News: Keuscher Katz- und Maus-Schmarotzer
Heutige Toxoplasma-Parasiten unterscheiden sich genetisch kaum - offenbar, weil einem Vorfahr eine revolutionäre Neuentdeckung gelang.
Erfolg ist bekanntlich eine Frage des Standpunktes. Erfolgreiche Parasiten des Menschen beispielsweise sind Nutznießer des medizinischen Misserfolges, sie aus dem Körper seines Wirtes zu vertreiben: Dann kann er, durch den Wirtskörper gewärmt, mit Nahrung versorgt und vor der Umwelt geschützt, wie die Made im Speck ungestört existieren. Und ganz besonders gewitzte Vertreter der Schmarotzerwelt – wie Toxoplasma gondii – regeln ihre Untermiete auch noch so, dass ihr parasitäres Tun oft gar nicht auffällt und sie daher von Seiten des Wirts keine Gegenmaßnahmen befürchten müssen.
Toxoplasma gondii ist ein enger Verwandter des Malaria-Erregers, dabei aber viel verbreiteter als sein schlagzeilenträchtiger Vetter. In manchen Regionen kommen bis zur Hälfte aller Menschen im Laufe ihres Lebens einmal mit diesem Parasiten in Kontakt. Meist verläuft eine Toxoplasma-Erkrankung zwar nahezu symptomlos und unbemerkt, problematisch kann es aber bei Personen mit bereits angegriffener Immunabwehr werden. AIDS-Patienten im Endstadium etwa sterben nicht selten letztlich an Toxoplasma-Infektionen. Auch für Ungeborene im Mutterleib stellt der Parasit eine ernste Gefahr dar, wenn sich die Schwangere mit dem gar nicht so seltenen Erreger erstmalig infiziert.
Seit längerem bereits rätseln Wissenschaftler, wodurch der flächendeckende Verbreitungserfolg von Toxoplasma zu erklären ist. Dabei fällt die enorme genetische Eintönigkeit der globalen Toxoplasma-Gemeinschaft ins Auge: Etwa 99 Prozent aller weltweit verstreuten Toxoplasma gondii gehören einem von drei genetisch sehr ähnlichen Stämmen an, die alle von einem gemeinsamen Vorfahren abstammen. David Sibley von der Washington University und seine Kollegen verglichen nun ausgewählte DNA-Sequenzen dieser Toxoplasma-Stämme und errechneten – anhand der gefundenen Sequenzunterschiede und der bekannten mittleren Mutationshäufigkeit des nahe verwandten Malariaerregers als Skala –, wann dieser gemeinsame Toxoplasma-Vorfahr das Licht der Welt erblickt hatte. Es war vor etwa 10 000 Jahren, einer im evolutionären Maßstab lächerlich geringen Zeitspanne.
Offenbar, so folgerten die Forscher, begünstigte eine damals hinzugewonnene genetische Neukombination den frischen Toxoplasma-Urahnen dermaßen, dass seine Nachkommenschaft sehr schnell alle anderen Toxoplasma-Varianten – die bereits seit Millionen von Jahren existierten – dominierte.
Die Wissenschaftler tippen auf eine Besonderheit, die heutige Toxoplasma-Spezies gegenüber ihrer Schmarotzer-Verwandschaft auszeichnet. Wie viele andere Parasiten auch schaltet Toxoplasma in verschiedenen Wirten und je nach Situation zwischen geschlechtlicher und ungeschlechtlicher Vermehrung hin und her. Beides hat Vor- und Nachteile – der Verzicht auf Sex erspart einem Schmarotzer nicht etwa nur die lästige Partnersuche, sondern überschwemmt vor allem die Umgebung konkurrenzlos schnell mit identischen, natürlich geklonten Parasitenkopien. Andererseits wird das Ganze auf Dauer genetisch gesehen dann reichlich eintönig, denn frische Gene für den Nachwuchs gibt es nur mit einem Partner.
