Aktuelles Stichwort: Kernschmelze: Wenn der Reaktor zu heiß wird
Die Lage der Atomkraftwerke im japanischen Fukushima gerät anscheinend zunehmend außer Kontrolle. Auch wenn es noch keine absolute Gewissheit gibt, wird in drei Reaktoren eine Kernschmelze befürchtet. Was steckt hinter diesem schweren Störfall?
Das kleine ukrainische Städtchen Tschernobyl ist weltbekannt. Der Grund für den Ruhm ist allerdings traurig: Am 26. April 1986 ereignete sich hier der bisher schwerste Reaktorunfall. Ursache war eine totale Kernschmelze. Auch in anderen Reaktoren dieser Welt kam es bereits zu diesem schwerwiegenden Störfall, beispielsweise am 28. März 1979 im Kernkraftwerk Three Mile Island im US-Bundesstaat Pennsylvania. Nun droht dies in Japan am Reaktor Fukushima I nach dem Beben von letzter Woche erneut.
Der Strom in Kernkraftwerken wird – wie auch in anderen Kraftwerken – durch heißen Wasserdampf erzeugt, der eine Turbine antreibt. Statt mit Kohle, Öl oder Erdgas wird die Wärme in einem Atommeiler allerdings meist durch die Spaltung von Uran-235 erzeugt. Im Normalfall werden die bei den Spaltprozessen freigesetzten Neutronen so in Schach gehalten, dass eine kontrollierte Kettenreaktion abläuft.
Meist handelt es sich um sogenannte Leichtwasserreaktoren, in denen Wasser eine Doppelrolle übernimmt: Es bremst zum einen die Spaltneutronen ab und führt zum anderen die Wärme von den Brennelementen fort – wirkt also als Kühlmittel. Kommt es zu einem Störfall im Kernkraftwerk, werden sogenannte Absorberstäbe in den Reaktor eingefahren, die Neutronen auffangen und dadurch die Kettenreaktion unterbinden.
Doch selbst wenn ein Reaktor abgeschaltet wird, ist die Wärmeproduktion nicht beendet. Denn auch die Spaltprodukte vom Uran zerfallen und erzeugen weiterhin rund acht Prozent der unter Volllastbetrieb erzeugten Wärme, die dann im Weiteren exponentiell abfällt.
Liegen die Temperaturen im Reaktor im Normalfall bei einigen hundert Grad Celsius, können sie nun bis auf einige tausend Grad Celsius ansteigen. Zunächst verdampft das Wasser und legt allmählich die Brennstäbe frei. Die Hüllrohre aus Zirkaloy-Metalllegierung, in denen der Brennstoff in Form von Brennstoffpellets eingeschlossen ist, schmelzen als erstes und geben ihren Inhalt hauptsächlich an gasförmigen Spaltprodukten und Edelgasen frei. Da das Kühlwasser zunehmend verdampft, steigt der Druck in den Behältern, die den Reaktorkern umgeben, stetig an. In Japan leitete man aus diesem Grund eine Druckentlastung ein, indem man Dampf abließ, wodurch jedoch radioaktive Substanzen in die Umwelt gelangten.
Genau das ist in Japan wohl bereits passiert: Während das Containment, also der äußere Sicherheitsbehälter, in Fukushima 1 und 3 noch intakt ist, weist es in Fukushima 2 bereits große Löcher auf. Die Freisetzungen von Spaltprodukten sowie die starken Wasserstoffexplosionen deuten auf ein Versagen von Brennelementen hin und legen eine teilweise Kernschmelze nahe, so Joachim Knebel vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Wie weit diese fortgeschritten ist, wisse man aber nicht. Deutsche Kernreaktoren sind dagegen mit so genannten Wasserstoffrekombinatoren ausgerüstet, die im Reaktorkern eventuell entstehendes Wasserstoffgas gezielt abbrennen und damit solche Explosionen verhindern.
Fortschreitende Kernschmelze
Unabhängig davon, könnte es aber auch hier theoretisch zu einer vollständigen Kernschmelze kommen. Bei Reaktortemperaturen von 2300 bis 2800 Grad Celsius tropft das flüssige Metall-Brennstoff-Gemisch in die untere Kugelkalotte des Reaktordruckbehälters und lässt das restliche Wasser verdampfen. Dabei kann es zu hochenergetischen so genannten Dampfexplosionen kommen, die den Druckbehälter in Mitleidenschaft ziehen können. Doch auch die radioaktive Schmelze allein bedroht auf Grund ihrer enormen Hitze den schützenden Stahlbehälter.
