Kindheitstraumata: Das Gedächtnis leidet mit
Die Eltern sind geschieden, es gibt Gewalt in der Familie oder eine schwere Krankheit: Wenn Kleinkinder solche belastenden Erfahrungen machen, steigt ihr Risiko für psychische Probleme deutlich. Und das schadet wiederum ihrer kognitiven Entwicklung, wie eine Forschungsgruppe aus Testergebnissen von mehr als 13 000 Kindern schließt.
Die Daten stammen aus einer britischen Längsschnittstudie, berichtet das Team um Tochukwu Nweze von der University of Cambridge in der Fachzeitschrift»Journal of Child Psychology and Psychiatry«. Die Kinder, geboren zwischen 2000 und 2002 in Großbritannien, absolvierten im Verlauf der Studie mehrere Tests. Demnach waren Belastungen bis zu einem Alter von 3 Jahren eng verbunden mit psychischen Problemen in allen Altersphasen. Außerdem stieg damit das Risiko, im Alter von 11 Jahren ein schwächeres Arbeitsgedächtnis und im Alter von 14 Jahren einen geringeren Wortschatz zu haben. Die psychische Gesundheit erklärte knapp 60 Prozent der Unterschiede in den Gedächtnisleistungen mit 11 Jahren und 70 Prozent des Wortschatzumfangs mit 14 Jahren.
Die Ergebnisse stimmen überein mit weiteren britischen Langzeitdaten, denen zufolge vor allem die belastenden Erfahrungen in den ersten drei Lebensjahren zu psychischen Erkrankungen führen. In dieser frühen Entwicklungsphase reagierten Kinder besonders sensibel auf Stress und Traumata, so die gängige Erklärung.
Eine frühe Behandlung mildert die Langzeitfolgen
»Das unterstreicht die Notwendigkeit eines frühzeitigen Eingreifens«, sagt Tochukwu Nweze. Wenn die psychischen Folgeerkrankungen behandelt würden, könnte das überdies auch die Folgen der Kindheitstraumata für die kognitive Entwicklung mildern. Die aktuellen Ergebnisse zeigen: Nehmen die psychischen Probleme im Verlauf der Kindheit wieder ab, sind Arbeitsgedächtnis und Wortschatz später weniger beeinträchtigt.
Dass Kindheitstraumata zahlreiche gravierende Folgen haben können, gilt als gesichert. Wie genau sie wirken, lässt sich jedoch auch mit dieser großen Langzeitstudie nicht sicher beantworten. Es ist ebenso denkbar, dass es andere Ursachen gibt, die hinter den beobachteten Zusammenhängen stecken, aber in der vorliegenden Studie nicht berücksichtigt wurden.
Wege aus der Not
Denken Sie manchmal daran, sich das Leben zu nehmen? Erscheint Ihnen das Leben sinnlos oder Ihre Situation ausweglos? Haben Sie keine Hoffnung mehr? Dann wenden Sie sich bitte an Anlaufstellen, die Menschen in Krisensituationen helfen können: Hausarzt, niedergelassene Psychotherapeuten oder Psychiater oder die Notdienste von Kliniken. Kontakte vermittelt der ärztliche Bereitschaftsdienst unter der Telefonnummer 116117.
Die Telefonseelsorge berät rund um die Uhr, anonym und kostenfrei: per Telefon unter den bundesweit gültigen Nummern 08001110111 und 08001110222 sowie per E-Mail und im Chat auf der Seite www.telefonseelsorge.de. Kinder und Jugendliche finden auch Hilfe unter der Nummer 08001110333 und können sich auf der Seite www.u25-deutschland.de per Mail von einem Peer beraten lassen.
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