Infektionskrankheiten: "Keine Chance, ihn gezielt zu finden"
Wochenlang haben Hygieneforscher des Universitätsklinikums Münster den Erreger des aktuellen Ehec-Ausbruchs untersucht. Die Ergebnisse der genetischen Analyse liegen nun vor. Björn Lohmann sprach deshalb mit Forschungsleiter Helge Karch über die gewonnenen Erkenntnisse.
spektrumdirekt: Herr Professor Karch, Ihre Analysen haben gezeigt, dass der Ehec-Stamm O104:H4 Eigenschaften zweier verschiedener E.-coli-Stämme vereint. Was bedeutet das?
Helge Karch: Der für den aktuellen Ausbruch verantwortliche Erreger produziert das Shiga-Toxin, wie es für enterohämorrhagische E. coli üblich ist. Er besitzt aber auch die Eigenschaft enteroaggregativer E. coli, sich an die Epithelzellen im Darm anzuheften. Dadurch nimmt der Körper verstärkt das Toxin auf, was die ungewöhnlich hohe Anzahl an schweren Komplikationen erklären könnte.
Haben Sie auch eine mögliche Erklärung für die hohe Virulenz gefunden?
Wir können die Virulenz nicht am Befund erklären. Es gibt hier nur sehr überschaubare Unterschiede: Die spezielle Haftungsfähigkeit und die Toxinproduktion spielen eine besondere Rolle. Ich könnte mir vorstellen, dass die Seltenheit des Erregerstamms eine Rolle gespielt hat. Es gab zuvor weltweit nur vier dokumentierte Nachweise, darunter 2001 einen in Deutschland. Auch in der Bevölkerung ist bislang keine Immunität nachgewiesen worden.
Wo könnte sich der Keim denn die letzten zehn Jahre versteckt haben?
Das ist unklar. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass er zehn Jahre ohne Mensch in der Umwelt überlebt hat. Wahrscheinlich gibt es einen Dauerausscheider, der selbst nicht erkrankt. Der Erreger macht einen Phasenwechsel durch, bei dem er zwischen Mensch und Umwelt pendelt. Eine effektive Vermehrung findet aber wahrscheinlich nur im Menschen statt.
Ich sehe keine Chance, ihn gezielt zu finden. Wir können aber verhindern, dass weiter Menschen infiziert werden. Und zwar durch strikte Einhaltung der Hygienemaßnahmen – und indem wir verhindern, dass Lebensmittel kontaminiert werden.
Gibt es eine genetische Begründung, weshalb vor allem Frauen betroffen waren?
Darauf haben wir bislang keine Hinweise entdeckt, wir wissen noch zu wenig über die Expression des Keims. Möglicherweise liegt es einfach an der Ernährungsgewohnheit. Wir haben aber nach wie vor auch neue Fälle ohne Sprossenverbindung, die derzeit untersucht werden.
Lässt sich denn aus der Analyse eine Behandlung für Erkrankte ableiten?
Möglicherweise. Man könnte das Wissen nutzen, um in der Natur einen Bakteriophagen zu finden, der den Erreger systematisch abtötet. Es wäre jetzt auch möglich, verschiedene Antibiotika darauf zu testen, ob sie nützlich sind. Beispielsweise ist der Stamm gegen Penizilline und Cephalosporine resistent, nicht jedoch gegen Carbapeneme. Eine Impfung käme nun jedenfalls zu spät und würde erst wieder nützen, sofern der Stamm nicht zum Dauerproblem wird. Ich glaube aber – das ist allerdings Spekulation –, dass er bald verschwindet.
Welche Rolle hat für Ihre Arbeit die Existenz einer Husec-Sammlung an der Universität Münster gespielt, einer Datenbank mit allen dokumentierten Ehec-Erregern, die das hämolytisch-urämische Syndrom auslösen?
Eine sehr große. Wir haben den Stamm nur zwei Tage nach Eingang der ersten Stuhlprobe identifiziert. Das wäre nicht möglich gewesen, wenn wir nicht ein seit 15 Jahren eingespieltes Team von Ehec-Spezialisten wären. Und wenn wir nicht diese Sammlung in unserem Institut zum Abgleich gehabt hätten, die alles, was schon vorgekommen ist, repräsentiert. Wir können nur dringend dazu raten, auch für andere Bakterien eine solche Biobank anzulegen, anstatt Isolate einfach wegzuwerfen.
Jedes Jahr gibt es in Deutschland über 1000 Ehec-Fälle, die aber meist harmlos verlaufen. Könnte einer dieser Stämme ebenso mutieren und zur Bedrohung werden wie O104:H4?
