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Gelotologie: Killekille

Pinky liebt kitzeln. Besonders am Bauch. Hunger, Durst, Langeweile, alles ist sofort vergessen, wenn Rose (Name geändert) sich nähert - dann quietscht Pinky vor Vergnügen und Vorfreude. Selbst der Lieblingsleckerbissen wird erst nach einer wilden Kitzelaktion verspeist. Typisches Kleinkind, denken Sie? Von wegen!
Lachen
So einzigartig sich der Mensch gerne fühlt – er ist es nicht. Mit jedem Verhaltensexperiment im Labortierzoo kommen weitere "typisch menschliche" Eigenheiten in unseren nächsten und ferneren Verwandten zum Vorschein. Wer weiß, welche Gedanken sich diese so darüber machen: Vielleicht ist die Homo-sapiens'sche Selbstüberschätzung tatsächlich der einzige Kandidat einer rein menschlichen Macke.

Vielleicht finden die possierlichen Tierchen das Wissenschaftlergebaren aber auch einfach nur zum Lachen – noch so eine Eigenschaft, die sie ihren zweibeinigen Kost-und-Logis-Spendern längst streitig machen. Nicht nur begeistertes Quietschen beim Kitzeln, Toben, Fangen und Verstecken spielen erschallt quer durch die Tierwelt – vom Menschen- bis zum Rattenkind, auch sonstige Fröhlichkeitsbezeugungen sind gang und gäbe.

Alles Bestandteil der Gelotologie – eine eigentlich wahrlich ernsthafte Wissenschaftsdisziplin, in der sich Jaak Panksepp von der Bowling Green State University einen Namen gemacht hat. Seine Erforschung des Rattenhumors begann Panksepp vor Jahren mit dem lapidaren Satz zu einem Jungforscher: "Lassen Sie uns doch mal ein paar Ratten kitzeln." Gesagt, getan – bleibt nur die Frage, wer vom Effekt mehr überrascht war: Labortier oder Labormensch.

Beide jedenfalls entdeckten und genossen die neue Leidenschaft wohl gleichermaßen. Schnell gehörten regelmäßige Durchkitzelaktionen zum Laboralltag – schon beim bloßen Anblick ihrer Hüter gerieten die Vierbeiner völlig aus dem Häuschen und quietschten ihnen typische lachartige Jauchzer entgegen. Allerdings blieb ihre Kakophonie bei 50 Kilohertz für die menschlichen Ohren unhörbar. Die Tiere wurden sogar regelrecht süchtig nach Kitzeln, und passenderweise ließen sich die charakteristischen Rattenlacher auch durch Aktivierung des Belohnungssystems auslösen.

Nun ist natürlich ein Tier kitzliger als das andere, was Panksepp und seine Kollegen einen weiteren Schritt versuchen ließ: Sie züchteten Lachratten, die besonders leicht zu Quietschern neigen – ein sicherlich hervorragendes Labormodell, um die neurobiologischen Grundlagen auch des menschlichen Lachens zu ergründen. Zudem wollen die Forscher daran die Evolution sowie die genetischen Grundlagen der Fröhlichkeitsausbrüche aufdecken.

Die nervlichen Voraussetzungen und Aktivitätsfelder für wildes Spiel in sapienser oder sonstiger Form und Lachen finden sich jedenfalls in sehr alten Hirnregionen und dürften damit wohl schon früh entstanden sein – womöglich gar instinktiven Charakter haben, erklärt Panksepp. Und bei allen neigen die Jungen deutlich mehr dazu als die Alten – einen gestandenen Rattenherrn zum Kichern zu bringen, erwies sich als schwierige Herausforderung. Vielleicht aber auch eine Frage des Humors, der bei Ratten, so Panksepp, eindeutige Vorlieben für Slapstick aufweisen dürfte. Oder aber er beherrschte das – ebenfalls gern als rein menschliche betrachtete – leise innere Lachen. So richtig erforscht sei das aber noch nicht.

Hier könnte sich denn womöglich doch noch eine zweite kleine, dem Menschen vorbehaltene Eigenheit offenbaren: der gesprochene Witz. Schließlich gelingt es uns gelegentlich, unser Gegenüber auch rein mit Worten zu kitzeln. Allerdings – wer weiß schon, was sich Maus, Ratte, Schimpanse und Co so erzählen?

Es sei jedenfalls dringend an der Zeit, konsternierte Zurückhaltung gegenüber dieses Wissenschaftszweiges aufzugeben und die Ergründung der fröhlichen Seiten der Laborzooangehörigen genauso intensiv unter die Lupe zu nehmen wie die ängstlichen, aggressiven oder spielerischen, fordert Panksepp. Schließlich können wir davon nur lernen – denn Pinky und seine Genossen beherrschen diese Gefühlsäußerung wohl schon Jahrmillionen länger als wir.

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