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Astronomie: Kein Verständnis für Quasare

Seit 50 Jahren wissen wir, dass Quasare in gewaltiger Entfernung liegen. Doch noch immer fehlt uns ein Verständnis - es mangelt an kritischem Denken, findet Robert Antonucci.
Ein Quasar im Zentrum einer Galaxie (künstlerische Darstellung)

Blickt man auf einen Quasar mit einem Teleskop im sichtbaren Spektralbereich, unterscheidet er sich kaum von einem herkömmlichen Stern. Mit Radioteleskopen zeigt sich hingegen, dass es sich bei diesen rätselhaften Objekten vor allem um Radioquellen handelt. Aber erst als vor genau 50 Jahren – im Jahr 1963 also – Astronomen die erste Abstandsmessung zu einem solchen Himmelsobjekt veröffentlichten, wurde deutlich, wie enorm die Leuchtkraft der Quasare tatsächlich ist: Sie liegen Milliarden von Lichtjahren von der Erde entfernt.

Quasare sind außergewöhnlich hell. Sie emittieren so viel Energie wie Tausende von riesigen Galaxien – und das aus einer Region so winzig wie das Sonnensystem. Dabei decken sie das gesamte elektromagnetische Spektrum ab, von Radiowellen bis hin zu Gammastrahlen. Viele von ihnen feuern auch gebündelte Teilchenstrahlen mit nahezu Lichtgeschwindigkeit ins All. Dadurch bilden sich gewaltige, keulenförmige Partikelwolken oder Blasen aus, die sich über Millionen von Lichtjahren erstrecken und Radiowellen aussenden.

Vor der ersten Entfernungsmessung war die Astronomie darauf beschränkt, nur das lokale, wohlbekannte Universum erkunden zu können. Das ferne Universum schien dagegen außer Reichweite. Nun aber ermöglichte uns das von fernen Quasaren ausgehende Licht einen Blick in die kosmische Vergangenheit. In den 1920er Jahren entdeckten Astronomen, dass das Universum expandiert. Der Kosmos muss demnach ein endliches Alter besitzen – derzeit geht man von etwa 13,7 Milliarden Jahren aus. Und so war es für Astronomen eine große Freude, immer weiter entfernte Quasare aufzuspüren und sich so mit immer besserer Technik näher und näher an den Urknall heranzutasten. Doch wie Quasare die enormen Energiemengen emittieren, ist bislang noch nicht im Detail verstanden.

Quasar-Motoren | Die Akkretion von Masse auf die riesigen Schwarzen Löcher im Zentrum von Galaxien sorgt für die gewaltige Leuchtkraft der Quasare.

Quasare und andere aktive galaktische Kerne (engl. "active galactic nuclei", AGNs) beziehen ihre Energie durch die Akkretion von Gas und Sternen auf supermassereiche Schwarze Löcher, die sich in Galaxienzentren verbergen. So weit sind sich alle einig. Doch die Einzelheiten liegen noch im Dunkeln (siehe das Schaubild "Quasar-Motoren"). Viele theoretische Modelle von Quasaren haben wenig oder keine Vorhersagekraft und meiner Meinung nach dementsprechend wenig Nutzen. Es gilt, dieses Problem zu erkennen und sich jetzt vor allem darauf zu konzentrieren, die Physik von Schwarzen Löchern zu verstehen.

Rückblick

Die ersten bekannten Objekte weit außerhalb der Milchstraße waren Radiogalaxien, deren keulenförmige Emissionsgebiete in den 1950er Jahren mit Hilfe von Radioteleskopen entdeckt wurden. Mit optischen Teleskopen konnten Astronomen schließlich den Abstand zu den Galaxien ermitteln: Durch die Ausdehnung des Weltalls verschieben sich die Spektrallinien von chemischen Elementen wie Wasserstoff auf ihrem Weg zur Erde zu längeren Wellenlängen. Diese Rotverschiebung fällt umso stärker aus, je weiter die emittierende Galaxie von uns entfernt ist. Bis 1960 hielt die Radiogalaxie 3C295 (das 295. Objekt im dritten Cambridge-Katalog der Radioquellen) den Rekord mit einer Rotverschiebung von 0,464 – das Licht begann seine Reise demnach vor 4,8 Milliarden Jahren. Nur leider sind Radiogalaxien lichtschwach und nur schwer aus der Ferne zu erkennen.