Ungewöhnlich bei Toxoplasma ist allerdings, wie wenig wählerisch er sich bei der Auswahl seiner bevorzugten Wirtstiere gibt. Zwar ist sein ursprünglicher Wirt die Katze, und eine sexuelle Reproduktion gelingt Toxoplasma gondii auch nur dort. Viel weniger festgelegt als verwandte Parasiten ist Toxoplasma aber bei der Auswahl der Organismen, in denen er eine ungeschlechtliche Vermehrung durchführen kann, den so genannten Zwischenwirten: Neben Mäusen und Menschen können das auch noch alle möglichen anderen Säugetiere und sogar Vögel sein. In alle diese Organismen gelangt Toxoplasma, indem seine Vermehrungsstadien oral – über den Mund – aufgenommen werden.
Auf der Suche nach den Ursachen für diesen vorteilhaften Verzicht auf eine eingeschränkte Wirtswahl verglichen Sibley und seine Kollegen die Infektionsfähigkeit der jungen Toxoplasma-Stämme mit solchen des einen Prozents Rest-Toxoplasmen, die nicht einem dieser drei dominanten Stämme angehören. Und tatsächlich zeigten die Experimente, dass Mäuse, die Toxoplasma-Infektionsstadien verspeisten, viel eher durch die drei entwicklungsgeschichtlich jüngeren Erreger infiziert wurden als durch einen der älteren. Offenbar erwarben die Parasiten vor 10 000 Jahren die Fähigkeit, sich in neuen Wirten zu behaupten, nachdem sie verspeist wurden. Einer Ausweitung des parasitären Tätigkeitsfeldes auf eine Vielzahl vormals unerreichbarer Zwischenwirte wurde möglich.
Auch die Menschheit, so die Forscher abschließend, sei vielleicht nicht ganz unschuldig am Erfolg der jungen Toxoplasma-Garde. Als die erfolgreiche Neukombination der Parasitengene erfolgte, entwickelte sich der Mensch gerade vom Jäger und Sammler zum Ackerbauern. Die menschliche Bevölkerungsdichte stieg deutlich an, Siedlungen entstanden – und die Katze, der Endwirt von Toxoplasma gondii, wurde zum engen Gefährten des Menschen. Genau zum richtigen Zeitpunkt, um junge, plötzlich infektionsfreudigere Toxoplasmen auch in die menschliche Gemeinschaft einzubringen. Ein unglückliches Zusammentreffen – oder eben ein glückliches, vom Standpunkt des Schmarotzers.
Toxoplasma gondii ist ein enger Verwandter des Malaria-Erregers, dabei aber viel verbreiteter als sein schlagzeilenträchtiger Vetter. In manchen Regionen kommen bis zur Hälfte aller Menschen im Laufe ihres Lebens einmal mit diesem Parasiten in Kontakt. Meist verläuft eine Toxoplasma-Erkrankung zwar nahezu symptomlos und unbemerkt, problematisch kann es aber bei Personen mit bereits angegriffener Immunabwehr werden. AIDS-Patienten im Endstadium etwa sterben nicht selten letztlich an Toxoplasma-Infektionen. Auch für Ungeborene im Mutterleib stellt der Parasit eine ernste Gefahr dar, wenn sich die Schwangere mit dem gar nicht so seltenen Erreger erstmalig infiziert.
Seit längerem bereits rätseln Wissenschaftler, wodurch der flächendeckende Verbreitungserfolg von Toxoplasma zu erklären ist. Dabei fällt die enorme genetische Eintönigkeit der globalen Toxoplasma-Gemeinschaft ins Auge: Etwa 99 Prozent aller weltweit verstreuten Toxoplasma gondii gehören einem von drei genetisch sehr ähnlichen Stämmen an, die alle von einem gemeinsamen Vorfahren abstammen. David Sibley von der Washington University und seine Kollegen verglichen nun ausgewählte DNA-Sequenzen dieser Toxoplasma-Stämme und errechneten – anhand der gefundenen Sequenzunterschiede und der bekannten mittleren Mutationshäufigkeit des nahe verwandten Malariaerregers als Skala –, wann dieser gemeinsame Toxoplasma-Vorfahr das Licht der Welt erblickt hatte. Es war vor etwa 10 000 Jahren, einer im evolutionären Maßstab lächerlich geringen Zeitspanne.
