Tierökologie: Keine Kostverächter
Opportunismus ist nicht per se etwas Negatives - zumindest nicht im Tierreich und schon gar nicht, wenn es ums Fressen geht. Mitunter entscheidet er sogar über das Sein oder Nichtsein einer Art.
Fürsorglich kümmert sich Mutter 126 um ihren Nestling, einen grauen, stets hungrigen Daunenball. Sein Vater, Nr. 114, sucht derweil in der näheren und weiteren Umgebung von Arizonas entlegenen Vermilion Cliffs nach geeignetem Futter, um den nimmersatten Schnabel des noch nummernlosen Kükens zu sättigen. Zur gleichen Zeit schweben weitere ausgewachsene Exemplare in den Aufwinden über dem nahe gelegenen Grand Canyon; auch sie spähen nach verwertbaren Kadavern. Und selbst kurz vor den Toren San Diegos werden diese Riesen der Lüfte bereits wieder gesichtet.
Der Kalifornische Kondor kehrt also zurück, und das nicht zum ersten Mal in seiner Existenzgeschichte. Denn nach den neuesten Erkenntnissen von Page Chamberlain von der Stanford-Universität und seiner Kollegen begleitet seit den letzten Eiszeiten ein stetes Auf und Ab die Population dieses reinen Aasverwerters. Die Schwankungen stehen dabei in engem Zusammenhang mit der jeweiligen Verfügbarkeit verendeter Futtertiere, wie die Forscher aus einem Vergleich der Isotopenverhältnisse von Stickstoff und Kohlenstoff im Knochenkollagen oder Keratin der Vögel und ihrer potenziellen Nahrung schlussfolgerten.
Während der pleistozänen Kaltzeiten lebten Kalifornische Kondore in ganz Nordamerika von der Pazifik- bis zur Atlantikküste, was sich anhand von prähistorischen Knochenfunden leicht rekonstruieren lässt. In weiten Teilen dieses Verbreitungsgebiet fraßen die Resteverwerter die sterblichen Überbleibsel der so genannten pleistozänen Megafauna, zu der unter anderem Mastodons, Riesenhirsche, Bisons (Bison antiquus) und Pferde (Equus occidentalis) zählten.
Diese opportunistische Diät aus Meeresgetier und Land gebundenem Wild ließ Gymnogyps californianus über die Jahrtausende hier überdauern. Ein ähnliches Verhalten kennt die Wissenschaft noch heute vom nahe verwandten Andenkondor (Vultur gryphus), der sich ebenfalls oft aus dem Gebirge über hunderte Kilometer zur Küste hinab begibt, um dort an toten Walen zu fressen.
Am Ende des 18. Jahrhunderts beginnt sich allerdings der Mensch den marinen Ressourcen des Nordpazifiks verstärkt zuzuwenden: Entlang der westlichen Gestade macht er ausgiebig Jagd auf alle Arten von Walen, Seelöwen und Pelzrobben, bis die Bestände erschöpft sind. Für den Kalifornischen Kondor bedeutete das eine neuerliche Schmälerung der Nahrungspalette. Glücklicherweise für ihn weitete sich zu dieser Zeit die Rinder- und Schafzucht in Kalifornien aus, das bis 1848 unter mexikanischer Kontrolle stand.
Mit der Annexion Kaliforniens durch die Vereinigten Staaten wendete sich das Blatt ein weiteres Mal gegen die Großvögel: Die Rinderzucht diente jetzt primär der Fleischerzeugung, die Aasmenge nahm folglich ab. Zudem verfolgten viele Rancher und Jäger unnachgiebig die Kondore, die mittlerweile als Viehdiebe galten – fälschlicherweise, denn sie jagen nie selbst und spielen stattdessen den Gesundheitspolizisten, der totes und potenziell krankes Material vertilgt. Viele der Tiere verendeten auch indirekt an Bleivergiftung durch aufgenommene Schrotmunition aus erlegtem, nicht verwertetem Wild.
Bis zum Ende des 20. Jahrhunderts kam es deshalb zu dem drastischen Populationseinbruch der Art. Zum Schutze der heute wieder frei fliegenden Exemplare legen Biologen tote Kälber aus der Milchviehzucht aus, damit die Vögel nicht neuerlich dem toxischen Blei aus geschossenen Rehen oder Kojoten zum Opfer fallen. Diese gern von den Kondoren genommene Zusatzversorgung macht sich in den Knochen wiederum durch einen neuerlichen Anstieg des 13C-Isotopverhältnisses ersichtlich.
Was bedeutet das alles für die Zukunft des Kükens der Kondore 114 und 126? Chamberlain und seine Kollegen schlagen eine weitere Umstellung auf der Speisekarte der Tiere vor. Da dauerhafte Zufütterung die Vögel nicht wirklich unabhängig macht, sollen sie wieder an den Geschmack von Robben und Seelöwen gewöhnt werden – auch deren Bestände nehmen schließlich wieder zu. Erste Kondore sollen sich bereits vereinzelt in Kalifornien an gestrandeten Seelöwen genährt haben.
Vor knapp zwanzig Jahren hätte dies niemand mehr für möglich gehalten: Der Kalifornische Kondor (Gymnogyps californianus) war damals eine der seltensten Tierarten auf der Welt. Nur noch 22 dieser Neuweltgeier – die übrigens näher mit den Störchen als mit Greifvögeln verwandt sind – zogen ihre Kreise über Kalifornien. In einer konzertierten Aktion fingen staatliche und private Naturschützer die letzten Überlebenden der Spezies ein und vermehrten sie so erfolgreich in Gefangenschaft, dass die Tiere seit 1996 in Kalifornien, Arizona, Oregon und Baja California in Mexiko wieder ausgewildert werden.