Ohne Gegenmaßnahmen wird das gesamte Kerninventar, das mehrere Kubikmeter an flüssiger Schmelze bedeuten kann, zusammenschmelzen und sich in den unteren Bereich des Reaktordruckbehälters verlagern. Je nachdem welche Systeme im Kernkraftwerk noch intakt sind, können nun verschiedene Szenarien folgen: Herrscht beispielsweise ein hoher Dampfdruck im Reaktorkern und erodiert die Schmelze gleichzeitig Löcher in den Stahl des Druckbehälters, jagt sie mit großer Wucht durch diese hindurch. Je nach Größe und Lage der Leckagen wird die Kernschmelze in das gesamte Containment geschleudert oder sie sammelt sich in der Reaktorgrube unter dem Druckbehälter.
Neue Kraftwerksgenerationen verfügen über einen "Kernfänger" – eine Vorrichtung, die aus dem Reaktordruckbehälter austretende Schmelze auffangen, stabilisieren und mit Wasser abkühlen würde. Deutsche Kernkraftwerke sind allerdings nicht mit dieser Technik ausgestattet. Hier würde die Kernschmelze nach unten hin auf ein meterdickes Betonfundament treffen. Aber auch Beton schmilzt bei Temperaturen über 1400 Grad Celsius. Je nach Menge der Schmelze und Dicke der Bodenplatte kann diese in mehreren Stunden durcherodiert werden, so Knebel. Allerdings sollte sie sich hierbei allmählich abkühlen, da sie sich mit dem Beton vermischt und sie sich auf eine größere Fläche verteilt.
Im ukrainischen Kernkraftwerk Tschernobyl gab es dagegen kein Containment um den Reaktor. So konnten nach einer Kernschmelze und und einem über Tage andauernden Graphitbrand große Mengen an radioaktiven Stoffen entweichen. Deshalb die höchste INES-Stufe 7. Nur eine Stufe niedriger wird derzeit der Störfall im Kernkraftwerk Fukushima I eingestuft, wie die französische Atomsicherheitsbehörde mitteilte.
Der Strom in Kernkraftwerken wird – wie auch in anderen Kraftwerken – durch heißen Wasserdampf erzeugt, der eine Turbine antreibt. Statt mit Kohle, Öl oder Erdgas wird die Wärme in einem Atommeiler allerdings meist durch die Spaltung von Uran-235 erzeugt. Im Normalfall werden die bei den Spaltprozessen freigesetzten Neutronen so in Schach gehalten, dass eine kontrollierte Kettenreaktion abläuft.
Meist handelt es sich um sogenannte Leichtwasserreaktoren, in denen Wasser eine Doppelrolle übernimmt: Es bremst zum einen die Spaltneutronen ab und führt zum anderen die Wärme von den Brennelementen fort – wirkt also als Kühlmittel. Kommt es zu einem Störfall im Kernkraftwerk, werden sogenannte Absorberstäbe in den Reaktor eingefahren, die Neutronen auffangen und dadurch die Kettenreaktion unterbinden.
Doch selbst wenn ein Reaktor abgeschaltet wird, ist die Wärmeproduktion nicht beendet. Denn auch die Spaltprodukte vom Uran zerfallen und erzeugen weiterhin rund acht Prozent der unter Volllastbetrieb erzeugten Wärme, die dann im Weiteren exponentiell abfällt.
Mehr zum Thema finden Sie auf unserer Sonderseite"Erdbeben und Reaktorunglück in Japan".
Werden die Brennstäbe jetzt nicht ausreichend gekühlt – wenn neben dem regulären Kühlsystem also auch Notsysteme ausfallen wie nun in Japan geschehen –, erhitzen sie sich immer weiter. Liegen die Temperaturen im Reaktor im Normalfall bei einigen hundert Grad Celsius, können sie nun bis auf einige tausend Grad Celsius ansteigen. Zunächst verdampft das Wasser und legt allmählich die Brennstäbe frei. Die Hüllrohre aus Zirkaloy-Metalllegierung, in denen der Brennstoff in Form von Brennstoffpellets eingeschlossen ist, schmelzen als erstes und geben ihren Inhalt hauptsächlich an gasförmigen Spaltprodukten und Edelgasen frei. Da das Kühlwasser zunehmend verdampft, steigt der Druck in den Behältern, die den Reaktorkern umgeben, stetig an. In Japan leitete man aus diesem Grund eine Druckentlastung ein, indem man Dampf abließ, wodurch jedoch radioaktive Substanzen in die Umwelt gelangten.
Das verdampfte Kühlwasser kann aber auch im Reaktor zur Gefahr werden, denn bei den hohen Temperaturen reagiert der Wasserdampf mit der inzwischen trockengelegten Metalllegierung der Hüllrohre. Diese Reaktionen heizen den Reaktorkern nicht nur weiter auf, durch sie entsteht im Reaktor auch Wasserstoffgas. Wird dieses Wasserstoffgas jetzt bei einer Druckentlastung in das Reaktorgebäude abgeblasen, so erfolgt eine Wasserstoffexplosion, die sowohl das Stahlcontainment (auch Sicherheitsbehälter genannt) als auch das Reaktorgebäude aus Stahlbeton zerstören kann.