Offenbar, so folgerten die Forscher, begünstigte eine damals hinzugewonnene genetische Neukombination den frischen Toxoplasma-Urahnen dermaßen, dass seine Nachkommenschaft sehr schnell alle anderen Toxoplasma-Varianten – die bereits seit Millionen von Jahren existierten – dominierte.
Die Wissenschaftler tippen auf eine Besonderheit, die heutige Toxoplasma-Spezies gegenüber ihrer Schmarotzer-Verwandschaft auszeichnet. Wie viele andere Parasiten auch schaltet Toxoplasma in verschiedenen Wirten und je nach Situation zwischen geschlechtlicher und ungeschlechtlicher Vermehrung hin und her. Beides hat Vor- und Nachteile – der Verzicht auf Sex erspart einem Schmarotzer nicht etwa nur die lästige Partnersuche, sondern überschwemmt vor allem die Umgebung konkurrenzlos schnell mit identischen, natürlich geklonten Parasitenkopien. Andererseits wird das Ganze auf Dauer genetisch gesehen dann reichlich eintönig, denn frische Gene für den Nachwuchs gibt es nur mit einem Partner.
Ungewöhnlich bei Toxoplasma ist allerdings, wie wenig wählerisch er sich bei der Auswahl seiner bevorzugten Wirtstiere gibt. Zwar ist sein ursprünglicher Wirt die Katze, und eine sexuelle Reproduktion gelingt Toxoplasma gondii auch nur dort. Viel weniger festgelegt als verwandte Parasiten ist Toxoplasma aber bei der Auswahl der Organismen, in denen er eine ungeschlechtliche Vermehrung durchführen kann, den so genannten Zwischenwirten: Neben Mäusen und Menschen können das auch noch alle möglichen anderen Säugetiere und sogar Vögel sein. In alle diese Organismen gelangt Toxoplasma, indem seine Vermehrungsstadien oral – über den Mund – aufgenommen werden.
Auf der Suche nach den Ursachen für diesen vorteilhaften Verzicht auf eine eingeschränkte Wirtswahl verglichen Sibley und seine Kollegen die Infektionsfähigkeit der jungen Toxoplasma-Stämme mit solchen des einen Prozents Rest-Toxoplasmen, die nicht einem dieser drei dominanten Stämme angehören. Und tatsächlich zeigten die Experimente, dass Mäuse, die Toxoplasma-Infektionsstadien verspeisten, viel eher durch die drei entwicklungsgeschichtlich jüngeren Erreger infiziert wurden als durch einen der älteren. Offenbar erwarben die Parasiten vor 10 000 Jahren die Fähigkeit, sich in neuen Wirten zu behaupten, nachdem sie verspeist wurden. Einer Ausweitung des parasitären Tätigkeitsfeldes auf eine Vielzahl vormals unerreichbarer Zwischenwirte wurde möglich.
Auch die Menschheit, so die Forscher abschließend, sei vielleicht nicht ganz unschuldig am Erfolg der jungen Toxoplasma-Garde. Als die erfolgreiche Neukombination der Parasitengene erfolgte, entwickelte sich der Mensch gerade vom Jäger und Sammler zum Ackerbauern. Die menschliche Bevölkerungsdichte stieg deutlich an, Siedlungen entstanden – und die Katze, der Endwirt von Toxoplasma gondii, wurde zum engen Gefährten des Menschen. Genau zum richtigen Zeitpunkt, um junge, plötzlich infektionsfreudigere Toxoplasmen auch in die menschliche Gemeinschaft einzubringen. Ein unglückliches Zusammentreffen – oder eben ein glückliches, vom Standpunkt des Schmarotzers.
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