Phosphonate : Kläranlagen wandeln Waschmittelzusatz in Glyphosat um

Am Anfang war es nur ein Verdacht. Daten, die nicht mit einer gängigen Annahme zusammenpassten. Jetzt haben Fachleute experimentell bestätigt: Aus Waschmittelzusätzen, wie sie in Haushalten im ganzen Land zu finden sind, entsteht der Unkrautvernichter Glyphosat. Das geschieht in Kläranlagen, vielleicht aber auch bereits in der Kanalisation. Von dort aus gelangt das Glyphosat in unsere Bäche und Flüsse. Wie groß die Mengen sind, die sich auf diese Weise bilden, ist noch nicht bekannt. Dass es passiert, ist nun aber nachgewiesen. Die Entdeckung wirft eine Reihe von Fragen auf – einerseits für die Wissenschaft, andererseits nach unserem Umgang mit Chemikalien und deren Regulierung.
Die Studie, die am 11. März 2025 im Fachjournal »Water Research« erschienen ist, liefert den experimentellen Nachweis für eine Vermutung, die ziemlich genau ein Jahr zuvor publiziert wurde. Im März 2024 hatte ein Team um Chemikerin Carolin Huhn von der Universität Tübingen eine Studie mit Belegen veröffentlicht, aus denen sie eine zunächst befremdlich anmutende These ableitete: Ein Großteil des Glyphosats in unseren Gewässern entsteht demnach in der Kläranlage – aus Wasserenthärtern, wie sie in haushaltsüblichen Waschmitteln zu finden sind. Eigentlich sollte man annehmen, das Glyphosat in der Umwelt stamme aus der Landwirtschaft. Doch die Gewässerdaten, die Huhns Forschungsgruppe analysierte, sagten etwas anderes aus.
Glyphosat findet man flächendeckend in Flüssen und Seen. Der Unkrautvernichter wird hauptsächlich auf landwirtschaftlichen Feldern ausgebracht, um diese frei von unerwünschtem Grün zu halten. Im Jahr 2021 wurden in Deutschland knapp 5000 Tonnen eingesetzt, wie das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft auf seiner Website schreibt. Weil das Herbizid unspezifisch jegliche Pflanzen abtötet, bringt man es noch vor der Aussaat auf die Felder – sonst würden die gewünschten Nutzpflanzen gleich mit eingehen. Der Einsatz schwankt daher stark im Jahresverlauf.
Die Daten passen nicht
Nicht so allerdings die Konzentrationen in den Flüssen an Messstellen quer durch Europa und auch in Deutschland. Würden die größten Anteile aus der Landwirtschaft stammen, so Huhns Team, müsste man zu bestimmten Zeiten besonders hohe Werte in den Gewässern finden. Doch die Glyphosatgehalte in Flüssen und Seen in Europa zeigen diese saisonalen Schwankungen nicht, sind stattdessen über das Jahr hinweg relativ konstant. Man sollte außerdem annehmen, die Werte würden wetterabhängig schwanken, weil nach Regen besonders viel in die Flüsse geschwemmt wird. Stattdessen folgen sie einem anderen Muster: Sie korrelieren mit Markern, die auf Zuflüsse aus Kläranlagen hindeuten, wie etwa Rückstände von Medikamenten.
Überdies unterscheiden sich die Daten in den USA frappierend von denen, die Huhn und ihr Team von 73 Messstellen in sieben europäischen Ländern zusammengetragen haben. Erstens steigen in den US-amerikanischen Gewässern die Glyphosateinträge zeitgleich mit denen anderer Pestizide. Das passt zu dem Szenario, dass Regenwasser das Herbizid von den Feldern in die Flüsse trägt. Zweitens finden sich solche Pestizid-Spitzenwerte im Jahresverlauf immer wieder – was daran liegt, dass Glyphosat dort das ganze Jahr über versprüht wird. Möglich machen das gentechnisch veränderte Nutzpflanzen, die resistent gegen das Unkrautmittel sind. Drittens fallen die hohen Glyphosatkonzentrationen in den USA nicht mit den Einträgen aus Kläranlagen zusammen. Von dort gelangt der Stoff also offensichtlich nicht in die Gewässer.
In den USA passen also die Daten zu den gängigen Annahmen. Warum dann nicht in Europa? Die Antwort liegt in der Zusammensetzung von Waschmitteln.