Mit der ersten bekannten Rotverschiebung für einen Quasar erweiterte sich der kosmische Horizont im März 1963 schlagartig. In der Zeitschrift "Nature" beschrieb Maarten Schmidt die leuchtstarke Quelle 3C273 – ein weiteres Objekt aus dem Cambridge-Katalog – und bestimmte ihre Rotverschiebung auf einen Wert von 0,158, entsprechend einer Distanz von 2,4 Milliarden Lichtjahren [1]. Das Spektrum von 3C273 weicht von dem eines gewöhnlichen Sterns ab, zeigte Bev Oke in einem zeitgleich veröffentlichten Artikel [2]. Die erstaunliche Helligkeit gepaart mit der großen Entfernung der Quelle ließ auf eine enorm hohe Energiefreigabe schließen. Schon bald folgten deutlich höhere Rotverschiebungen für andere Quasare.

Die Astronomen Fred Hoyle und William Fowler erkannten Anfang 1963, dass die ungeheuren Energien der Radioblasen nur durch den gravitativen Kollaps eines sehr massereichen Objekts, hundert Millionen Mal schwerer als die Sonne, erzeugt werden könnten. Ein solches Monster müsste unter seinem eigenen Gewicht zusammenfallen und ein supermassereiches Schwarzes Loch bilden, argumentierte Donald Lynden-Bell 1969 ebenfalls in "Nature". Ein solcher Kollaps von großen Massen auf winzige Größen – fast so als dividiere man in der Gleichung für die potentielle Energie im Gravitationsfeld durch Null – brachte Schwung in die Astronomie.

Einige Quasarjets, darunter einer in 3C273, schienen Plasmamassen mit zehnfacher Lichtgeschwindigkeit aus den Zentren zu schießen – womit sie eigentlich gegen die Regeln der Relativitätstheorie verstoßen würden. In den 1970er und frühen 1980er Jahren enttarnten die Astronomen Peter Scheuer und unabhängig davon Roger Blandford und Martin Rees dieses "Überlichtgeschwindigkeitsplasma" als Illusion: Zeitverzögerungen im Licht, das aus hellen Bereichen innerhalb der Jets stammt, verursachen demnach schnell wechselnde Muster im Spektrum und erzeugen dadurch den falschen Eindruck – ähnlich wie bei Zeitrafferaufnahmen.

In den 1980er und frühen 1990er Jahren stellten Astronomen einen Zusammenhang zwischen Radiogalaxien und Quasaren her. Denn einige wesentliche Eigenschaften sprachen dafür, dass sich diese beiden Klassen nur in ihrer Orientierung bezüglich der Sichtlinie unterscheiden. Dies führte zu "vereinheitlichten Modellen", mit denen sich die Merkmale der aktiven galaktischen Kerne abhängig vom Winkel des Jets beschreiben ließen [3].

Zeigen die Jets eines Quasars fast auf uns, lassen sich die überlichtschnellen Bewegungen beobachten, andernfalls nicht. Die Jets von Radiogalaxien hingegen liegen in der Himmelsebene, also senkrecht zur Sichtlinie. Darüber hinaus konnten Forscher in den 1980er Jahren mit Hilfe der optischen Spektropolarimetrie sowie anderen Methoden ein weiteres Detail aufdecken: Die breiten und für Quasare charakteristischen Emissionslinien lassen sich in vielen aktiven galaktischen Kernen zwar nicht direkt beobachten. Doch in polarisiertem Licht, das an Gaswolken in unsere Richtung gestreut wird, sind diese Linien sehr wohl nachzuweisen [3]. Mit dem vereinheitlichten Modell konnten Astronomen die gemeinsamen Merkmale der verschiedenen Klassen von aktiven galaktischen Kernen zusammenfügen. Über das zentrale Schwarze Loch und wie die Energie dort entsteht, sagt es aber wenig aus.

Inzwischen gehen Astronomen davon aus, dass die meisten Galaxienzentren ein supermassereiches Schwarzes Loch beherbergen. In den 1980er und 1990er Jahren verfolgten Astronomen die Dynamik von Gaswolken und Sternen in nahen Galaxien und fanden so Hinweise auf inaktive Schwarze Löcher in deren Zentren [4]. Quasare stellen demnach nur eine Phase im Leben von Galaxien dar, in der die zentralen Schwarzen Löcher durch heranströmende Materie hell aufleuchten. Diese Eigenschaft war in der Vergangenheit häufiger anzutreffen und somit gibt es im heutigen Universum weniger Quasare. Doch auch wenn ihnen das Futter ausgegangen ist, bestehen die Schwarzen Löcher in den Galaxien noch immer fort – so auch in der Milchstraße.

