständigen Genomabschnitt, ein so genanntes Contig, aus der Umwelt ins Labor holen. Im Gegensatz zum klassischen Ansatz braucht man dazu keine aufgereinigten Bakterien, sondern zäumt das Pferd von hinten auf: Die Forscher schredderten zuerst grob die gesamte Erbsubstanz der Umweltprobe und suchten dann gezielt nach Contigs mit den wesentlichen Genen. Diese Stücke wurden dann sequenziert und mittels Bioinformatik interpretiert. Im Ergebnis konnten sie einem bisher nicht isolierten Vertreter der Archaea zugeordnet werden.
Als die beteiligten Forscher die Gene mit der Erbinformation für die Bildung des Nickel-haltigen Proteins analysierten, fanden sie eine auffallende Ähnlichkeit mit der Erbinformation für das Methan-bildende Enzym. Warum dieses Enzym für den "Vorwärtsgang", also die Methanbildung, und das neu gefundene Protein für den "Rückwärtsgang", also die Methanoxidation, geeignet ist, ist noch unklar.
Für die chemisch-technische Verwertung von Methan wäre ein Katalysator nach einem Prinzip, wie es die Mikroorganismen in den Matten seit Jahrmillionen anwenden, eine große Innovation. Auch das "neue" Nickel-Enzym selbst hat eigentlich nichts Exotisches: Angesichts des hohen Prozentsatzes, mit dem es in den Mikroorganismen enthalten ist, und angesichts der riesigen Flächen im Meer, wo Methan oxidiert wird, gehört es sicherlich zu den weltweit häufigsten Enzymen mit einer Schlüsselfunktion im Stoffkreislauf der Meere.
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