Die meisten Waschmittel enthalten Stoffe, um die Kalkbildung in der Waschmaschine zu verhindern und um Bleichmittel zu stabilisieren. In Flüssigwaschmitteln übernehmen in EU-Ländern vor allem Aminopolyphosphonate diese Funktion. Solche Verbindungen tragen ein oder mehrere zentrale Stickstoffatome, von denen meist mehrere Methylenphosphonsäuregruppen abzweigen. Der Stoff mit dem Namen Diethylentriaminpenta(methylenphosphonsäure), kurz DTPMP, ist ein prominenter Vertreter dieser Gruppe. Er findet sich in haushaltsüblichen Flüssigwaschmitteln, wird aber auch in anderen Bereichen eingesetzt, etwa zur Anlagenreinigung in der Lebensmittelindustrie oder bei der Wasseraufbereitung.
Waschmittelhersteller in den USA verwenden solche Polyphosphonate quasi nicht. Stattdessen setzen sie auf den Komplexbildner EDTA, eine chemisch gänzlich andere Substanz ohne Phosphonatgruppen. Dieser Stoff ist in der EU wiederum streng reguliert und wird wegen gesundheitlicher Bedenken kaum in Waschmitteln eingesetzt.
Experimente zeigen, wie Glyphosat aus DTPMP entsteht
Huhns Team hatte 2024 postuliert, dass DTPMP in der Kläranlage zu Glyphosat abgebaut wird. In ihrer neuen Studie haben die Tübinger Fachleute den experimentellen Beweis für ihre These vorgelegt und dazu mit Kolleginnen und Kollegen aus Stuttgart sowie mit Wasserversorgern zusammengearbeitet. Die Fachleute um die Erstautorinnen Lisa Engelbart und Sarah Bieger nahmen Proben von Klärschlamm aus verschiedenen Kläranlagen, die fast ausschließlich Haushaltsabwasser verarbeiteten. Damit schlossen sie aus, dass größere Mengen aus Industrieabwasser die Daten verzerrten. Anschließend setzten sie ihren Proben den Wasserenthärter DTPMP zu – und beobachteten, was geschah. Wie sich zeigte, entstand dabei unter anderem tatsächlich Glyphosat. Hinzu kamen weitere Produkte, etwa Aminomethylphosphonsäure (AMPA), ein Stoff, der als biologisches Abbauprodukt aus Glyphosat hervorgeht, aber auch aus Reaktionen von Aminopolyphosphonaten stammen kann. »Diese Bildung von Glyphosat in der Kläranlage würde die Verläufe in den Gewässern besser erklären als jeder Herbizideinsatz«, sagt Huhn im Videogespräch gegenüber Spektrum.de.
Mit diesem Befund standen die Forscherinnen und Forscher aber vor einem neuen Rätsel: Auf welchem Weg sollte sich das Herbizid bilden? Der Waschmittelzusatz DTPMP ist nicht biologisch abbaubar, das zeigen standardisierte Tests.
»Diese Bildung von Glyphosat in der Kläranlage würde die Verläufe in den Gewässern besser erklären als jeder Herbizideinsatz«Carolin Huhn, Analytikerin
Es lag also nahe, dass eine abiotische Reaktion stattfindet – eine, an der keine lebenden Organismen beteiligt sind. Um das zu überprüfen, versetzte das Team frische Klärschlammproben mit dem Sterilisationsmittel Natriumazid, um alle Lebewesen abzutöten. Anschließend gab es DTPMP hinzu und beobachtete, wie viel Glyphosat sich bildete. Würden Bakterien oder andere Lebewesen die Reaktion zu Wege bringen, dann dürften die Fachleute in den mit Azid versetzten Proben kein Glyphosat beobachten. Doch im Gegenteil: In den Tests, die keine lebenden Organismen enthielten, fand sich sogar mehr Glyphosat als in den Vergleichsproben, denen kein Azid zugesetzt war. Der Abbau von DTPMP ist also eine rein chemische Reaktion. Dass die mikrobenhaltigen Versuche sogar weniger Glyphosat enthalten, könnte den Forschern zufolge daran liegen, dass die Kleinstlebewesen dieses zu AMPA abbauen. Diese Stoffwechselreaktion ist bereits bekannt.
