News: Kleine Kapseln duften und schmieren
Wichtiger als für Rasierer sind solche Verschleiß-anzeigenden Schichten jedoch für Werkzeuge. "Bei Umformwerkzeugen zum Beispiel ist der Verschleiß enorm. Bislang müssen diese Maschinen immer wieder angehalten und kontrolliert werden«, erläutert Andreas Dietz, der für Galvanotechnologie zuständige Gruppenleiter des IST. "Wir haben nun ein Verfahren entwickelt, das es ermöglicht, den Zustand von Verschleißschutzschichten zu überwachen, ohne die Maschinen stoppen zu müssen." Dazu wird unter die Schutzschicht eine Schicht mit Mikrokapseln aufgebracht. Die vom Fraunhofer-Institut für angewandte Polymerforschung IAP in Teltow hergestellten Kapseln sind mit Duftstoffen gefüllt. Sobald die Schutzschicht defekt ist, setzen die Mikrokapseln ihre Duftstoffe frei und Sensoren lösen Alarm aus.
Mikroverkapselung ist schon lange bekannt: Feststoffe, Flüssigkeiten oder Gase werden mit einer dünnen Kunststoffhülle umgeben – und können so unabhängig von Aggregatzustand und chemischer Reaktivität als trockenes Pulver verwendet werden. Der Durchmesser der Kapseln ist zwischen 0,3 und 5000 Mikrometer einstellbar. "Das bekannteste technische Produkt mit Mikrokapseln ist das Selbstdurchschreibepapier, wie es zum Beispiel für Überweisungsformulare benutzt wir", sagt Dietz. "Zwischen zwei Papierlagen werden auf eine Zwischenschicht farbstoffhaltige Mikrokapseln aufgebracht. Schreibt man jetzt auf der oberen Papierlage mit einem Stift, so werden die Mikrokapseln durch den Druck zerstört und die Farbstoffe auf der unteren Papierlage freigesetzt." Weitere Anwendungen von Mikrokapseln sind parfümiertes Duftpapier, die kontrollierte Abgabe von Dünger oder die "Geschmacksmaskierung" von Medikamenten.
Dass Mikrokapseln sich auch in galvanisch abgeschiedene Dispersionsschichten einbauen lassen, wurde Ende der 80er Jahre in Belgien entdeckt. "Das Projekt wurde aber nicht weiterverfolgt", erzählt der Wissenschaftler, der vor zwei Jahren zufällig auf die belgischen Berichte stieß. "Ich hatte aber den Eindruck, dass da mehr Potential drinsteckt." Und so begann die Forschergruppe von Dietz mit den Mikrokapseln zu experimentieren. Schon bald setzten sie Duftstoffe ein, um so durch »elektronische Nasen" die Abnutzung von Schichten nachzuweisen. Mikrokapseln können Verschleiß aber nicht nur anzeigen, sondern auch vermindern. "Die Härte von Schichten läßt sich durch den Einbau von Diamant-, Aluminiumoxid- oder Siliziumcarbid-Partikeln erhöhen", erklärt Dietz. "Bisher müssen dem Elektrolyten beim Galvanisieren je nach Partikelart unterschiedliche chemische Zusätze beigemischt werden. Wenn man die Partikel jedoch verkapselt, haben alle die gleiche Oberfläche – dann genügen viel einfachere und kostengünstigere Badzusätze." Mikrokapseln können sogar die Reibeigenschaften von Schichten verbessern. Mit Öl als Wirkstoff kann man zum Beispiel selbstschmierende Oberflächen erzeugen. Wird statt Öl Molybdändisulfid (MoS2) verwendet, erhält man eine kosten- und umweltfreundliche Trockenreibung.
Ob Trockenreibung, selbstschmierende Schichten oder die Anzeige von Verschleiß – mit Mikrokapseln lassen sich Schichtfunktionen erzeugen, deren Herstellung mittels preiswerter galvanischer Verfahren bisher unvorstellbar war. "In der Galvanotechnik bieten Mikrokapseln ein Feuerwerk neuer Anwendungen", begeistert sich Dietz. "Die Vielfalt wird nur durch die Phantasie des Nutzers begrenzt."
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