Kipppunkte: Große Ökosysteme kollabieren mit erhöhter Geschwindigkeit
Selbst Ökosysteme, die den Großteil eines Kontinents bedecken, können innerhalb weniger Jahrzehnte verschwinden. Das errechneten jetzt Forscher um John Dearing von der University of Southampton mit Hilfe von Modellen und indem sie Daten zu Ökosystemen auswerteten, die bereits kollabiert sind. Zwar dauert der Kollaps großer Systeme insgesamt länger als der von kleineren, der Zeitraum wächst jedoch nicht linear mit der Größe an.
Dies bedeutet: Wenn ein kleinerer See binnen 10 Jahren umkippt, benötigt ein doppelt so großer See nicht zwangsläufig 20 Jahre, sondern weniger. Grund dafür sind Netzwerkeffekte, etwa zentrale »Knoten«, die sich auf viele Unterabteilungen des Systems gleichzeitig auswirken.
Wie lange der Vorgang tatsächlich dauert, können die Autoren der Studie im Fachmagazin »Nature Communications« nicht genau angeben. Für den Amazonas-Regenwald, der durch Abholzung bedroht ist und binnen weniger Jahre einen Kipppunkt erreichen könnte, ab dem sich die Umwandlung des Urwalds in ein Savannengebiet nicht mehr aufhalten lässt, ermittelten sie eine Zeitspanne von rund 50 Jahren. Auf Grund großer Unsicherheiten im Modell könnten es aber auch ebenso gut 10 oder 260 Jahre oder irgendeine Spanne dazwischen sein.
Unterwasserökosysteme wie zum Beispiel das durch den Klimawandel stark bedrohte Great Barrier Reef vor der Küste Australiens kollabieren insgesamt mit höherer Geschwindigkeit als solche an Land, einfach weil sich Umweltveränderungen schneller ausbreiten. Für das 20 000 Quadratkilometer große Riff ermittelten die Forschenden eine Kollapsdauer von 15 Jahren mit einer Schwankungsbreite von 5 bis 50 Jahren.
Man solle sich, fassen sie ihre Ergebnisse zusammen, nicht durch die scheinbare Stabilität großer Ökosysteme täuschen lassen. Selbst ein fünfeinhalb Millionen Quadratkilometer messender Amazonas-Regenwald könne innerhalb eines Menschenlebens vom Angesicht der Erde verschwinden.
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