Analyse mit Herausforderungen
Thorsten Reemtsma hat die aktuelle Studie auf Anfrage von Spektrum.de unter die Lupe genommen. Der Chemiker leitet am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig die Abteilung für Umweltanalytik und erforscht unter anderem die Umwandlung von Chemikalien in der Umwelt. Er hält die Schlussfolgerungen der Tübinger Arbeitsgruppe für plausibel und betont, dass die Analyse von Phosphonaten – noch dazu in einem komplexen Medium wie Klärschlamm – herausfordernd ist. »Die Analyse von Glyphosat und AMPA ist nicht trivial. Huhns Arbeitsgruppe hat dazu eine eigene Methode entwickelt«, erklärt er. »Bei der Arbeit muss man mit einigen Schwierigkeiten umgehen, und die Gruppe hat das auf eine gute Art getan.«
Womöglich liegt es auch an der schwierigen Analytik, dass die Reaktion von DTPMP zu Glyphosat bislang nicht nachgewiesen wurde. Denn die Vermutung, Aminopolyphosphonate in Haushaltsprodukten könnten eine Quelle für Glyphosat darstellen, gab es bereits in der Vergangenheit. 2007 etwa untersuchte eine Gruppe um Aline Ghanem vom französischen Forschungsinstitut INRA Klärschlämme auf Rückstände von Herbiziden, darunter Glyphosat. Die betrachteten Kläranlagen behandelten ausschließlich Abwasser von Haushalten, also nicht solches von Industriebetrieben und auch kein Regenwasser, das Herbizide aus der Landwirtschaft transportieren könnte. Aus ihren Ergebnissen schlossen die Fachleute damals schon, »dass ein wichtiger Teil der gefundenen Herbizide aus Haushalten stammt«. Weiter schrieben sie: »Die Forschung sollte sich jetzt darauf konzentrieren, die Hauptquellen für diese Verbindungen zu identifizieren. In diesem Kontext sollte es von Interesse sein herauszufinden, welchen Anteil Phosphonsäuren aus Waschmitteln an der Gesamtkontamination von Klärschlamm mit Glyphosat und AMPA tatsächlich haben.«
Mangansalze könnten die Reaktion antreiben
Als Stoffe, mit denen DTPMP in der Kläranlage chemisch reagiert, kommen beispielsweise Manganoxide in Frage. Forscher der Universitäten Tübingen, Münster und Duisburg-Essen haben in einer weiteren Arbeit vom März 2025 gezeigt, dass die Substanz in wässriger manganhaltiger Lösung zu Glyphosat zersetzt wird. Manganverbindungen sind allgegenwärtig in der Umwelt: Das Metall ist eines der häufigsten in der Erdkruste und kann im Boden sowie im Wasser in verschiedensten Formen vorliegen. Man nutzt es in Legierungen und zahlreichen Anwendungen. Speziell in Kläranlagen kommt es außerdem als Begleitstoff von Fällmitteln vor, mit denen man Substanzen wie Phosphat aus dem Wasser abtrennt.

Es gäbe allerdings noch eine alternative Erklärung dafür, dass man hinter dem Ablauf der Kläranlage mehr Glyphosat findet als davor, sagten Kritiker schon im Jahr 2024. Marion Martienssen leitet an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus den Lehrstuhl Biotechnologie der Wasseraufbereitung und forscht an Methoden zur Reinigung von Abwässern und zur Entfernung von schlecht abbaubaren Verunreinigungen im Wasser. Ihre Annahme: Im Klärschlamm könne sich bereits Glyphosat befinden, gebunden an Partikel. Möglicherweise verdränge das zugegebene DTPMP das Glyphosat von diesen Plätzen, da es selbst stärker an die Partikel bindet. Als Folge sehe man in den Proben freies Glyphosat, das vorher nicht auffindbar war.
Isotopen lügen nicht
Um diese Hypothese zu überprüfen, führte das Team um Huhn Versuche mit isotopenmarkiertem DTPMP durch. Zunächst stellte es dazu Mischungen von Aminopolyphosphonaten her, in einer Zusammensetzung, die der in Waschmitteln nahekommt. In jedem Phosphonatbaustein war ein Kohlenstoffatom durch das schwerere 13C-Isotop ersetzt. Wenn aus diesen Stoffen Glyphosat entsteht, trägt dieses dann zwangsweise auch ein 13C-Atom. Umgekehrt muss jedes Molekül Glyphosat, das solch ein schweres Kohlenstoffisotop enthält, aus dem zugesetzten isotopenmarkierten Phosphonatgemisch stammen. Analytisch lassen sich Moleküle mit dem schwereren Kohlenstoff leicht von ihren normalen Pendants unterscheiden.