Die Husec-Kollektion beinhaltet weitere seltene Stämme, die hochpathogen sind. Wir müssen verhindern, dass diese Stämme sich verbreiten. Und vergessen Sie nicht: Diesmal war der betroffene Betrieb ziemlich klein. Ich mag mir nicht vorstellen, was bei einem größeren Betrieb passiert wäre.
Herr Karch, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Helge Karch: Der für den aktuellen Ausbruch verantwortliche Erreger produziert das Shiga-Toxin, wie es für enterohämorrhagische E. coli üblich ist. Er besitzt aber auch die Eigenschaft enteroaggregativer E. coli, sich an die Epithelzellen im Darm anzuheften. Dadurch nimmt der Körper verstärkt das Toxin auf, was die ungewöhnlich hohe Anzahl an schweren Komplikationen erklären könnte.
Haben Sie auch eine mögliche Erklärung für die hohe Virulenz gefunden?
Wir können die Virulenz nicht am Befund erklären. Es gibt hier nur sehr überschaubare Unterschiede: Die spezielle Haftungsfähigkeit und die Toxinproduktion spielen eine besondere Rolle. Ich könnte mir vorstellen, dass die Seltenheit des Erregerstamms eine Rolle gespielt hat. Es gab zuvor weltweit nur vier dokumentierte Nachweise, darunter 2001 einen in Deutschland. Auch in der Bevölkerung ist bislang keine Immunität nachgewiesen worden.
Wo könnte sich der Keim denn die letzten zehn Jahre versteckt haben?
Das ist unklar. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass er zehn Jahre ohne Mensch in der Umwelt überlebt hat. Wahrscheinlich gibt es einen Dauerausscheider, der selbst nicht erkrankt. Der Erreger macht einen Phasenwechsel durch, bei dem er zwischen Mensch und Umwelt pendelt. Eine effektive Vermehrung findet aber wahrscheinlich nur im Menschen statt.
Wie kann der Dauerausscheider gefunden werden?
Ich sehe keine Chance, ihn gezielt zu finden. Wir können aber verhindern, dass weiter Menschen infiziert werden. Und zwar durch strikte Einhaltung der Hygienemaßnahmen – und indem wir verhindern, dass Lebensmittel kontaminiert werden.
Gibt es eine genetische Begründung, weshalb vor allem Frauen betroffen waren?
Darauf haben wir bislang keine Hinweise entdeckt, wir wissen noch zu wenig über die Expression des Keims. Möglicherweise liegt es einfach an der Ernährungsgewohnheit. Wir haben aber nach wie vor auch neue Fälle ohne Sprossenverbindung, die derzeit untersucht werden.
Lässt sich denn aus der Analyse eine Behandlung für Erkrankte ableiten?
Möglicherweise. Man könnte das Wissen nutzen, um in der Natur einen Bakteriophagen zu finden, der den Erreger systematisch abtötet. Es wäre jetzt auch möglich, verschiedene Antibiotika darauf zu testen, ob sie nützlich sind. Beispielsweise ist der Stamm gegen Penizilline und Cephalosporine resistent, nicht jedoch gegen Carbapeneme. Eine Impfung käme nun jedenfalls zu spät und würde erst wieder nützen, sofern der Stamm nicht zum Dauerproblem wird. Ich glaube aber – das ist allerdings Spekulation –, dass er bald verschwindet.
Welche Rolle hat für Ihre Arbeit die Existenz einer Husec-Sammlung an der Universität Münster gespielt, einer Datenbank mit allen dokumentierten Ehec-Erregern, die das hämolytisch-urämische Syndrom auslösen?
Eine sehr große. Wir haben den Stamm nur zwei Tage nach Eingang der ersten Stuhlprobe identifiziert. Das wäre nicht möglich gewesen, wenn wir nicht ein seit 15 Jahren eingespieltes Team von Ehec-Spezialisten wären. Und wenn wir nicht diese Sammlung in unserem Institut zum Abgleich gehabt hätten, die alles, was schon vorgekommen ist, repräsentiert. Wir können nur dringend dazu raten, auch für andere Bakterien eine solche Biobank anzulegen, anstatt Isolate einfach wegzuwerfen.
Jedes Jahr gibt es in Deutschland über 1000 Ehec-Fälle, die aber meist harmlos verlaufen. Könnte einer dieser Stämme ebenso mutieren und zur Bedrohung werden wie O104:H4?
Die Husec-Kollektion beinhaltet weitere seltene Stämme, die hochpathogen sind. Wir müssen verhindern, dass diese Stämme sich verbreiten. Und vergessen Sie nicht: Diesmal war der betroffene Betrieb ziemlich klein. Ich mag mir nicht vorstellen, was bei einem größeren Betrieb passiert wäre.
Herr Karch, wir danken Ihnen für das Gespräch.
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