Genau das ist in Japan wohl bereits passiert: Während das Containment, also der äußere Sicherheitsbehälter, in Fukushima 1 und 3 noch intakt ist, weist es in Fukushima 2 bereits große Löcher auf. Die Freisetzungen von Spaltprodukten sowie die starken Wasserstoffexplosionen deuten auf ein Versagen von Brennelementen hin und legen eine teilweise Kernschmelze nahe, so Joachim Knebel vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Wie weit diese fortgeschritten ist, wisse man aber nicht. Deutsche Kernreaktoren sind dagegen mit so genannten Wasserstoffrekombinatoren ausgerüstet, die im Reaktorkern eventuell entstehendes Wasserstoffgas gezielt abbrennen und damit solche Explosionen verhindern.
Fortschreitende Kernschmelze
Unabhängig davon, könnte es aber auch hier theoretisch zu einer vollständigen Kernschmelze kommen. Bei Reaktortemperaturen von 2300 bis 2800 Grad Celsius tropft das flüssige Metall-Brennstoff-Gemisch in die untere Kugelkalotte des Reaktordruckbehälters und lässt das restliche Wasser verdampfen. Dabei kann es zu hochenergetischen so genannten Dampfexplosionen kommen, die den Druckbehälter in Mitleidenschaft ziehen können. Doch auch die radioaktive Schmelze allein bedroht auf Grund ihrer enormen Hitze den schützenden Stahlbehälter.
Ohne Gegenmaßnahmen wird das gesamte Kerninventar, das mehrere Kubikmeter an flüssiger Schmelze bedeuten kann, zusammenschmelzen und sich in den unteren Bereich des Reaktordruckbehälters verlagern. Je nachdem welche Systeme im Kernkraftwerk noch intakt sind, können nun verschiedene Szenarien folgen: Herrscht beispielsweise ein hoher Dampfdruck im Reaktorkern und erodiert die Schmelze gleichzeitig Löcher in den Stahl des Druckbehälters, jagt sie mit großer Wucht durch diese hindurch. Je nach Größe und Lage der Leckagen wird die Kernschmelze in das gesamte Containment geschleudert oder sie sammelt sich in der Reaktorgrube unter dem Druckbehälter.
Neue Kraftwerksgenerationen verfügen über einen "Kernfänger" – eine Vorrichtung, die aus dem Reaktordruckbehälter austretende Schmelze auffangen, stabilisieren und mit Wasser abkühlen würde. Deutsche Kernkraftwerke sind allerdings nicht mit dieser Technik ausgestattet. Hier würde die Kernschmelze nach unten hin auf ein meterdickes Betonfundament treffen. Aber auch Beton schmilzt bei Temperaturen über 1400 Grad Celsius. Je nach Menge der Schmelze und Dicke der Bodenplatte kann diese in mehreren Stunden durcherodiert werden, so Knebel. Allerdings sollte sie sich hierbei allmählich abkühlen, da sie sich mit dem Beton vermischt und sie sich auf eine größere Fläche verteilt.
Hat die Kernschmelze das Betonfundament durchfressen und gelangt in das Grundwasser, so erstarrt der mittlerweile zähflüssige Schmelzekuchen und wird vom Grundwasser gekühlt. Die Kernschmelze bildet mit dem aufgeschmolzenen Beton einen glasartigen Klumpen. Inwieweit die eingeschlossenen Kernbrennstoffe zurückgehalten werden oder teilweise durch das Grundwasser ausgelaugt und wegtransportiert werden bedarf noch genauerer Untersuchungen, so Knebel. Gelangen die radioaktiven Partikel dagegen in die Atmosphäre, verteilen sie sich je nach Wetterlage und Höhe über weite Landstriche – wie im Fall von Tschernobyl erlebt. In der Geschichte der Atomkraft kam es bereits mehrfach zu partiellen Kernschmelzen, bei denen der Reaktorkern keinen bedrohlichen Schaden nahm. Im amerikanischen Kernkraftwerk Three Mile Island konnte man den Reaktor noch rechtzeitig durch Wasser kühlen und die Kernschmelze verfestigten. Der Reaktordruckbehälter war zwar angegriffen, aber noch intakt – es gelangte also kein radioaktives Material nach außen. Auf der Internationalen Bewertungsskala für nukleare Ereignisse (INES) rangiert dieser Störfall auf der Stufe 5.
Im ukrainischen Kernkraftwerk Tschernobyl gab es dagegen kein Containment um den Reaktor. So konnten nach einer Kernschmelze und und einem über Tage andauernden Graphitbrand große Mengen an radioaktiven Stoffen entweichen. Deshalb die höchste INES-Stufe 7. Nur eine Stufe niedriger wird derzeit der Störfall im Kernkraftwerk Fukushima I eingestuft, wie die französische Atomsicherheitsbehörde mitteilte.
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