Wie sich zeigte, stieg in den Experimenten die Konzentration von isotopenmarkiertem Glyphosat über die Zeit an, während sich kein neues nicht isotopenmarkiertes Glyphosat bildete. Demnach ist aus den Wasserenthärtern tatsächlich frisches Glyphosat hervorgegangen. Durch diese Versuche sei das Gegenargument »wirklich vom Tisch«, folgert Huhn.
Reemtsma bestätigt das. Isotopenmethoden seien der Goldstandard, wenn es um die Aufklärung solcher Zusammenhänge gehe, sagt er im Gespräch, und bestätigt Huhns Schlussfolgerungen aus den Experimenten: »Damit ist es wirklich eindeutig, dass Glyphosat aus dem zugesetzten DTPMP entsteht.«
»Damit ist es wirklich eindeutig, dass Glyphosat aus dem zugesetzten DTPMP entsteht«Thorsten Reemtsma, Chemiker
Wie viel Glyphosat sich jährlich in deutschen Kläranlagen aus DTPMP und möglicherweise anderen Aminopolyphosphonaten bildet, hat Huhns Team anhand der Experimente versucht abzuschätzen. Für eine umfassende Betrachtung fehlten jedoch noch weitere Untersuchungen, gibt die Wissenschaftlerin zu bedenken. Wenn man für eine Hochrechnung die Mengen zu Grunde legt, die in den Versuchen entstanden sind, kommt man nämlich auf deutlich weniger, als man tatsächlich in den Abläufen von Kläranlagen nachgewiesen hat.
Wie groß ist das Problem?
»Im Moment können wir den Eintrag quantitativ noch nicht erklären«, sagt Huhn. Für diese Diskrepanz könne es mehrere Gründe geben. Erstens, erklärt die Expertin, »glaube ich nicht, dass wir in unserem statischen Experiment die dynamischen Bedingungen in einer Kläranlage nachstellen können, in die ständig neues DTPMP gelangt.« Daher seien dazu weitere Versuche nötig. Zweitens vermutet die Forscherin, dass DTPMP schon in der Kanalisation umgesetzt wird. »Wir wissen aus Studien an Kläranlagen, dass Glyphosat ganzjährig über Abwasser bereits in die Kläranlage gelangt«, sagt Huhn. »Eventuell bedeutet dies sogar, dass ein Teil der Bildung bereits im Kanalsystem erfolgt.« Die chemischen Prozesse, die in dieser Umgebung ablaufen, sind noch wenig untersucht. Drittens hat die aktuelle Studie bewusst ausschließlich Haushaltsabwasser berücksichtigt und daher nur Kläranlagen betrachtet, die so gut wie kein Industrieabwasser behandeln. Industriebetriebe setzen die verantwortlichen Stoffe ebenfalls in erheblichen Mengen ein. Durch solche lokalen Quellen könnten noch einmal bedeutende Mengen Glyphosat gebildet werden.
Auch Reemtsma gibt zu bedenken, dass die von den Tübingern hochgerechneten Mengen gegenüber dem landwirtschaftlichen Einsatz vernachlässigbar gering sind. »In welchem Ausmaß Glyphosat entsteht, müssen weitere Studien klären«, stellt er daher fest. Den Gedanken, dass sich der Stoff bereits im Abwasserkanalsystem bildet, hält er für plausibel, vor allem angesichts der Indizien, dass Mineralien wie Mangandioxid die Reaktion zu katalysieren scheinen. »Im Abwassersystem ist der Mineralstoffanteil noch höher« als in der Kläranlage, sagt der Experte. Er äußert eine weitere Vermutung: Da man DTPMP ebenso in Sedimenten von Gewässern findet, könnte der Prozess auch direkt dort ablaufen.
»Im Moment können wir den Eintrag quantitativ noch nicht erklären«Carolin Huhn, Chemikerin
In kommenden Versuchen will das Team um Huhn gemeinsam mit anderen Fachleuten die Bildung von Glyphosat unter realistischeren Bedingungen überprüfen. Beispielsweise in einer Versuchskläranlage, in der sich Experimente in größerem Maßstab durchführen lassen, als es im Labor möglich ist.