Der Kalifornische Kondor kehrt also zurück, und das nicht zum ersten Mal in seiner Existenzgeschichte. Denn nach den neuesten Erkenntnissen von Page Chamberlain von der Stanford-Universität und seiner Kollegen begleitet seit den letzten Eiszeiten ein stetes Auf und Ab die Population dieses reinen Aasverwerters. Die Schwankungen stehen dabei in engem Zusammenhang mit der jeweiligen Verfügbarkeit verendeter Futtertiere, wie die Forscher aus einem Vergleich der Isotopenverhältnisse von Stickstoff und Kohlenstoff im Knochenkollagen oder Keratin der Vögel und ihrer potenziellen Nahrung schlussfolgerten.
Während der pleistozänen Kaltzeiten lebten Kalifornische Kondore in ganz Nordamerika von der Pazifik- bis zur Atlantikküste, was sich anhand von prähistorischen Knochenfunden leicht rekonstruieren lässt. In weiten Teilen dieses Verbreitungsgebiet fraßen die Resteverwerter die sterblichen Überbleibsel der so genannten pleistozänen Megafauna, zu der unter anderem Mastodons, Riesenhirsche, Bisons (Bison antiquus) und Pferde (Equus occidentalis) zählten.
Als die urzeitlichen Säugetiervertreter stark dezimiert wurden oder gar ausstarben – sei es durch den Klimawandel oder den Einfluss der ersten Menschen auf dem Kontinent –, verschwanden auch die Kondore großflächig aus ihrem einstigen Hoheitsgebiet. Nur die Westküste Nordamerikas und angrenzende Regionen waren davon ausgenommen: Nach den chemischen Analysen in Teergruben konservierter Vögel vom Ende des Pleistozäns verköstigten sich hier die Aasfresser wohl auch an gestrandeten Walen und verendeten Robben wie Seelöwen. Das in ihren Körpern im Vergleich zu Landtieren angereicherte 13C und 15N erhöhte auch die entsprechenden Isotop-Gehalte in den Kondor-Knochen.
Diese opportunistische Diät aus Meeresgetier und Land gebundenem Wild ließ Gymnogyps californianus über die Jahrtausende hier überdauern. Ein ähnliches Verhalten kennt die Wissenschaft noch heute vom nahe verwandten Andenkondor (Vultur gryphus), der sich ebenfalls oft aus dem Gebirge über hunderte Kilometer zur Küste hinab begibt, um dort an toten Walen zu fressen.
Am Ende des 18. Jahrhunderts beginnt sich allerdings der Mensch den marinen Ressourcen des Nordpazifiks verstärkt zuzuwenden: Entlang der westlichen Gestade macht er ausgiebig Jagd auf alle Arten von Walen, Seelöwen und Pelzrobben, bis die Bestände erschöpft sind. Für den Kalifornischen Kondor bedeutete das eine neuerliche Schmälerung der Nahrungspalette. Glücklicherweise für ihn weitete sich zu dieser Zeit die Rinder- und Schafzucht in Kalifornien aus, das bis 1848 unter mexikanischer Kontrolle stand.
Im Unterschied zu den englischen Siedlern züchteten die Mexikaner das Vieh weniger wegen des Fleischs als für eine prosperierende Leder- und Talgindustrie, sodass stets ausreichend Kadaver für die Neuweltgeier verfügbar waren. Sie konnten sich nun wieder zu Nahrungszwecken fast ausschließlich dem Landesinneren zuwenden und so ihr Verbreitungsgebiet wieder ein Stück weit nach Osten vergrößern. Chemisch drückt sich das in Verschiebungen des 13C- und eines Rückgangs des 15N-Gehalts in den Knochen damals gesammelter Kondore aus.
Mit der Annexion Kaliforniens durch die Vereinigten Staaten wendete sich das Blatt ein weiteres Mal gegen die Großvögel: Die Rinderzucht diente jetzt primär der Fleischerzeugung, die Aasmenge nahm folglich ab. Zudem verfolgten viele Rancher und Jäger unnachgiebig die Kondore, die mittlerweile als Viehdiebe galten – fälschlicherweise, denn sie jagen nie selbst und spielen stattdessen den Gesundheitspolizisten, der totes und potenziell krankes Material vertilgt. Viele der Tiere verendeten auch indirekt an Bleivergiftung durch aufgenommene Schrotmunition aus erlegtem, nicht verwertetem Wild.
Bis zum Ende des 20. Jahrhunderts kam es deshalb zu dem drastischen Populationseinbruch der Art. Zum Schutze der heute wieder frei fliegenden Exemplare legen Biologen tote Kälber aus der Milchviehzucht aus, damit die Vögel nicht neuerlich dem toxischen Blei aus geschossenen Rehen oder Kojoten zum Opfer fallen. Diese gern von den Kondoren genommene Zusatzversorgung macht sich in den Knochen wiederum durch einen neuerlichen Anstieg des 13C-Isotopverhältnisses ersichtlich.
Was bedeutet das alles für die Zukunft des Kükens der Kondore 114 und 126? Chamberlain und seine Kollegen schlagen eine weitere Umstellung auf der Speisekarte der Tiere vor. Da dauerhafte Zufütterung die Vögel nicht wirklich unabhängig macht, sollen sie wieder an den Geschmack von Robben und Seelöwen gewöhnt werden – auch deren Bestände nehmen schließlich wieder zu. Erste Kondore sollen sich bereits vereinzelt in Kalifornien an gestrandeten Seelöwen genährt haben.
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