Kleine Fortschritte

Haben wir nun in den vergangenen 50 Jahren Quasare besser zu verstehen gelernt? Ich denke nicht. Die Modelle für Radioquellen haben sich in den letzten drei Jahrzehnten nicht wesentlich verändert [5]. Grundlegende Fragen bleiben offen: Enthalten die Jets und Radioblasen Elektronen und Protonen oder Elektron-Positron-Paare? Besitzen die Protonen hohe Energien, wie im Fall der kosmischen Strahlung? Teilt sich die Energie gleichmäßig zwischen elektrischen und magnetischen Feldern auf? Ohne Antworten auf diese Fragen können wir nur eine untere Grenze dafür abschätzen, wie viel Energie in den Jets und Radioblasen steckt.

Dass wir so wenig verstehen, liegt meiner Meinung nach weder an Intelligenz, Fleiß oder Kreativität der Forscher, noch mangelt es uns an Instrumenten und neuen Messverfahren. Es fehlt bei vielen schlicht an kritischem Denken: Es werden Theorien veröffentlicht, die man bereits durch Beobachtungen ausgeschlossen hatte. Beobachter klammern sich bei der Interpretation ihrer Daten an widerlegte Theorien. Viel Arbeit ist so verschwendet worden.

Ein Großteil der Mitglieder der AGN-Community scheint unter dem Bann von unphysikalischen Modellen ohne jegliche Vorhersagekraft zu stehen. Eigentlich hochintelligente Leute mühen sich an zu stark vereinfachenden Modellen der "Akkretionsscheibe" ab, nach denen sich die Materie dem Schwarzen Loch spiralförmig nähert – inklusive längst widerlegter Annahmen, etwa einer sich nur langsam verändernden Scheibenstruktur [6, 7]. Diese Modelle passen einfach nur dann zu den Beobachtungen, wenn man eine gehörige Portion Zusatzannahmen macht.

Die Eigenschaften von kleinen Akkretionsscheiben, die sich um stellare Schwarze Löcher finden, lassen sich nicht einfach hinaufskalieren, um die Spektren der deutlich leuchtkräftigeren Quasare zu erklären. Modelle und Beobachtungen von Quasaremissionen verletzen selbst grundlegende Regeln, wie das Stefan-Boltzmann-Gesetz. Letzteres besagt, dass die gesamte von einem schwarzen Körper abgestrahlte Energie mit seiner Temperatur in der vierten Potenz ansteigt. Neue Studien zeigen zudem weitere Probleme auf. So kommt beispielsweise ein Großteil des optischen Lichts von Quasaren aus Regionen, die viel größer ausfallen als von den Akkretionsscheiben-Modellen vorhergesagt [8].

Dass einige Astronomen es vorziehen, "zu sehen, was sie sehen wollen", zeigt ein aufschlussreicher Fauxpas. 1984 freuten sich viele in dem Gebiet als das erste hinreichend empfindliche UV-Weltraumteleskop eine Temperatur für einen aktiven galaktischen Kern ermittelte, die mit der Vorhersage des Akkretionsscheiben-Modells übereinstimmte. Erst ein Hobbyastronom entdeckte den Fehler: In der Analyse hatte man einen Faktor zehn bei Newtons Gravitationskonstante vergessen. Das Modell stand nun also nicht mehr im Einklang mit den Daten und die Autoren publizierten schnell eine korrigierte Fassung [9]. Doch während Forscher diese kaum zitierten, nannten sie den ursprünglichen Artikel mehr als hundertmal.

1995 schien die AGN-Forschung einem Durchbruch nahe: Weltraumgestützte Röntgenteleskope waren nun empfindlich genug, um bestimmte Emissionslinien von Eisen nachzuweisen. Hohe Geschwindigkeiten und die enorme Gravitation nahe einem Schwarzen Loch sollten die Linien verbreitern. Astronomen bemühten sich erneut um eine plausible Theorie. Dem vorherrschenden Szenario zufolge werden die Linien von einer mysteriösen Röntgenquelle erzeugt, die über einer Scheibe aus kaltem Material schwebt. Zwar behaupten manche Forscher, diese Theorie bestätigen zu können [10, 11]. Doch aus meiner Sicht gibt es bisher keine guten Belege dafür, dass die Stärke der Eisenlinien von Helligkeitsschwankungen des Röntgenkontinuums abhängt – und das mit weniger Verzögerung als man erwarten würde.