Was diese Diskussion auch zeigt: Es gibt kein bundesweites Monitoring, ob und wie viel Glyphosat aus Kläranlagen in die Gewässer gelangt. Das Umweltbundesamt schreibt auf Anfrage: »Die Einträge von Glyphosat durch Kläranlagen werden in Deutschland nicht systematisch erfasst, daher gibt es auch keine flächendeckenden Daten.«
Die Frage, ob man nun die Prozesse in Kläranlagen – wie verwendete Fällsalze und ähnliches – in den Blick nehmen müsse, beantwortet Huhn eindeutig: »Die viel wichtigere Frage lautet: Wo muss man die Phosphonate überhaupt zwingend einsetzen?« Da sie lange in der Umwelt verbleiben, reichern sie sich über die Zeit an und sind daher als kritisch zu betrachten. »In Sedimentkernen aus Gewässern wurde DTPMP noch bis in 60 Zentimeter Tiefe gefunden, immer in hohen Konzentrationen«, sagt Huhn. Und DTPMP ist nicht der einzige Vertreter der Substanzklasse, der Forschern Sorgen bereitet. So reichert sich die verwandte Substanz Ethylendiamintetra(methylenphosphonsäure) (EDTMP), die in Spülmaschinentabs enthalten ist, ebenfalls in der Umwelt an, und auch sie kann zu Glyphosat abgebaut werden. Es gibt jedoch Alternativen, etwa Polycarboxylate, die von Mikroorganismen zu CO2 und Wasser abgebaut werden.
»Wo muss man die Phosphonate überhaupt zwingend einsetzen?«Carolin Huhn, Analytikerin
Die Glyphosatwerte an sich sind laut Reemtsma hier zu Lande im Rahmen. Zwischen 0,1 und 0,5 Mikrogramm pro Liter finde man in den hiesigen Gewässern, das sei eine mittlere Belastung. Zur Einordnung: Derzeit gibt es in der EU noch keine Maximalwerte, so genannte Umweltqualitätsnormen, für Glyphosat in Gewässern.
Das könnte sich künftig ändern. Derzeit überarbeitet die Europäische Kommission die Umweltqualitätsnormen-Richtlinie. Darin sollen auch neue Grenzwerte für Glyphosat im Oberflächengewässer vorgeschlagen werden. »Würden die im Rahmen dieser Revision einzuführenden Umweltqualitätsnormen überschritten, müssten die Bundesländer Maßnahmen zur Reduzierung des Eintrages ergreifen, wobei auch die Kläranlagen als Eintragspfad zu beachten wäre«, schreibt das Umweltbundesamt an Spektrum.de. Diskutiert werden derzeit zwei Werte: 0,1 Mikrogramm pro Liter für Gewässer, aus denen später Wasser zur Trinkwassergewinnung entnommen wird, und 86,7 Mikrogramm pro Liter für alle anderen Flüsse und Seen. Für Übergangs- und Küstengewässer ist ein Wert von 8,67 Mikrogramm pro Liter im Gespräch. »Dem Umweltbundesamt liegen keine Daten aus dem offiziellen Messnetz der Bundesländer vor, die einen Wert von 86,7 Mikrogramm pro Liter bzw. 8,67 Mikrogramm pro Liter überschreiten«, schreibt die Behörde.
Chemikalienrecht im Blick
Und Reemtsma gibt noch zu bedenken, dass für die Beurteilung der Wasserqualität für ein Ökosystem nie nur ein einziger Stoff ausschlaggebend sei, sondern die Gesamtheit der Substanzen. Der Fall von DTPMP und Glyphosat wirft laut dem Chemiker außerdem ein Schlaglicht auf ein grundlegenderes Problem: Bei der Regulierung von Chemikalien ist es bislang nicht ausschlaggebend, wie sich die Stoffe in der Umwelt verändern. Ein Hersteller muss also nicht prüfen, ob sich aus seinen Produkten möglicherweise gefährliche Substanzen bilden können. Anders ist das bei Pestiziden, wo die Hersteller genau nachweisen müssen, welche solcher Transformationsprodukte in der Umwelt entstehen und wie diese wirken. »Das findet bislang im Chemikalienrecht praktisch nicht statt.«
Wie groß das Problem letztlich ist, bleibt also herauszufinden. Noch ist zum einen unklar, welche die größten Quellen für DTPMP im Abwasser sind. Zum anderen weiß man noch nicht, wie viel Glyphosat aus welcher der vielen möglichen Quellen den Weg in Flüsse und Seen findet. Das Rätsel um den Unkrautvernichter in unseren Gewässern ist also noch längst nicht gelöst. Ein wichtiges Puzzlestück ist aber nun gefunden und kann als Ausgangspunkt für weitere Forschung dienen. Und vielleicht kommt so ein weiterer Stein ins Rollen und stößt die viel grundsätzlichere Diskussion an, ob wir vor der Zulassung von Chemikalien nicht genauer hinsehen sollten, um solche unangenehmen Überraschungen künftig zu vermeiden.
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