News: Kleidermarken machen Leute
Wichtigstes Ergebnis der Studie von Carolin Bauer, vom Lehrstuhl für Soziologie an der Universität Hohenheim ist, daß die Markenorientierung stets im unmittelbaren sozialem Umfeld der Kinder und Jugendlichen entsteht – in der Familie, in der Schule, im Freundeskreis – und weniger über Werbung vermittelt wird. Die Bedeutung von Kleidermarken für die Eltern, unabhängig davon, ob sie sie selbst kaufen oder tragen, prägt die Markenorientierung ihrer Kinder. Allerdings haben sie später immer weniger Einfluß darauf, welche Marken von den Sprößlingen bevorzugt werden. Sie orientieren sich bereits im Jugendalter eher an den älteren Geschwistern und vor allem am Freundeskreis oder dem Freundeskreis in spe.
Die Studie zeigt darüber hinaus, daß für Kinder und Jugendliche die Kleidermarke als "soziales Symbol" immer wichtiger wird. Kleidermarken ermöglichen Gruppenmitgliedschaften, sorgen für eine bestimmte Gruppenidentität und liefern Verhaltensanleitungen sowie bestimmte Wertvorstellungen gleich mit: Der kindliche oder jugendliche Träger eines Homeboy-T-Shirts wird sich innerhalb wie außerhalb der Skater-Gruppe eben wie ein Skater verhalten und Wertvorstellungen entwickeln "wie man sie als Skater nun einmal hat", um sich damit der Gruppe anzupassen, sich mit ihr solidarisch zu zeigen, und um sich von anderen Gruppen oder dem Rest der Gesellschaft abzugrenzen.
Kleidermarken geben den Kindern und Jugendlichen neben Status und Prestige in immer stärkerem Maße scheinbare Sicherheit und Orientierung über ihre Rolle in der Welt. Marken haben einen ungeheuren Stellenwert im täglichen Leben der Kinder – und noch mehr im Alltag der Jugendlichen – und beeinflussen ihre Sozialisation nachhaltig. Die hohen Kosten, die für die Eltern aus der Markenfixierung ihrer Kinder entstehen, oder Auseinandersetzungen in den Familien um die teuren Jeans, sind dabei vielleicht noch die geringsten Probleme. Viel schwerer wiegen soziale Konflikte, die aufkeimen, wenn die Eltern ihren Kindern die begehrte Markenkleidung aufgrund der eigenen eingeschränkten finanziellen Lage nicht kaufen können, das Emblem an den Schuhen aber sozusagen als Eintrittskarte in eine Jugendgruppe gilt, zu der das Kind gerne dazugehören möchte.
Problematisch wird die Markenorientierung auch dann, wenn Kinder oder Jugendliche meinen, Persönlichkeit ausschließlich über Kleidermarken zu gewinnen, der Jugendliche diese Marken aber nicht besitzt. Neben- und Ferienjobs bilden dann verstärkt die Freizeit-Aktivität, um das fehlende Geld für die Markenkleidung zu verdienen und damit den "Anforderungen des Freundeskreises" zu genügen. Die Fixierung auf Kleider- oder Schuhmarken hat noch gravierendere Konsequenzen, wenn Diebstahldelikte bei Kindern und Jugendlichen zunehmen, nur um an die richtigen Turnschuhe oder die richtige Jacke zu kommen. Die Untersuchung zeigt, daß sich immerhin 57 Prozent der befragten Kinder und Jugendlichen vorstellen können, daß MitschülerInnen stehlen würden, um in den Besitz eines Markenartikels zu kommen.
Immer häufiger ist also die Kleidermarke quasi das Aufnahmekriterium in Spiel- oder Jugendgruppen und gleichsam Initiationssymbol für die verschiedenen Phasen im Kindes- und Jugendalter.
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