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Magnetismus: Kipplige Magnetspeicher

Notebooks werden immer kleiner, leistungsfähiger und bunter. Nur eines bleibt seit ihren Anfängen gleich: Der Akku macht nach wenigen Stunden schlapp. Einer der gierigsten Stromfresser ist dabei die Festplatte. Mit einem neuen Prinzip könnte die sich aber in der Zukunft mit kleinsten Häppchen Energie begnügen.
Es gibt Orte, an die sollten Sie Ihr Notebook besser nicht mitnehmen. Ins Schwimmbad beispielsweise, in die Sauna oder ... in die Nähe eines starken Magnetfeldes. Es sei denn, Sie haben sowieso vor, gründlichst alle Daten auf Ihrer Festplatte zu löschen. Das geht mit einem Magnetfeld nämlich ausgezeichnet, weil jede Information dort in Form winziger Magnet-Einsen und -Nullen gespeichert ist. Sozusagen wie mit virtuellen Kompassnadeln, die auf Kommando nach links oder rechts weisen.

Die Kommandos kommen einerseits von Ihnen – wenn Sie auf "Speichern" klicken –, ausgeführt werden sie aber von kleinen Elektromagneten, die über die magnetisierbaren Schichten der Festplatte sausen. Fließt durch deren Spulen ein elektrischer Strom, baut sich um die Spulen herum ein magnetisches Feld auf, das die Ausrichtung der Speicherstellen auf der Platte verändert.

Ein unnötiger Umweg, der obendrein viel zu viel Energie kostet, finden Forscher um Hideo Ohno von der Tohoku University im japanischen Sendai. Denn statt mit dem elektrischen Strom zuerst ein vermittelndes Magnetfeld zu erzeugen, das dann die Informationen in eine weitere Magnetisierung schreibt, könnte man doch direkt mit elektrischer Energie magnetische Momente manipulieren. Eine wirklich ausgezeichnete Idee – die nur leider nicht so einfach zu realisieren ist. Bisherige Versuche anderer Arbeitsgruppen setzten meist so exotische Komponenten voraus wie Ströme von Elektronen mit vorsortiertem Spin. Eine Technik, die funktioniert, allerdings auf absehbare Zeit nur im Labor. Für günstige Kleinstcomputer wäre sie jedenfalls viel zu aufwändig.

Ohnos Team wählte in seinen Experimenten darum einen anderen Weg. Die Wissenschaftler erstellten aus herkömmlichen Materialien der Elektronik ein Sandwich mit drei Lagen: Auf die magnetische Schicht aus einer Legierung von Gallium (Ga) und Mangan (Mn), die gezielt mit Arsen (As) verunreinigt war, folgten ein Isolator und eine metallische Lage aus Chrom und Gold. Nichts Besonderes also. Und damit wie gewünscht dicht an der alltagstechnischen Realität.

Magnetfelder verbiegen mit Spannung | Das magnetische Moment (roter Pfeil) in einer magnetischen Schicht (Ferromagnet) kann durch ein elektrisches Feld (E) verschoben werden. Dazu braucht nur eine Spannung angelegt zu werden. Die isolierende Schicht (Insulator) verhindert, dass tatsächlich Strom fließt.
Die kleinen Magnetmomente, die es zu verändern gilt, befinden sich in der (Ga, Mn)As-Schicht. In deren Kristallgitter hat das Arsen zugleich für "überschüssige" Elektronen gesorgt, die recht mobil sind. Solch eine Wanderung ist jedoch magnetisch äußerst heikel, denn die Elektronen sind mit ihren Spins zum großen Teil für das Magnetfeld im Festkörper verantwortlich. Wird der Spin eines Elektrons nicht vom entgegengesetzten Spin eines anderen Elektrons ausgeglichen, ergibt dies ein winziges magnetisches Moment. Und da sich aus solchen Minimomenten das speichernde Moment des Bauteils summiert, würde es ausreichen, die beweglichen Elektronen in der Schicht kontrolliert zu verschieben.

Diese Aufgabe übertrugen die Japaner einer elektrischen Gleichspannung, die sie zwischen der magnetischen und der metallischen Schicht anlegten. Obwohl wegen der isolierenden Zwischenschicht kein Strom floss, spürten die beweglichen Elektronen dennoch den Sog des elektrischen Feldes und folgten ihm. Dadurch geriet das magnetische Gleichgewicht ein bisschen ins Wanken ... und die Richtung des magnetischen Moments verschob sich um etwa 10 Grad. Die Veränderung ist nicht sehr groß, und die Auslenkung geht auch wieder verloren, sobald die elektrische Spannung abgeschaltet wird. Aber die Wissenschaftler sind zuversichtlich, dass sie bald eine Komposition präsentieren können, die zwischen zwei stabilen Zuständen hin und her schalten kann. Damit wäre dann ein wesentlicher Schritt zu einem magnetisch angesteuerten Magnetspeicher gelungen. Weil dabei der Umweg über die Spule entfiele und nicht einmal wirklich Strom fließen muss, würde so eine Festplatte sehr viel weniger Energie verbrauchen. Ein Notebook, das damit liefe, dürften wir weiterhin nicht mit ins Schwimmbad, die Sauna oder in starke Magnetfelder nehmen ... aber im Park oder am Schreibtisch würde es bestimmt deutlich länger durchhalten.
  • Quellen
Chiba, D. et al.:: Magnetization vector manipulation by electric fields. in: Nature 455(7212), S. 515–518, 2008.

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