Diese Belege für das erweiterte Akkretionsscheiben-Modell sind schwach im Vergleich zu weiter fortgeschrittenen Studien zur Variabilität optischer Spektrallinien. Noch merkwürdiger: Die veränderten Eisenlinienprofile bleiben für Tage bestehen. Demnach müsste es die Röntgenquelle irgendwie schaffen, sich entsprechend lange über ein- und demselben Punkt zu halten und das während sich die Akkretionsscheibe dreht – das erscheint unmöglich. Will man die Theorie anpassen, macht sie das nur noch komplexer. Ein Ansatz versucht beispielsweise die unverständliche Reaktion der Linien auf das Kontinuum durch die Krümmung des Lichts zu erklären. Astronomen, die AGNs entweder im Röntgen- oder aber im ultravioletten Spektralbereich untersuchen, reden nur selten miteinander. Und das obwohl beide Gruppen an Vorgängen in der inneren Akkretionsscheibe forschen.

Ich sehe immer weniger ernstzunehmende, theoretische Arbeiten zu AGNs; gleichzeitig ist man bemüht, immer mehr Quasare in Durchmusterungen aufzuspüren. Es scheint, als hätte die Community aufgegeben, AGNs zu verstehen und konzentriere sich nun auf das bescheidenere Ziel, sie zu zählen. Leider führt die statistische Analyse der astronomischen Durchmusterungen zu weiteren Probleme, wie etwa das angebliche Auffinden kausaler Zusammenhänge in grafischen Darstellungen von abhängigen Variablen [12].

Wohin geht die Reise?

In den vergangenen fünfzig Jahren haben wir Tausende von Quasaren gefunden, aber gute physikalische Modelle, wie sie ihre ungeheure Energie abstrahlen, haben wir noch keine. Astronomen müssten daher einmal einen schonungslosen Blick auf ihre AGN-Modelle werfen und diejenigen entsorgen, die unrealistisch sind oder durch Beobachtungen widerlegt wurden. Zudem sollten wir empfindlichere Röntgenteleskope einsetzen, um Emissionslinien aus der Nähe von Schwarzen Löchern detailliert zu untersuchen. Und wir brauchen leistungsfähige Computersimulationen von Schwarzen Löchern, die unter anderem auch Magnetismus, Fluiddynamik oder die Wärmebilanz einschließen. Ich hoffe, meinen Teil dazu beizutragen, indem ich das Strahlungsspektrum der aktiven Galaxienkerne aufkläre, wobei ich den Einfluss von umgebenden Gas und Staub herausrechne [13].

Ich bitte meine jüngeren Kollegen, einmal am Tag für nur 15 Minuten in sich zu gehen und nachzudenken. Das sind nur drei Prozent ihrer Zeit. Frei nach dem Motto, das ich vor kurzem auf einem kalifornischen Autoaufkleber sah: "Tue nicht nur etwas, sitze auch herum."

  • Quellen
1. Schmidt, M. Nature 197, 1040 (1963).
2. Oke, J. B. Nature 197, 1040–1041 (1963).
3. Antonucci, R. Annu. Rev. Astron. Astrophys. 31, 473–521 (1993).
4. Kormendy, J. & Richstone, D. Annu. Rev. Astron. Astrophys. 33, 581–624 (1995).
5. Begelman, M. C., Blandford, R. D. & Rees, M. J. Rev. Modern Phys. 56, 255–351 (1984).
6. Blaes, O. in The Central Engine of Active Galactic Nuclei (eds Ho, L. C. & Wang, J.-M.) Vol. 373, 75 (ASP Conference Series, 2007).
7. Alloin, D. et al. Astrophys. J. 308, 23–35 (1986).
8. Dexter, D. & Agol, A. Astrophys. J. Lett. 727, L24 (2011).
9. Ulrich, M. H. et al. Mon. Not. R. Astron. Soc. 209, 479 (1984).
10. Zoghbi, A. et al. Mon. Not. R. Astron. Soc. 422, 129–134 (2012).
11. Zoghbi, A. et al. Preprint at http://arxiv.org/astro-ph1302.1761 (2013).
12. Antonucci, R. Astron. Astrophys. Trans. 27, 557–602 (2013).
13. Kishimoto, M. et al. Nature 454, 492–494 (2008).

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